Die »Alten« sind besser als wir glauben
Der Jugendkult muss auf den Prüfstand! Das Alter spielt bei der Personalauswahl meist eine große Rolle. Fehler sind vorprogrammiert: Eine Korrelation zwischen Alter und Erfahrung oder Leistungsfähigkeit gehört ins Reich der Mythen.

Ulf D. Posé

        


 
er unabhängig vom Alter eines Mitarbeiters auf dessen Wertschöpfungsbeitrag achtet, wird schnell feststellen, dass der Wertschöpfungsbeitrag des älteren Arbeitnehmers in aller Regel höher ist, als der Wertschöpfungsbeitrag des jüngeren Arbeitsnehmers.

Die Entmenschlichung des Menschenbildes
Das Alter eines Menschen zum wichtigen Auswahlkriterium bei der Personalauswahl zu machen, ist eine Funktionalisierung des Menschenbildes. Dahinter steht eine tiefgehende Entmenschlichung des Menschenbildes. Je mehr jemand in einer Funktion brauchbar ist, desto wichtiger ist er.

So kommt es im Regelfall, Ausnahmen gibt es sicher, dazu, dass ab siebenundfünfzig der Mensch nicht mehr beschäftigt wird. Er gilt als senil und verkalkt, Alzheimer in Anfängen erkennbar. Solch ein Menschenbild zu haben, und sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass solch ein Menschenbild eher verwerflich ist, ist schon erstaunlich. Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass es durchaus sittlich verantwortete Entscheidungen geben kann, infolge derer auch ein älterer Mitarbeiter entlassen wird. Die sittliche Verantwortung drückt dann jedoch in einer verantworteten Güterabwägung aus. Genau diese ist aber oft zu vermissen.

Der Jugendkult ist unmenschlich
Der Jugendkult ist in seinen Konsequenzen ein Teil der Unmenschlichkeit den Älteren gegenüber. Es ist absolut töricht, zwei Trainees einzustellen, die die typischen Anfängerfehler begehen, für deren Aus- und Weiterbildung mehr als fünzigtausend Euro auszugeben, und dafür mit zwanzig- oder dreißigtausend Euro einen älteren Mitarbeiter in die Frühverrentung zu schicken.

Das Thema der Frühverrentung war einmal von der Politik gewollt, um so Neueinstellungen zu ermöglichen! Dann wurde es dem Staat zu teuer. Die Gewerkschaften pochen heute noch darauf, die Altersteilzeit tariflich zu verankern, was hier und da auch erfolgt ist. Glücklicherweise hat der Gesetzgeber hier eingegriffen. Konsequent richtig wäre es sicher gewesen, dem Arbeitgeber allein die Kosten für solch ein Vorgehen aufzubürden.

Vorstände werden alterslos bewertet
Interessanterweise gilt dies alles für Vorstandsetagen eher nicht. Im gehobenen Führungskreis hat man erkannt, dass Vorstände etc. auch länger als bis zum 65. Lebensjahr arbeiten sollten, »da ein längerer Nutzen des Erfahrungsschatzes, höher Kontinuität in der Unternehmensführung und Vermeidung von Know-how-Verlust« der Benefit ist. Zu bemängeln ist, dass dies offensichtlich für den »Arbeiter« im Industriebetrieb oder Mitarbeiter im mittleren Angestelltenbereich nicht zu gelten scheint.

Sicher ist es auch unsinnig anzunehmen, dass das Alter automatisch mit einer bestimmten Erfahrung korreliert, denn manche Menschen nennen das Erfahrung, was sie seit vielen Jahren verkehrt machen. Der Alterungsprozess bietet allerdings dem Menschen die Chance, mehr Erfahrungen zu sammeln, als jemandem, der jung ist. Nur der daran notwendigerweise gekoppelte Interpretationsprozess ist nicht zwingend eine Altersfrage. Das ist eher eine Frage des Intellekts, der Verarbeitungsbereitschaft, der Lernbereitschaft des Einzelnen.  

 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0511c/0511c.htm