Persönliches Wissensmanagement
Wissensmanagement ist so aktuell wie eh und je. Die Veränderungen in der Wirtschaftswelt erzwingen den Blick auf Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. Welche Beiträge leistet dabei das persönliche Wissensmanagement am Arbeitsplatz? Inwieweit bietet die persönliche Arbeitsorganisation Potential für Wettbewerbsvorteile?

Gerald Lembke

        


 
issensmanagement wird in der Wirtschaftspraxis nach wie vor intensiv diskutiert. Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren mit der Frage eines Managements von Wissen in vielen unterschiedlichen Projekten beschäftigt. Die Notwendigkeit der Thematisierung und tieferen Auseinandersetzung mit der Wissensarbeit in Unternehmen bleibt. Nicht nur, um Wissensarbeit in Unternehmen nicht als Mode in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern um sie viel mehr an die bewusst gewordenen Bedürfnisse der Anwender anpassen zu können.

Diese Bedürfnisse werden gestaltet von in dieser Zeit besonders erlebbaren Entwicklungen ökonomischen Wirtschaftens. So dürfen weniger Menschen mehr Arbeit in zudem meist kürzeren Zeiten verrichten. Die Effizienz der persönlichen Arbeitsorganisation wird jeden Tag auf ein Neues geprüft.

Ein existierendes »Wissens-System« kann Effizienzsteigerungen unterstützen und für die Zukunft fördern. So gut und ausgefeilt viele Systeme mittlerweile sind, so unpersönlich treten sie schließlich den Mitarbeitern entgegen: Web-Formulare ausfüllen, komplexe Erfassungsmasken bedienen, Kennen der Erfassungssyntax sind beispielsweise nicht zwingend Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. Schließlich nutzen Mitarbeiter ihre etablierten oder bewährten Arbeitsmittel, die seit Jahren existieren oder vom Vorgänger am Arbeitsplatz übernommen wurden. Selbstgestrickte Tabellen scheinen für manchen effizienter als das Pflegen von komplexen bedienungsunwürdigen DV-Systemen.

Verständnis eines »Persönlichen Wissensmanagements«
Wissens- und Informationsverarbeitung in Unternehmen werden wie die meisten operativen Aktivitäten der Effektivitätssteigerung untergeordnet. Schnelle Ergebnisse sind gefordert. Doch gerade bei der Gewinnung von arbeitsplatzbezogen relevanten Informationen als Ansatz persönlichen Wissensmanagements ist eine Erfolgsmessung nicht trivial. Ein grundsätzliches Verständnis trägt dazu bei, die Falle zu umgehen.

Ausgangspunkt ist stets, individuelle Denkweisen und Handlungen in seinem persönlichen Arbeitsbereich zu reflektieren, die zu Verbesserungen der eigenen Effizienz und der partizipierenden Kolleginnen und Kollegen führen können. Diese müssen z. B. darin bestehen, sich mit den arbeitsplatzbezogenen (weil individuellen) Zielen zu beschäftigen. Voraussetzung ist die Kenntnis und Wahrnehmung der Unternehmensziele und die Möglichkeit, diese Ziele auf den eigenen Arbeitsplatz anwenden zu können. Beide stehen in engem Zusammenhang, bestimmen schließlich strategische Unternehmensziele, welche operativen Arbeiten in welchem Umfang mit welchen Ressourcen organisiert werden. Die Betrachtung der persönlichen Ziele steht hier im Vordergrund, ohne diesen Zusammenhang jedoch damit aufzulösen.

Auf der Suche nach einem allgemeingültigen Verständnis »persönlichen Wissensmanagements« als Teil eines Wissensmanagement-Systems wird der Sucher enttäuscht. Auf eine Darstellung der einzelnen definitorischen Ansätze – vorwiegend aus wissenschaftlichen Perspektiven – soll an dieser Stelle verzichtet werden. Ein Beispiel einer unternehmensbezogenen definitorischen Annäherung liefert der »European Guide to Good Practice in Knowledge Management«. Hier wird unter einem persönlichen Wissensmanagement verstanden: »Ein Bündel von Konzepten, Methoden und Instrumenten zur Strukturierung und Ordnung von individuellen Wissensbeständen, welches es den Mitarbeitern ermöglicht, Verantwortung dafür zu übernehmen, was sie wissen und wen sie kennen.«1

Es wird deutlich, dass persönliches Wissensmanagement nicht von oben mit einem umfassenden großen System erfolgreich oktroyiert werden kann, sondern dass dieses auf allen Hierarchieebenen des Unternehmens von den Ambitionen und dem Ausmaß der Eigenverantwortung abhängt.

Im Folgenden werden persönliche Wissensfähigkeiten und Ansätze aufgeführt, die zur Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Wissensarbeit in Wissensorganisationen führen können. Dazu gehören Fähigkeiten, Verhaltensweisen, Methoden, Instrumente und Techniken sowie Beziehungswissen.

Fähigkeiten für persönliches Wissensmanagement
Die Fähigkeiten, die ein Mitarbeiter benötigt, um die Aktivitäten der Kernwissensprozesse effizient auszuführen, werden oft übersehen. Zu diesen persönlichen Fähigkeiten zählen unter anderem:

:: Die Fähigkeit, aus implizitem Wissen explizites Wissen zu generieren, zum Beispiel durch die Methode des »Story Tellings«.
:: Das Fördern der Wissensteilung, indem die individuellen Fähigkeiten des aktiven Zuhörens entwickelt werden, z.B. in eigenen Worten die Worte eines Kollegen wiederzugeben, um herauszufinden, ob man seine Aussage richtig verstanden hat.
:: Die effektive Vermittlung von Wissen an andere. Hier sind quasi journalistische Fähigkeiten angesprochen, komplexe Sachverhalte in Kürze auf den Punkt bringen zu können.
:: Das Strukturieren von Wissen in Dokumenten in einer leserfreundlichen Art und Weise, zum Beispiel mit Hilfe von Mikro-Artikeln.
:: Das Definieren effektiver Suchstrategien, die adäquate Deutung der Abfrageergebnisse und die sofortige Integration in einen Arbeitsprozess.
:: Die Selektion und Nutzung von externem Wissen (z.B. Informationen von Dritten).

Diese persönlichen Fähigkeiten könnten in »Wissensfähigkeitstests« evaluiert werden und durch Training und »Learning by Doing« verbessert werden. Wenn diese Fähigkeiten aktiv geschult und gefördert werden, dann sollte mit der Zeit ein bewussterer Umgang mit Wissen erkennbar werden, sowohl beim Einzelnen als auch im Gesamtunternehmen.

Wissensbezogenes Verhalten fördern
Da Wissen personengebunden ist, hängt das effektive Entwickeln, Bewahren, Teilen und Anwenden von Wissen davon ab, ob die Mitarbeiter in der Lage und auch willens sind, dies zu tun. Das bedeutet, dass ihnen die Relevanz ihres Wissens bewusst sein muss, und sie mit den verschiedenen Prozessen und den verfügbaren Instrumenten vertraut sein müssen. Die Organisation sollte daher geeignete wissensbezogene Verhaltensweisen fördern. Solches Verhalten kann u.U. durch verschiedene externe Maßnahmen beeinflusst werden, wie z.B. durch Anreizsysteme, Belohnungen und Beförderungen und vor allem durch einfache Verhaltensanwendung wie das Aussprechen von Anerkennung oder Feedback.

Viel wichtiger ist der interne, persönliche Antrieb. Die Mitarbeiter sollten größtes Interesse daran haben, intellektuelle Vermögenswerte zu entwickeln und an Ihrem Arbeitsplatz wirksam werden zu lassen. Allein das Stellen von simplen Fragen wie...

:: Gibt es sonst noch jemanden, der mir mit seinem Wissen hier weiterhelfen könnte?
:: Was haben wir aus diesem Projekt gelernt?
:: Wem sollten wir das Gelernte mitteilen?
:: Was werde ich das nächste Mal besser machen?

...könnte entscheidenden Einfluss darauf haben, wie am Arbeitsplatz und im Unternehmen Wissen entwickelt, geteilt und genutzt wird. Zum Beispiel kann das einfache Fragen nach Hilfe ein sehr förderliches Verhaltensprinzip für Wissensteilung sein: es ermöglicht einer anderen Person, seine⁄ihre Lösung oder Methode zu verbessern und in der Organisation zu verankern.

Mitarbeitern muss dabei geholfen werden, kulturelle Barrieren zu überwinden, die sie daran hindern, um Hilfe zu bitten. Weitere Faktoren, die das Verhalten beeinflussen sind: Wertvorstellungen und Überzeugungen der Mitarbeiter sowie das Ausmaß an Kontrolle und autoritärer Strukturen innerhalb von Organisationen im Gegensatz zu individueller Entscheidungsfreiheit und Aktionsspielraum.

Methoden, Werkzeuge und Techniken
Wenn Wissen effektiv geteilt oder bestehendes Wissen genutzt werden soll, so werden häufig Werkzeuge benötigt, um diesen Prozess zu ermöglichen. Zur Nutzung expliziten Wissens gibt es mehr und mehr Informations- und Kommunikationssoftware-Tools, wie Internet, Intranets, Suchsoftware, Datenbanken, Expertenverzeichnisse, Workflow-Systeme etc.

Unternehmen sollten auch verschiedenste nicht-technische Instrumente berücksichtigen, wie z.B. individuelles Coaching von Führungskräften und Mitarbeitern, Workshops, Wissensgemeinschaften, Expertentreffen und Veranstaltungen mit sozialem Charakter. Die Auswahl eines Werkzeugs sollte sehr sorgsam getroffen werden: Werkzeuge müssen sich so nahtlos wie möglich in die natürliche Arbeitsweise der Mitarbeiter und der gesamten Organisation einfügen.

Beziehungswissen
Unter Beziehungswissen wird das Wissen über und das Wissen von Personen und Wissensträgern verstanden. Der Austausch von Informationen, Wissen und Erfahrungen in (Klein-)Gruppen führt häufig zu unerwarteten und teilweise unbewussten Lernergebnissen.

Eine Information muss dazu zwischen Sender und Empfänger verständlich aufgebaut gestaltet werden. Für die Praxis bedeutet dies, eine Information in einen Sprachcode zu exportieren, den der Empfänger aufgrund seiner Erfahrungen und seines Wissens aufnehmen kann. Bestes Beispiel dazu ist das Erlernen einer Fremdsprache, die Umcodierung von Informationen in einen neuen kognitiven Kontext.

Für ein persönliches Wissensmanagement bedeutet dies für den Mitarbeiter die Überprüfung seiner bisherigen Wissensziele und der Beschreibung der Vorgehensweisen des Codierungsprozesses. Begleitet werden diese von den Erwartungen, die der Manager, die Führungskraft oder die Organisation an seine Mitglieder stellt.

Ausblick: Entwicklungsbedarf
Die Verbesserung persönlichen Wissensmanagements ist nicht nur eine strategische Management-Aufgabe, sondern besonders abhängig vom Entwicklungsengagement der Mitarbeiter einerseits und der Führungskräfte andererseits. Probleme in diesen Bereichen haben ihre Ursachen häufig in fehlender Motivation, mangelnden Kompetenzen oder einem nicht förderlichen Vorleben. Insofern ist es weniger erforderlich, konkrete Systeme in Bezug auf ihre Funktionsfähigkeiten zu optimieren, sondern zwei Schritte zurückzugehen und die Informationsverarbeitungsmethoden von Mitarbeitern zu identifizieren, zu beobachten und zu beschreiben, um Verbesserungsalternativen zu erarbeiten und umzusetzen (Stichwort Wissens- und Lernziele).

Die meisten Mitarbeiter arbeiten meist schon mit einem individuellen Methodensystem, mit welchem sie partiell erfolgreich Informationen und an Personen gebundenes Wissen bisweilen organisieren konnten. Es gilt, existierende Qualifizierungsansätze auf diese Bedürfnisse auszurichten. Offene Veranstaltungen können da nur einen kleinen Beitrag leisten. Effektiver sind unternehmensinterne, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und Führungskräfte ausgerichtete Maßnahmen mit konsequenter Evaluierung.

Die Herausforderung jedes Einzelnen und insbesondere der Führungskräfte liegt in der Bereitstellung von Hilfen im Rahmen der Verbesserung des persönlichen Wissensmanagements. Für den Mitarbeiter kommt es darauf an, gegebenenfalls über Schulungs- und Trainingsmaßnahmen stets aktuelle Verarbeitungs-, Organisations- und Strukturierungsmethoden kennen zu lernen und Verhaltensweisen im Hinblick auf Wissensarbeit vermittelt und trainiert zu bekommen. Redaktionelle Schreibtrainings im Rahmen der Dokumentationstechniken, redaktionelle Workshops im Hinblick auf die Identifizierung, Beobachtung, Beschreibung und Verbesserung der eigenen Informations- und Wissensarbeit im Arbeitsalltag liefern weitere konkrete methodische Ansätze.

Für die Organisationsführung sind diese individuellen Perspektiven in ein ganzheitliches Konzept zu integrieren um die notwendige Flexibilisierung und Dynamisierung der Organisationsstruktur im Hinblick auf sich wandelnde Kunden- und Marktsegmente vorzubereiten und zu optimieren. Dazu können gezielte individuelle Maßnahmen einerseits bezogen auf Mitarbeiter als auch im Hinblick auf die Verbesserung der Kommunikationsstruktur und Kultur andererseits hilfreich sein. Die Entwicklung einzelner Mitarbeiter hat auch kurzfristig positive Effekte auf das Unternehmen. Hier sind besonders effektive Evaluierungsmaßnahmen gefragt, die diese Effektivitätssteigerungen transparent machen.  

 

1 European Guide to Good Practice in Knowledge Management: http://www.cenorm.be/cenorm/businessdomains/businessdomains/isss/cwa/knowledge+management.asp

 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0701a/0701a.htm