Schon der Anfang bestimmt über den Erfolg eines Beratungsprojekts
Berater müssen die Motive ihrer Auftraggeber deutlich definieren. Der Grundstein erfolgreicher Beratung wird somit oft in der Anfangsphase gelegt. Dabei wird offenbar: Oft wird vom Berater mehr erwartet als nur Fachkompetenz. Nur allzu oft findet sich der Berater in der Rolle des Sinnstifters, Kapazitätspuffers oder Sündenbocks wieder.

Marc Biedermann

        


 
as Projekt ist vergeben, der Berater ist ausgewählt. Jetzt soll es endlich losgehen! Diese Gemütslage dominiert die meisten Projektstarts. Bei der klassischen Fachberatung ist dies in der Regel unproblematisch. Mit den Verdingungsunterlagen und dem Angebot stehen meist das genaue Vorgehen, die Arbeitsteilung und die Ziele fest. Bei Organisations- und Prozessberatungen steht das Vorgehen zwar auch – mehr oder weniger – fest. Doch oft sind die mit dem Projekt verfolgten Ziele nicht hinreichend präzisiert.

Da die Beratungsprojekte häufig durch zeitliche Dringlichkeiten und knappe Budgets gekennzeichnet sind, wird die Bedeutung der Anfangsphase meist unterschätzt. Genau hier liegt aber der Schlüssel für erfolgreiche Organisations- und Prozessberatung.

Schon der Anfang ist wichtig
Nach Abschluss eines Beratungsprojekts zeigt sich in vielen Fällen, dass bei einer gründlichen Abgleichung der Erwartungen das Projekt effizienter verlaufen wäre. Die Phase der Auftragsklärung und die dort ablaufenden Aushandlungs- und Definitionsprozesse haben eine entscheidende Bedeutung für den weiteren Verlauf. Die hier investierte Zeit rechnet sich immer.

Wichtige Instrumente zur Identifizierung der eigentlichen Beweggründe und Projektziele sind Einzelgespräche mit dem Projektteam auf Klientenseite und die Stakeholderanalyse, also die Untersuchung der Standpunkte aller vom Projekt betroffenen Beteiligten. In dieser Phase muss der Berater versuchen, latent vorhandene Motive zu erkennen, die jenseits des offiziellen Auftrags liegen können. Er muss die unterschiedlichen Interessen rund um das Beratungsprojekt erkennen und bewerten. Welche Akteure beziehungsweise Koalitionen tangiert das Projekt? Sind diese wichtig für das Projekt und wenn ja, in welchen Phasen? Stehen sie für oder gegen projektrelevante Aspekte oder sind sie sogar gegen das Projekt insgesamt? Zu guter Letzt gilt es, mit dem Auftraggeber seine individuellen Ziele abzustimmen.

Erst wenn diese Strukturen und Motivationslagen offen liegen, kann der Berater ein Projekt im Sinne des Auftraggebers bearbeiten.

Berater als neutraler Dritter
Eine vielleicht nicht im Vorfeld offen gelegte Funktion des externen Beraters kann darin liegen, unbequeme Entscheidungen zu legitimieren. Würde der Berater hier im Sinne eines Prozessberaters die grundlegenden Prämissen und Abläufe in Frage stellen und ergebnisoffen in die Beratung gehen, wäre der Dissens mit dem Auftraggeber vorprogrammiert. Weiß der Berater hingegen von seiner Funktion, würde er bei einem solchen Projekt die Rolle eines Gutachters einnehmen und die Annahmen und Schlussfolgerungen, die zu dem gewünschten Ergebnis führen sollen, validieren.

Darauf aufbauend würden entsprechende Verbesserungsvorschläge und Empfehlungen formuliert. Die Rolle des Beraters ist hier die des neutralen Dritten. Sie ermöglicht dem Auftraggeber, Entscheidungen in unterschiedlichen Gremien, etwa Aufsichtsrat, Gemeinderat oder auch innerhalb der Mitarbeiterschaft, herbeizuführen.

Eine andere Funktion kann sein, dass die Erfahrung und unbelastete Vorgeschichte des Beraters genutzt werden soll, um bereits geplante Veränderungen in der Organisation umzusetzen. Hier kommen kommunikative und motivierende Fähigkeiten der Berater zum Einsatz. Durch den externen Sachverstand, den der Berater repräsentiert, kann er leichter als Sinnstifter auftreten als ein Manager, der schnell für die problematische Situation der Organisation und die Notwendigkeit der Veränderung verantwortlich gemacht wird.

Entlastung durch den Berater
Des Weiteren kann sich der Auftraggeber durch das Einschalten von Beratern zumindest vorübergehend zusätzliche Kapazitäten verschaffen. Entscheidungsgremien, die zwar verantwortlich sind beziehungsweise Kontrollpflichten haben, jedoch nicht operativ tätig sein können, verfügen oft nicht über solche Kapazitäten. Der Auftraggeber ist dann zwar noch verantwortlich für die Auswahl des Beraters, nicht aber für die Resultate dessen Arbeit, zumindest nicht, wenn diese unbefriedigend ausfallen. Beratung kann also eine beruhigende und entlastende Wirkung auf die Auftraggeber ausüben.

Die Einleitung eines Beratungsprozesses stellt außerdem einen Einschnitt in den alltäglichen operativen Ablauf der Organisation dar. Der Fluss der Organisation wird quasi entschleunigt – nur so kann eine dauerhafte Veränderung vorbereitet und umgesetzt werden. Dieses Innehalten kann eine große Erleichterung bedeuten, besonders wenn der Alltag durch Probleme und Hektik gekennzeichnet ist. Es bietet sich die Gelegenheit, sich über die gegenwärtige Situation und zukünftige Strategien ausführlich zu verständigen, was unter normalen Bedingungen nur schwer möglich ist und nicht selten aus Zeitmangel vernachlässigt wird.

Umgang mit latenten Motiven
Die beschriebenen Situationen haben gezeigt, dass in einigen Fällen vom Berater mehr erwartet wird, als nur seine Prozess- und Fachkompetenz. Dann wird versucht, ihn als »Legitimierer« zu instrumentalisieren, sich von Verantwortung zu entlasten oder schlichtweg ein Innehalten zu ermöglichen.

Um trotzdem erfolgreich arbeiten zu können, muss es dem Beraterteam also gelingen, die Motive der Auftraggeber, vor allem solche, die nicht explizit formuliert werden, möglichst früh zu erkennen und in die Strategie mit einzubeziehen. Dabei muss er sich bewusst sein, wie der Beratungswunsch in der auftragsgebenden Organisation zustande gekommen ist und welche Interessen mit ihm verbunden sein können.

Nur wenn es möglich ist, die Erwartungen des Klienten mit den Ansprüchen der Berater in Einklang zu bringen, kann ein für beide Seiten zufriedenstellender und ergebnisorientierter Prozess in Gang gesetzt werden. Das Hauptinteresse des Beraters und letztendlich auch des Auftraggebers liegt darin, einen produktiven Arbeitszusammenhang herzustellen, der von realistischen Zielen geleitet wird.  

 

Dieser Artikel ist erstmals im trendletter 2⁄2007 der Prognos AG erschienen.
 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0801a/0801a.htm