Markenloyalität: Marken sind gut fürs Empfehlungsgeschäft
Starke Marken stehen für Spitzenleistungen und haben sich nachhaltig in den Köpfen ihrer Zielgruppen verankert. Sie haben sich Zuneigung erarbeitet und einen guten Ruf erworben. Und sie werden gerne weiterempfohlen. Jede Marke muss das Ziel haben, zu seinem Verwender eine emotionale und dauerhafte Beziehung aufzubauen, über die er oft und gerne spricht. Marken brauchen Fans.

Anne M. Schüller

        


 
arkennutzer positionieren sich mit den Marken, mit denen sie sich umgeben. Die Entscheidung für eine Marke ist also ein Selbstbekenntnis, sie spiegelt eine Gefühlslage oder einen Lebensstil wider. Sehr gut ist das bei der Wahl eines Autos zu erkennen. Volvo-Fahrer kaufen Sicherheit, Audi-Fahrer kaufen Vorsprung. Oder nehmen wir Geländewagen. Die meisten hatten noch nie Schlamm unter den Rädern. Und Fanggitter für streunende Kühe brauchen wir auch nicht. Und dennoch, Geländefahrzeuge boomen nachhaltig. Frauen, so heißt es bei BMW, suchen die Sicherheit der erhobenen Sitzweise und den Überblick, Männer hingegen erleben in der erhöhten Position – BMW nennt sie »command position«(!) – Ansehen und Macht, Abenteuer und Freiheit.

Marken stehen für Zugehörigkeit, für Identifikation und Profilierung, aber auch für Bequemlichkeit und Zeitersparnis. Mit einer Marke kann man seinen Status anzeigen, Einfluss gewinnen und Macht ausüben. Dafür ist der Nutzer gerne bereit, einen Aufschlag zu zahlen. Sich im Zweifel für eine Marke, den Marktführer bzw. das renommierteste Produkt zu entscheiden – was kann da noch schief gehen?

Marken verstärken Vertrauen. Und sie geben Sicherheit. Sie schaffen Orientierung im Angebotsdschungel und erleichtern damit Entscheidungen. Mit dem Kauf einer Marke ist weniger Risiko verbunden, man vermutet eine höherwertige Qualität und erleidet (hoffentlich) keine bösen Überraschungen.

Wer »seine« Marke immer wieder gerne kauft, wer sich also voll und ganz mit ihr identifiziert und sich ihr emotional verbunden fühlt, der wird sie gegen Angreifer verteidigen – und seinen Freunden wärmstens empfehlen. Doch bis es soweit ist, das kann dauern. Wenigen Marken gelingt es, uns im Sturm zu erobern. Im Allgemeinen nähern wir uns einer Marke eher vorsichtig: Wir umkreisen sie, inspizieren sie und fragen unsere Nächsten, was sie dazu sagen können.

Diese Phase der Annäherung ist hochemotional, wir wollen schließlich keine Fehler machen. Nach dem Kauf flacht die emotionale Kurve oft ab, wir gewöhnen uns schnell an die Marke. Nur, wenn sie sich unentbehrlich macht, wenn sie uns ständig an sie erinnert und zwischendurch ein paar angenehme Überraschungen auf Lager hat, wenn sie von Freunden bewundert wird und uns immer wieder aufs Neue fasziniert, wird sie für den Wiederkauf in Erwägung gezogen. Wir bleiben einer Marke treu und empfehlen sie weiter, solange sie uns gute Gefühle beschert. Sie darf uns nie im Stich lassen.

Das Profil einer starken Marke
Wie sieht nun das Profil einer starken und damit empfehlenswerten Marke aus? Anhand der folgenden Übersicht lässt sich jede Marke auf den Prüfstand stellen. Entscheidend ist allerdings nicht, wie der Markeninhaber das sieht, sondern ganz allein, wie der Markt und dabei insbesondere der Verwender das empfindet.

:: Eine starke Marke ist einfach zu verstehen.
:: Sie ist glasklar positioniert und unverwechselbar.
:: Sie bietet einen rationalen Nutzen.
:: Sie hat einen hohen emotionalen Mehrwert.
:: Sie erbringt die angebotenen Leistungen in Top-Qualität.
:: Sie ist glaubwürdig und hält ihre Versprechen ein.
:: Sie ist eine sympathische Persönlichkeit mit Charisma.
:: Sie erzählt faszinierende Geschichten.
:: Sie ist kontinuierlich und lautstark präsent.
:: Sie aktualisiert sich und überrascht immer wieder.
:: Sie hat sich eine Community aufgebaut.

Der letzte Punkt ist für das Empfehlungsmarketing besonders wichtig. Wer sich als Mitglied einer Brand Community, also einer Markengemeinschaft fühlt, ist deutlich loyaler und empfiehlt die Marke häufiger weiter. Die Marke selbst interagiert dabei mit den Mitgliedern in der Offline- und⁄oder Online-Welt.

So hat Schwarzkopf eine Community für Friseure eingerichtet. Red Bull veranstaltet Flugtage am Wannsee in Berlin und anderswo. Die Community-Mitglieder treffen sich, zelebrieren Gemeinschaft und haben Spaß. Im Web chatten sie miteinander, als Gleichgesinnte geben sie sich Tipps und helfen einander. Oder sie treffen sich bei Computerspielen. Die Marke Mentos lädt beispielsweise ihre Anhänger ins Web zum Sheep-Volley mit Cyber-Schafen ein. So verknüpfen Marken ihre Verwender miteinander, sorgen für Identifikation und ein Wir-Gefühl. Sie schaffen damit eine hohe emotionale Verbundenheit und Weiterempfehlungsbereitschaft.

Die inzwischen über 100 Jahre alte Kultmarke Harley Davidson ist eines der besten Beispiele dafür. Sie vereint mehr als 800 000 Motorrad-Fans in ihren Harley Owner Groups (HOGs). Doch nicht nur die Global Player, jedes mittelständische Unternehmen kann für seine Kunden eine Community aufbauen. Verkäufer können Käufer-Communities organisieren und Plattformen schaffen, auf denen begeisterte Kunden miteinander kommunizieren und die Leistungen des Unternehmens loben.

Keine Frage der Größe
Eine Marke hat nicht unbedingt etwas mit Größe zu tun. Auch ein kleiner Einzelunternehmer und seine Produkte oder Dienstleistungen können in seinem lokalen Umfeld oder in seiner Marktnische eine Marke sein. Eine starke Marke bringt ihrem Besitzer eine ganze Reihe von Vorteilen:

:: Sie erleichtert die Neukunden-Akquise.
:: Sie schafft höhere Kunden-Treue.
:: Sie fördert die Mund-zu-Mund-Werbung.
:: Sie verkauft teurer als »No-names«.
:: Sie erleichtert die Mitarbeiter-Suche.
:: Sie ist von öffentlichem Interesse.
:: Sie öffnet den Kapitalmarkt.

Starke Marken empfehlen sich und verkaufen gut. Sie sind Türöffner. Sie verschaffen dem Besitzer Preis- und Wettbewerbsvorteile. Sie haben es in den Medien und im Internet, bei Banken und Investoren und auch auf dem Arbeitsmarkt im Kampf um die besten Talente leichter. Mitarbeiter schmücken sich gerne damit, bei einer klingenden Marke zu arbeiten. Im Universum des Verbrauchers werden also Marken in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Und immer mehr Marken werden mit immer besserem (Empfehlungs-)Marketing um seine Gunst buhlen.

Übrigens: Nicht nur Produkte, Dienstleistungen und Institutionen, sondern auch Persönlichkeiten machen sich zunehmend als Marken schön. Und das ist nicht neu. Viele Stars der Weltgeschichte haben sich selbst zu Marken aufgebaut. Denken wir nur einmal an Goethe. Branko Woischwill analysiert dies in »Goethe als Marke«1 sehr treffend.

So tat Goethe, was jeder bessere Star heute meint, tun zu müssen: Er schrieb eine Autobiographie und setzte sich damit ein Denkmal. Er sorgte ferner für die publikumswirksame Vermarktung seiner Werke, indem er eigene Produktionen ankündigte und Interpretationshilfen für seine Dichtkunst gab. Er machte sich unsterblich, indem er verfügte, dass der Faust II erst nach seinem Tod veröffentlicht werden sollte. Unerwünschte Kritik ließ er nicht zu. Als er einmal in einer Zeitung, die sein Verleger Cotta publizierte, schlecht dargestellt wurde, forderte Goethe ihn auf, dieses zu unterbinden. Cotta akzeptierte und sorgte dafür, dass in den von ihm herausgegebenen Publikationen nur noch das stand, was Goethes Zustimmung fand.

Schon damals waren Goethes Werke imageträchtiger Schmuck in den guten Stuben der besseren Gesellschaft. Sein eigenes Haus hatte Goethe effektvoll inszeniert und zu dem gemacht, was wir heute »Brandlands« nennen. Ferner verschenkte er zu Werbezwecken Gipsbüsten und Vasen, die sein Konterfei zeigten. Er betrieb intensives Networking vor allem in adeligen Kreisen. So konnte er sich im Laufe der Zeit mit zahlreichen Titeln und Orden schmücken. Und er brachte gezielt Testimonials ins Spiel, vor allem seinen Bewunderer Napoleon, der den Werther siebenmal gelesen hatte.

Ein (Brand-)Zeichen setzen
Früher wurden Produkte markiert, um mit einem Zeichen deutlich zu machen, wer der Hersteller oder Besitzer ist. Die so gekennzeichnete Sache drückte Zugehörigkeit aus. Und das funktioniert auch heute noch. So haben, heißt es, etwa fünf Prozent aller Harley-Davidson-Fahrer sich das Marken-Logo auf den Körper tätowieren lassen. Das ist »Branding« im wahrsten Sinne des Wortes! Gucci hat übrigens ein exklusives Brandeisen in einer streng limitierten Auflage herausgebracht, mit dem man beim Grillen seine Steaks verzieren kann.

Ein renommiertes Logo steigert den Wert einer Sache, und damit auch den Erzähl-Faktor. Produkte zu »branden«, das kann ein Bäcker genauso tun wie ein Maschinenbauer. Selbst Produkte, die – weil irgendwo eingebaut – nicht sichtbar sind, können sich bemerkbar machen. Intel hat das mit seiner »Intel inside«-Kampagne perfekt vorgemacht. Und der BlackBerry hat einen Teil seines Durchmarsches sicher der Tatsache zu verdanken, dass jede durch ihn versandte Mail »gebrandet« ist mit Sätzen wie: »BlackBerry von Vodafone macht Ihre E-Mails mobil.« So wird jede Mail zum kostenlosen Werbemittel.

Was wir heute Logo nennen, hat es zu allen Zeiten gegeben. Als Zunftzeichen zeigte es die Zugehörigkeit zu einem Berufsstand an. Als Orden dokumentierte es eine herausragende Stellung. Als Tattoo oder Gesichtsnarbe markierte es die Mitglieder einer Sippe und grenzte sie zu den »Wildfremden« anderer Gruppen ab – und das passiert etwa in Schwarzafrika und bei den südpazifischen Maori auch heute noch.

Die Wappen der Städte und Fürstentümer und auch die Fahnen der Heere waren Logos. Sie fungierten als Erkennungszeichen in Zeiten von Eroberungsfeldzügen und Kriegen. Nur früher? Dann gehen Sie mal in ein Fußballstadion und beobachten die »Jagd nach dem Kugeltier«. Da gibt es Schlachtgesänge, Stammestänze und Siegeszüge, alles unter dem Zeichen des Fanclubs – als Logo auf dem Schal.

Ein Unternehmen will mit einem Logo Gefolgschaft hinter sich scharen, sein Revier abgrenzen, seine Mitbewerber im Markt besiegen – und von sich reden machen. Logos sind also Zeichen der Wiedererkennung. Sie zeigen den Rang innerhalb einer Gemeinschaft. Die Logos an unseren Klamotten von heute – das sind die Orden von früher.

Mit einem angesagten Logo gehört man zum »richtigen«, also zum angesagten Stamm und kann sich von den weniger privilegierten »Aldi-Kindern« abheben. Und mit der Boss-Krawatte vom Fußvolk der einfachen Angestellten. Starke Logos sind auch ohne Namenszug zu erkennen – oder haben, wie der Swoosh von Nike und der Golden Arch von McDonalds, selbst einen Namen. Als ich all dies einmal bei einem Vortrag erläuterte, meldete sich ein stolzer Vater und erzählte von seiner knapp zweijährigen Tochter, die beim Stadtbummel mit den Worten: »Papa, Urlaub!« verzückt auf ein TUI-Logo zeigte. TUI als Synonym für Urlaub. So funktioniert eine starke Marke.

Wie man Marken stark und empfehlenswert macht
Marken entstehen nicht einfach so, Marken werden gemacht. Erfolgreiche Marken sind solche, zu denen der Verwender eine ganz besondere Beziehung hat, eine freundschaftliche sozusagen – und blindes Vertrauen. Die in diesem Sinne erfolgreichen Marken betrachtet der Verwender wie durch eine rosarote Brille, so wie ein Verliebter, der nur die guten Seiten sieht und über kleine Schwächen milde hinwegschaut. Die Amerikaner nennen solche Marken »Love Brands«. Sie haben ein besonders hohes Empfehlungspotential.

Marken müssen einfach zu verstehen sein, denn nur was wir verstehen, das kaufen und empfehlen wir auch. Marken haben Ecken und Kanten, sie polarisieren und sie emotionalisieren. Sie sind intolerant und restriktiv, also nicht für jeden richtig und gut – und nicht um jeden Preis zu haben. Eine starke Marke kennt die Wünsche, Träume und Bedürfnisse ihrer Zielgruppen und spricht deren Sprache. Und sie zeigt einen langen Atem. Hektische Neupositionierungen, wie etwa beim Smart geschehen, verwirren den Verbraucher. Denn dann kann er nicht lernen, wofür die Marke steht.

Wer seine Produkte zu empfehlenswerten Marken aufbauen will, benötigt nicht nur hohe fachliche Kompetenz, sondern auch einen ansprechenden »Look«, ein durchgängiges Erscheinungsbild mit unverwechselbaren Merkmalen. Zu einem solchen Corporate Design gehören (nicht zwingend):

:: ein Zeichen (Logo)
:: eine Bilderwelt
:: eine Farbwelt
:: ein Schriftbild
:: ein Werbe-Slogan (Claim)
:: eine eingängige Musik (Jingle)
:: ein Maskottchen
:: einheitliche Arbeitskleidung

Ein Slogan ist eine kurze, prägnante Zusammenfassung der zentralen Botschaft einer Marke. Er soll unverwechselbar, eingängig, leicht verständlich und kurz sein. Ein Slogan hilft, die Vorstellungsbilder im Kopf anzuregen. Er ist gut, wenn er den Kern der Marke auf den Punkt bringt, wie etwa: »Red Bull verleiht Flüüügel.«

Mitarbeiter auf Markenversprechen vorbereiten
Viele Marketer halten einen Slogan lediglich für den mehr oder weniger guten Einfall eines Kreativen. Was ihnen nicht wirklich bewusst ist: Ein Slogan muss nach innen und außen gelebt werden, damit er glaubwürdig ist. So wie es im Beispiel von O2 (»O2 can do«) sichtbar wurde. Und bei der Deutschen Bank (»Leistung aus Leidenschaft«) so gar nicht nachvollziehbar ist. Denn als Kunde will ich erleben, wie jeder einzelne Mitarbeiter die Versprechen, die die Werbung macht, voll und ganz einhält.

Edeka, die Nummer 3 im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel, hat beispielsweise mit der Imagekampagne »Wir lieben Lebensmittel« einen Weg beschritten, der sich wohltuend vom allgegenwärtigen Preisgeschrei absetzt. Entscheidend ist allerdings, wie dieser Slogan gelebt wird. Denn er ist ein Kundenversprechen. Wir Kunden wollen nun hochwertige, absolut frische, ästhetisch zur Schau gestellte Lebensmittel kaufen. Wir wollen erleben, wie die Ware gehätschelt und getätschelt wird, wenn die Mitarbeiter sie ins Regal räumen. Wir wollen die Wurst würdevoll geschnitten und den Käse nobel gehobelt sehen. Wir warten auf den liebevollen Griff der Kassiererin nach den Produkten auf dem Band. Agiert das Personal dagegen uninteressiert und abweisend wie immer und hängen zudem die »Wir lieben Lebensmittel« Schilder auch über den Damenstrümpfen im Non-Food-Bereich, dann ist klar: Die Mitarbeiter haben von alldem nichts verstanden. Weil sie eben offensichtlich nicht eingestimmt wurden. Das ist sehr enttäuschend.

Jedes (Werbe-)Versprechen ist eine unbezahlte Schuld. Leider produzieren Werbeagenturen allzu gerne recht vollmundige Werbeaussagen, ohne wirklich zu überlegen, wie sich diese im wahren Leben einlösen lassen. Die Erwartungshaltung der Kunden wird künstlich hochgeschraubt – und Enttäuschungen sind somit vorprogrammiert. Also: Lieber weniger versprechen und mehr erfüllen. Vor allem aber muss im Vorfeld einer Kampagne mit den Mitarbeitern gemeinsam erarbeitet werden, wie sie die aufkommenden Kundenerwartungen erfüllen können – und wollen. Dann klappt’s auch mit dem Empfehlungsmarketing.  

 

1 Woischwill, Branko: Goethe als Marke, in: Der Mensch als Marke. Konzepte – Beispiele – Experteninterviews, 2003
 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0702b/0702b.htm