Der schlimme Kater nach dem betörenden UMTS-Rausch
Der süße Traum vom großen UMTS-Geschäft ist ausgeträumt. Vergessen ist alle anfängliche Euphorie, jetzt geht es nur noch ums Geld. Die europäischen Mobilfunk-Netzbetreiber werden vor 2015 keine schwarze Zahlen mit dem Netz der dritten Generation schreiben. Wie viele der Unternehmen bis dahin durchhalten können, ist fraglich. UMTS gilt als möglicher Auslöser für ein Netzbetreiber-Sterben; das erste Opfer ist bereits zu beklagen.

Jana Preuß

        


 
achdem im Herbst 2000 sechs Mobilfunkunternehmen in Deutschland die Lizenzen für das vielgepriesene Mobilfunknetz der dritten Generation ersteigerten und von einer schönen neuen multimedialen Welt träumten, hat sich nun längst Ernüchterung breitgemacht. UMTS bringt den Konzernen vorerst nichts weiter als Rekordverluste. Die Lizenzen sind vom Bund für Beträge von jeweils 8,4 Milliarden Euro versteigert worden. Was für Finanzminister Hans Eichel ein lukratives Geschäft war, ist für die Telekommunikationsunternehmen unter Umständen das Aus. Um mitbieten zu können, mussten sich die Konzerne zum Teil hoch verschulden. Nun balancieren sie am finanziellen Abgrund. Für die notwendigen Investitionen in den Aufbau der Netze und in die Kundengewinnung fehlt ihnen jetzt das Geld.

UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) ist die Bezeichnung für den neuen Mobilfunk-Standard, mit dem dank der Übertragungsraten von bis zu zwei Megabit pro Sekunde Daten etwa 30 mal schneller als mit einem ISDN-Anschluss auf das Handy geladen werden können. Damit erreichen die technischen Möglichkeiten, die ein Mobiltelefon zukünftig bieten kann, eine völlig neue Dimension: mobile Videokonferenzen, Internet-Browsing und Java-Anwendungen sollen alltägliches Telefonieren zu einem Ausflug in die grenzenlose Wunderwelt der Technik machen.

Die Übertragungsgeschwindigkeit wird allerdings davon abhängen, wo sich der Kunde gerade aufhält bzw. ob er sich fortbewegt. Außerhalb von Großstädten wird es auch mit dem neuen Mobilfunk-Standard Gebiete geben, in denen die Übertragung langsamer sein wird. Da UMTS in einem neuen Frequenzbereich betrieben werden soll, sind zuvor jedoch erst der Aufbau eines eigenen Netzes und die Entwicklung neuer Endgeräte notwendig. Aufgaben, für die die Mobilfunkunternehmen nach der Ersteigerung der Lizenzen kein Geld mehr haben.

Der Aufbau des Netzes muss schnell vonstatten gehen
Experten schätzen, dass der Aufbau des UMTS-Netzes ein Mobilfunkunternehmen in Deutschland bis zu fünf Milliarden Euro kostet. Eine Ausgabe, die in absehbarer Zeit getätigt werden muss, denn laut den Lizenzbedingungen der Regulierungsbehörde für Telekommunikation müssen die UMTS-Betreiber bis Ende 2003 den Netzausbau soweit vorangetrieben haben, dass 25 Prozent der Bevölkerung erreicht werden können. Wer dieses Ziel verfehlt, muss die Lizenz zurückgeben - selbstverständlich ohne Rückerstattung des Preises.

Mit dem Aufbau des UMTS-Netzes allein sind die Mobilfunkunternehmen allerdings noch nicht auf der sicheren Seite. Entscheidend für den Erfolg des neuen Mobilfunk-Standards ist die Gunst des Kunden. Bleibt die Kundschaft bei ihrer Technik-Zurückhaltung, wird aus dem Mobilfunknetz der dritten Generation ein Milliardengrab. Nach einer Studie des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Forrester wird 2007 erst jeder zehnte Mobilfunkkunde UMTS-Dienste nutzen. Die Netzbetreiber hingegen hoffen auf nicht weniger als die Hälfte ihres Kundenstamms.

Wollen die Mobilfunkunternehmen die Gebühren für die UMTS-Lizenzen wieder einfahren, müsste sich der Durchschnittsumsatz pro Kunde zudem verdreifachen. Doch damit ist kaum zu rechnen, die Forrester-Studie prophezeit bis 2005 beim durchschnittlichen europäischen Mobilfunkkunden vielmehr einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Diese Einbußen werden sich auch nicht mit den hinzukommenden Umsätzen aus der mobilen Internetnutzung durch UMTS kompensieren lassen, so die amerikanischen Marktforscher.

Ein weiteres Problem: Um die bunte Multimediawelt überhaupt nutzen zu können, müssen die Mobilfunkkunden zuerst ein UMTS-fähiges Handy kaufen. Während Marktforscher den europäischen Handymarkt für gesättigt halten, basteln die Hersteller unbeirrt weiter an den Telefonen - für die es kaum Kunden gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass für UMTS-fähige Handys ungewohnt hohe Preise fällig werden - eine Tatsache, die den gewünschten Erfolg der UMTS-Dienste bei den Kunden alles andere als positiv beeinflussen dürfte.

Ausstieg als Alternative?
Einen Ausstieg aus dem Geschäft gibt es nach der Ersteigerung der UMTS-Lizenzen nicht mehr. Trotz der Bestrebungen einiger Mobilfunkunternehmen, die Lizenzen zu veräußern, bleibt der Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation, Matthias Kurth, strikt bei den bestehenden Regeln: Die Laufzeit gilt wie festgelegt bis zum Jahr 2020. Wie mit den UMTS-Lizenzen Geld zu verdienen ist, sei Sache der Konzerne. Doch die stehen durch UMTS-Abschreibungen und Zinsbelastungen mittlerweile vor riesigen finanziellen Problemen und rutschen immer weiter in die Verlustzone. Hilflos mussten die Vorstände der Unternehmen zusehen, wie die Kurswerte ihrer Konzerne nach der UMTS-Auktion um bis zu 60 Prozent einbrachen.

Mit sechs Lizenznehmern war der deutsche Markt deutlich überbesetzt; Kenner schätzten, dass höchstens zwei bis drei Mitspieler übrigbleiben würden. Der Erste ist im Überlebenskampf bereits untergegangen. Der Netzbetreiber Quam musste nach nur einem Jahr am Markt aufgeben und hat die teuer ersteigerte UMTS-Lizenz eingefroren. Auch MobilCom, einst ein Vorzeigeunternehmen, schlitterte haarscharf an der Insolvenz vorbei und legt die UMTS-Pläne vorerst auf Eis.

Erleichterung im UMTS-Geschäft würde den kleineren Mobilfunkunternehmen, denen es an Finanzkraft und Kunden fehlt, lediglich eine Lockerung der strengen Lizenzbedingungen bringen. Durch eine Fusion zweier Lizenznehmer beispielsweise könnten die Kosten für den Aufbau eines UMTS-Netzes auf zwei Schultern verteilt werden. Ohne eine solche Fusion droht den angeschlagenen Unternehmen die Pleite. Doch da protestieren die Großen, T-Mobile und Vodafone. Sie sind gegen ein Aufweichen der Bedingungen. Jedem Bieter sei zum Zeitpunkt der Auktion schließlich klar gewesen, auf was er sich einlasse.

Die Krise der Mobilfunkbranche betrifft unterdessen nicht nur die Netzbetreiber selbst. Ihre Verluste ziehen weite Kreise. Sie führen zu Steuerausfällen, zum Abbau von Arbeitsplätzen und zur Verminderung von Aktionärsvermögen - unter anderem auch von dem des Bundes. Seit der UMTS-Versteigerung befindet sich die T-Aktie auf Talfahrt. Sie fiel von ehemals 103 Euro zwischenzeitlich auf unter 10 Euro und erlitt damit einen Wertverlust von über 90 Prozent. Mit einem Anteil von 43 Prozent an der T-Aktie kostet die UMTS-Auktion den Bund letztlich möglicherweise mehr als sie ihm vor zwei Jahren einbrachte.

Welche der fünf übriggebliebenen Mobilfunkunternehmen das UMTS-Abenteuer heil überstehen, wird sich im Laufe dieses Jahres zeigen. Bis Ende 2003 müssen sich die Konzerne für oder gegen UMTS entscheiden. Wollen sie mitspielen, müssen sie die Lizenzbedingungen erfüllen und einen deutlichen Schritt nach vorn wagen. Erfolgreich werden die Unternehmen allerdings nur dann sein können, wenn sie attraktive Dienste entwickeln, die die Kunden begeistern und ihre Umsätze nach oben treiben. Schaffen es die Mobilfunkunternehmen nicht, ihre Kunden für UMTS zu gewinnen, wird es eine radikale Neuordnung des Mobilfunkmarktes geben. Das bedeutet im Klartext: Wer in Sachen UMTS nicht am Ball bleiben kann, geht baden.  

 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0302b/0302b.htm