Triple Bottom Line Reporting - Eine neue Definition des Unternehmenserfolges
Unternehmen sind gefordert, ihr Zielsystem zu hinterfragen. Kann sich in einer Welt, in der die Ressourcen beschränkt sind, der Unternehmenserfolg lediglich nach dem finanziellen Gewinn bemessen? Wie lange noch kann nur finanzielles Kapital in die Rechnung eingehen, während ökologisches und soziales Kapital unberücksichtigt bleiben? Ein Blick auf das finanzielle Ergebnis eines Unternehmens erzählt nicht die komplette Geschichte. Die Fixierung auf den ökonomischen Gewinn (»Bottom Line«) des Wirtschaftens muss aufgehoben und der Blick auf die »Triple Bottom Line« gerichtet werden.

 

        


 
ie Herausforderung für Unternehmen im 21. Jahrhundert wird nachhaltige Wertschaffung sein. Das heißt, es geht mehr und mehr darum, langfristig Wert auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Basis zu schaffen. In unserer kurzsichtigen, schnelllebigen Wirtschaftswelt dreht sich das Schaffen von Werten bisher lediglich um finanzielle Ergebnisse, die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Wirtschaftstätigkeit bleiben dabei unberücksichtigt.

In einer Gesellschaft, in der ein Bewusstsein dafür entsteht, dass die Ressourcen der Natur nicht unbeschränkt vorhanden sind und dass Humankapital nicht ohne Grenzen ausgenutzt werden kann, stellt sich die Frage, ob der isolierte Blick auf finanzielle Maßgrößen akzeptabel ist. Das Streben nach Nachhaltigkeit bedeutet dann, dass wir unsere Entscheidungsprozesse in der Art und Weise ändern müssen, dass ökonomische, soziale und ökologische Faktoren gleichermaßen Berücksichtigung finden.

Nachhaltige Entwicklung hängt außerdem von der Effektivität der Regeln ab, die die Wirtschaftsaktivität regulieren. Das Konzept des Triple Bottom Line Reporting dient der Verfolgung dieser Ziele: Erstens, es ist eine Methodik, die eine integrierte Entscheidungsfindung innerhalb von Unternehmen fördert, indem auf die Ergebnisse auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Basis gleichzeitig fokussiert wird. Zweitens, es ist ein Vehikel für Unternehmen, gegenüber interessierten Dritten Rechenschaft abzulegen und so den gesteigerten Transparenzbedürfnissen nachzukommen. In einer Gesellschaft, die zunehmend sozial und ökologisch sensibilisiert ist, kann ein Fokus auf diese Fragen sogar zum Wettbewerbsvorteil werden.

Was bedeutet »Triple Bottom Line« (TBL)?
Der Ausdruck »bottom line« bezeichnet den durch ein Unternehmen generierten Profit – das, was unter dem Strich herauskommt. In der heutigen Wirtschaftswelt wird Geldkapital als die einzige Quelle für Profit angesehen. Der finanzielle Saldo stellt das wichtigste Ziel dar und sämtliche Aktivitäten und Entscheidungen werden einzig dahingehend beurteilt, ob sie Profit im finanziellen Sinne für die Shareholder abwerfen oder nicht.

Dieses Vorgehen vernachlässigt, dass es auch andere Formen von Kapital gibt, die zur Profiterzielung beitragen, aber üblicherweise nicht in der Buchhaltung auftauchen. Diese beiden anderen Formen von Kapital sind »Sozialkapital« und »Naturkapital«, welche ebenso einen »Return on Investment« abwerfen. Das »Triple Bottom Line«-Konzept fordert nun, dass wahrhaft nachhaltige Unternehmen gemessen an allen drei Formen des Kapitals erfolgreich sein müssen.

Die drei Kapitalarten
Die erste Kapitalform – Finanzkapital – benötigt keine langwierigen Erklärungen; wir sind alle vertraut damit, da die Wirtschaft ihr die meiste Bedeutung zumisst. Es ist die einzige Kapitalform, die in das heutige System des Rechnungswesens eingeht: es geht dabei um Geld.

Sozialkapital sind Menschen. Einerseits geht es dabei um Humankapital, das von Menschen (Angestellte, Lieferanten, Berater) direkt in Unternehmen investiert wird und andererseits sind Investments des Sozialsystems gemeint, das den Rahmen bildet, in dem Unternehmen prosperieren und wachsen können.

Naturkapital ist die Umwelt und betrifft die Produktivität von Ressourcen, Abfall und Emissionen. Unser Naturkapital ist eine Kombination aus erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Ressourcen, deren Einsatz ebenso in die Berechnung des Unternehmenserfolges eingehen muss.

Was macht den Erfolg eines Unternehmens aus?
Investoren ziehen bei der Entscheidung, ob ein bestimmtes Unternehmen Wert schafft oder zerstört - und damit ob es zur Investition taugt oder nicht - die Kenngröße des »Economic Value Added« (EVA) heran. Bei der Berechnung dieser Maßzahl wird der Profit des Unternehmens den Kosten des eingesetzten Kapitals gegenübergestellt.

Folgt man nun der Idee der »Triple Bottom Line« müssten allerdings, um ein Maß für den Totalerfolg des Unternehmens zu erhalten, alle drei Formen von Kapital in die Berechnung miteinbezogen werden. Dies würde in einer Kennzahl »Total Net Value Added« (TNVA) reflektiert werden, wobei EVA um den Einfluss auf Sozial- und Naturkapital bereinigt werden müsste. TNVA ist also eine Kennzahl, die den ultimativen Wert eines Unternehmens in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht ausdrückt.

Die Konsequenz daraus ist, dass das traditionelle Rechnungswesen mit sozialem und ökologischem Rechnungswesen integriert werden muss. Ziel muss sein, den traditionellen Fokus auf die »bottom line« – den finanziellen Saldo eines Unternehmens – aufzugeben und auf die »Triple Bottom Line« – die ganzheitliche Bemessung des Erfolges – zu richten.

Dies ist allerdings genau der Punkt, an dem es beginnt, problematisch zu werden. Während traditionelles Rechnungswesen eine lange Historie hat, ist das Rechnungswesen unter Berücksichtigung von Sozial- und Naturkapital relativ jung und wirft eine Menge Fragen auf. Welche Einflüsse müssen berücksichtigt werden? Wie werden diese bewertet? Wie können Resultate vergleichbar gemacht werden? Wie können die Rechnungslegungsregeln an diese neuen Anforderungen angepasst werden?

Die Notwendigkeit von TBL Rechnungslegungsstandards
Der Bedarf an TBL Reportingregeln erklärt sich getreu der Maxime »Was gemessen wird, wird auch gemanagt«. Die Messung des Erfolgs ist nicht nur bedeutend hinsichtlich der Überwachung und Berichterstattung des Unternehmensfortschritts, sondern auch zur Beweisführung, dass nachhaltige Wirtschaftspraktiken zum Unternehmenserfolg beitragen.

Obwohl schon eine Menge Unternehmen auf der ganzen Welt, darunter fast die Hälfte der Fortune 500, Informationen betreffend ihren Beitrag zum Umweltschutz und zur Lösung sozialer Fragen neben den Finanzdaten veröffentlichen, gibt es noch viel zu tun. Die Aktivitäten, die in Richtung TBL-Rechnungswesen und –Reporting unternommen werden, sind höchst unkoordiniert. Da es keine Vorschriften hinsichtlich der Erstellung solcher Reports gibt, sind deren Inhalt, Format, Bewertung und die Prüfungsprozesse von Unternehmen zu Unternehmen und zusätzlich je nach Berichtszeitraum sehr unterschiedlich. Als Folge ist es fast unmöglich, die Berichte sinnvoll miteinander zu vergleichen.

Zusätzlich erscheinen die dargebotenen Informationen vielen Investoren und sonstigen interessierten Parteien als unzuverlässig und wenig glaubwürdig. Die Nützlichkeit von TBL-Reports kann nur durch die Entwicklung weltweit standardisierter Regeln gehoben werden, die den Inhalt, das Format sowie die zu verwendenden Bewertungsmaßstäbe festlegen. Zusätzlich müssen Prozesse installiert werden, die die Verifizierung der Berichtsinformationen durch unparteiische Dritte vornehmen. Nur durch die Prüfungspflicht wird es möglich, eine klare Linie zu ziehen zwischen Nachhaltigkeitsreports und Marketingbroschüren, die einen anderen Anspruch an Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit haben.

Finanzrechnungslegung als Vorbild
Öffentliche Initiativen reflektieren immer stärker den Bedarf an gemeinsamen sozialen und ökologischen Reportingstandards nach dem Vorbild der finanziellen Rechnungslegung. Die Europäische Kommission hat am 30. Mai 2001 eine Empfehlung verabschiedet, die die Anerkennung, Bemessung und Veröffentlichung von Umweltschutzfragen in Jahresberichten von Unternehmen innerhalb der EU vorsieht. Indem existierende EU-Rechnungslegungsregeln klargestellt sowie Leitlinien für die Qualitätsverbesserung, Transparenz und Vergleichbarkeit der veröffentlichten Umweltschutzdaten aufgestellt werden, ist dies ein erster Schritt, einen Beitrag zu leisten zur Entwicklung von bedeutungsvollen und vergleichbaren Informationen über ökologische Angelegenheiten in der EU. Jedoch findet die soziale Komponente in dieser EU-Empfehlung keine Berücksichtigung.

Auf internationaler Ebene treibt die Global Reporting Initiative (GRI), eine aus einer Koalition von internationalen, öffentlichen Interessensgruppen 1997 hervorgegangene Vereinigung, die Entwicklung und Verbreitung global anwendbarer Nachhaltigkeits-Reporting-Richtlinien zur freiwilligen Verwendung voran. Diese Richtlinien wurden erstmals 1999 von zwanzig führenden Unternehmen, darunter Bristol Myers Squibb, British Telecommunications, Procter and Gamble und Shell, eingesetzt und gelten als federführend auf dem Gebiet des TBL-Reporting. Das Herz der Richtlinien bildet eine Empfehlung betreffend die Struktur und den Inhalt von Nachhaltigkeitsreports. GRI listet eine Reihe quantitativer und qualitativer Indikatoren für jede der drei Dimensionen der »Triple Bottom Line« auf, die Unternehmen zu berichten haben. Dies wird ergänzt durch Indikatoren, die den sozialen, ökologischen und ökonomischen Erfolg integrieren sollen.

Die von GRI empfohlene Vorgehensweise impliziert die Anwendung eines einzigen Kontenplans, was wiederum das Vorhandensein einer einzigen »Währung« notwendig macht, in die der geschaffene oder zerstörte Wert in jeder der drei Dimensionen übersetzt werden kann. Eine solche »Währung« existiert nicht und es ist auch höchst fraglich, ob es sie jemals geben wird. Oft verlangen verschiedene Indikatoren nach einer unterschiedlichen Bewertung und auch die Unterscheidung in qualitative und quantitative Indikatoren kann nur schwer ignoriert werden. Man wird sich also erst einmal damit begnügen müssen, den Erfolg jeder einzelnen Dimension getrennt zu verfolgen, indem man finanzielle, ökologische und soziale Schlüsselerfolgsfaktoren identifiziert und diese bewertet.

TBL als Investition sehen, nicht als Kosten!
Die dem TBL-Konzept zugrunde liegende Idee ist, dass Unternehmen, die langfristig wachsen wollen, es schaffen müssen, der Nachfrage der Gesellschaft nach Gütern und Dienstleistungen nachzukommen, ohne dabei Natur- und Sozialkapital zu zerstören. Es geht nicht darum, ökonomischen Reichtum zu beschränken, um ökologisch und sozial verantwortlich zu handeln. Jedoch sollten Unternehmen lernen, den positiven Effekt, den umwelt- und sozialbewusstes Handeln auf das finanzielle Ergebnis haben können, zu erkennen und einzukalkulieren.

Dass das Streben nach Nachhaltigkeit als Investition betrachtet werden sollte und nicht als Kosten, erklärt Chad Holliday, CEO von DuPont: »Nachhaltiges Wachstum kommt Millionen von Menschen zugute, aber es hat nichts mit Altruismus zu tun. Wir verfolgen nachhaltiges Wachstum, weil es unserem Geschäft und unseren Shareholdern nützt.«¹ DuPont hat eine Reihe von Zielen für 2010 aufgestellt, darunter eine Reduktion von Treibhausgasemissionen um zwei Drittel bei konstantem Energieverbrauch sowie eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Ressourcen auf 10% des globalen Energiebedarfs.

Ein weiteres Unternehmen, das beweist, dass die Interessen der Shareholder und jene der größeren Gemeinschaft nicht notwendig unvereinbar sind und Engagement in verantwortliche Aktivitäten den Shareholder Value steigern kann, ist The Body Shop. Indem das Unternehmen seinen Kunden erklärt, dass sie durch den Kauf der Waren Tierrechte stärken, die Umwelt schützen oder das Leben von Frauen in Entwicklungsländern verbessern, macht The Body Shop verantwortliches Handeln quasi zu einem Teil des Warenangebots.²

Zeithorizonte müssen größer werden
Wichtig ist, hervorzuheben, dass die TBL-Vorgehensweise nichts am Zweck von Unternehmen verändert – Gewinne zu erzielen, Arbeitsplätze zu schaffen, Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Was geändert wird, ist der Zeithorizont, über den man den Erfolg des Unternehmens beurteilt. Die Anforderung des Kapitalmarkts nach vierteljährlicher Berichterstattung scheint inadäquat, vielmehr sollten Unternehmen sich auf einen längeren Zeitrahmen fokussieren, um soziale und ökologische Ziele in ihre Strategie integrieren zu können.

Diese Veränderung der Sichtweise muss durch eine Änderung der Kultur des Unternehmens, des Verhaltens, der Werte und des Entscheidungsfindungsprozesses begleitet sein, damit die volle Bandbreite der relevanten ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten gesteuert werden kann.

Es zeigt sich, dass Aktivitäten, die auf die Erreichung von Nachhaltigkeit gerichtet sind, sich nicht in einem Beachten von Sozial- und Umweltschutzregularien erschöpft. Es geht darüber hinaus, und zwar gilt es, auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit gerichtete Handlungsweisen in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Die große Zahl von Unternehmen, die bereits diese Richtung eingeschlagen hat, ist ein Indiz, dass TBL zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt. TBL bringt mehr Gewinn und höheres Wachstum – ganz klar eine Win-Win-Situation.

Ist TBL-Reporting nur eine Modeerscheinung?
Es bleibt die Frage offen, ob Triple Bottom Line Reporting lediglich eine weitere Modeerscheinung der Wirtschaftswelt ist oder ob das Konzept unser Rechnungswesen- und Reportingsystem nachhaltig verändern wird. Damit die positiven Effekte dieses Ansatzes zur Entfaltung kommen können, kann er nicht isoliert verfolgt werden. Vielmehr ist eine Integration in die Gesamtstrategie des Unternehmens notwendig, um den Prozess der unternehmerischen Entscheidungsfindung zu ändern und so Unternehmen in die Richtung von sowohl Nachhaltigkeit als auch ökonomischer Profitabilität zu steuern.  

 

1 Holliday, Chad: Sustainable Growth, the DuPont Way, Harvard Business Review September 2001
2 Der Erfolg des Unternehmens beweist, dass diese Strategie aufgeht. Auf einem anderen Blatt steht, dass The Body Shop beschuldigt wird, nicht gemäß den eigenen Prinzipien, mit deren Hilfe Kunden gewonnen werden sollen, zu handeln. Angeblich ist also das Unternehmen nicht so ökologisch und sozial wie es vorgibt zu sein. Dieses Dilemma zeigt jedoch sehr deutlich, wie wichtig Reportingrichtlinien sind, die es ermöglichen, Nachhaltigkeitsreports von bloßer Marketinginformation zu unterscheiden.
 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0304c/0304c.htm