Wie mangelndes Verständnis der Marktwirtschaft die Inflationskrise verstärkt
Die gegenwärtige Inflationskrise offenbart eine beängstigend weit verbreitete Unkenntnis der Marktwirtschaft. Hinzu kommt eine mangelnde Akzeptanz für deren Funktionsmechanismen. Besonders schwer wiegt die mangelnde Prinzipientreue nicht nur in vergangenen Schön-, sondern in aktuellen ökonomischen Schlechtwetterphasen. Dies hat zwei mit einander verflochtene Folgen: die Verschärfung der Krise und wachsende antikapitalistische Ressentiments.

Dr. Michael von Prollius

        


 
elbst »Old Media«-Institutionen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Neue Zürcher Zeitung, die zu der überschaubaren Zahl marktwirtschaftlicher Fürsprecher zähl(t)en, reden derzeit massiv dem Staat als Retter aus der Krise das Wort. Angeblich würden die Märkte den Staat herbeisehnen, der den Banker »geben müsse«; zugleich protestierten zehntausende US-Amerikaner bei ihren Abgeordneten gegen die als Rettungsplan bezeichnete Umverteilung. Permanent ist von Vertrauensverlust als Hindernis für eine Krisenbewältigung die Rede und von der leider alternativlosen Wahl staatlicher Rettung privater Finanzinstitute angesichts sonst unkalkulierbarer Folgen. Indes scheinen Vertrauensverlust und Verunsicherung vor allem auf die Orientierungslosigkeit der Klage führenden Berichterstatter hinzuweisen. Dies lässt sich an einer Reihe kaum hinterfragter Mythen und Trugschlüsse ablesen:

1. Die mangelnde Liquidität ist nicht Folge eines mangelnden Vertrauens der Banken untereinander. Vielmehr reagieren die Banken im Rahmen des staatlichen Mindestreservesystems konsequent auf die Hauptursache der Krise: die aufgeblähte Geldmenge. Da niemand wissen kann, wer schlechte Vermögenswerte in seinen Büchern hat, wäre eine Fortsetzung der (inflationären) Kreditvergabe für die Unternehmen existenzgefährdend. Zudem verhalten sich die Banken anreizkonform: die Regierung muss in Krisenzeiten systembedingt die Liquiditätsversorgung selbst übernehmen, um einen Bankenrun zu vermeiden. Anders als in diesem »geldpolitischen Staatmonopolkapitalismus« würden in einer etwa durch Gold gedeckten Währung diese Probleme nicht auftreten.

2. Rezessionen sind politisch inakzeptabel, obwohl sie unerlässliche Korrekturen marktwirtschaftlicher Fehlentwicklungen darstellen. Dies gilt umso mehr, als der vergangene künstliche Boom ein monetäres, geldpolitisches Phänomen war. In der aktuellen Rezession versuchen die Marktkräfte die notwendigen strukturellen Anpassungen von Kapital und Arbeit vorzunehmen. Insofern gilt: Der Boom war das Problem, die Rezession ist die Lösung. Leider bewirken die massiven Staatsinterventionen, dass ausgerechnet die nach marktwirtschaftlichen Kriterien gescheiterten Unternehmen sich weiter durchwursteln dürfen. Nach Bauern, Steinkohlekumpeln und vielen anderen mehr gehören nun auch Banker und Versicherer zu den politisch geschützten Subventionsempfängern. Dies sollte angesichts der Verflechtungen zwischen Politik und »Big Business« nicht überraschen.

3. Nicht die Marktwirtschaft, sondern der Staatsinterventionismus ist das labile, stetig Krisen erzeugende Konstrukt. Die derzeitige Inflationskrise hat die unübersehbaren Probleme staatlicher Geldproduktion offen gelegt. Das sozialpolitische Versagen, ungeachtet finanzieller Möglichkeiten jedermann zu einem Eigenheim verhelfen zu wollen, ist unübersehbar. Geld- und Fiskalpolitik sollten die Marktkräfte aushebeln und eine bessere Welt schaffen. Nun ist der Preis zu zahlen. Freunde weiterer staatlicher Interventionen zur Stabilisierung dessen, was die Regierung selbst destabiliert hat, müssen sich ein gerütteltes Maß Ignoranz vorwerfen lassen.

4. Der stetig beschworene Zusammenbruch der Finanzwirtschaft und anschließend der so genannten Realwirtschaft, falls nicht die starke Hand des Staates rettend eingreift, ist ein Mythos. So bedeutet die Zerschlagung einer Bank nicht, dass ihr gesamtes Kapital vom Markt verschwindet und gleichsam ein schwarzes Loch hinterlässt, in deren Strudel andere Finanzinstitute mitgerissen werden. Vielmehr finden die guten Teile neue Eigentümer und gelangen in die Händer erfolgreicherer Manager. Die schlechten Teile werden abgewickelt. Ein Teil des aufgeblähten, wertosen Geldes verbrennt. Im Fall von Lehman Brothers wurden Vermögenswerte von 639 Mrd. USD und über 26.000 Beschäftigte neu strukturiert. Der Markt erledigte diese Aufgabe gleichsam über Nacht – »It was poetry« kommentierte Frank Shostak.

5. Das Bild des Regenschirms, der die Finanzinstitute schützen soll, erweckt den Eindruck, die Regierung würde die Banken angesichts vom Himmel fallender Probleme nicht im Regen stehen lassen. Dieses Bild ist falsch. Die Geschäftsbanken fungieren als Transmissionsriemen des staatlichen Geldmonopols. Die Probleme liegen innerhalb, nicht außerhalb des Systems. Die Kreditklemme wird durch »Rettungspakete« und Regenschirme verlängert. Zugleich ist die alternativlose Marktbereinigung der faulen Kredite durch immer neue Kredite lediglich aufgeschoben. Das Staatshandeln lässt sich mit einem Alkohollieferanten vergleichen: Zuerst haben die Zentralbanken, allen voran die Fed, zu einer Wodka-Party eingeladen. Am nächsten Morgen kommt für die betrunkenen Finanzinstitute der Kater, der auf übermäßigen Alkoholkonsum unweigerlich folgende Abbauprozess. Nun zeigen die Regierungen mit dem Finger auf die ausnüchternden Finanzinstitute und bieten ihnen zur Regeneration gleich flaschenweise Wodka an.

6. Nominaler ist nicht realer Wohlstand. Geld kann keinen echten Wohlstand erzeugen. Wäre dies so, dann wären alle Menschen auf der Erde reich sobald die Notenbanken unaufhörlich Geld drucken würden. Echter Wohlstand setzt voraus, jemandem einen Nutzen zu stiften. Dies erfordert echte Werte schaffende Aktivitäten, nicht Aktienkurse treibende Papiergeldillusionen. Sparen ist die Voraussetzung für Kapitalbildung, Kapital die Voraussetzung für Investitionen. Investitionen schaffen Wohlstand, Konsum ist lediglich eine Begleiterscheinung. Die aktuellen Rettungspakete werden die Wirtschaft nicht retten, aber wirtschaftliche Aktivitäten, die sich die Gesellschaft nicht leisten kann und die Konsumenten und Kapitaleigner nicht wünschen. Eine neue Vermögenspreisblase und Inflation sind unweigerliche Folgen dieser Politik.

7. Mit Gier die Inflationskrise erklären zu wollen, gleicht dem Versuch, den Sturz eines von einem Hochhaus gestoßenen Menschen mit der Schwerkraft zu erklären. Gier dient in der politisierten Debatte als moralisierender Begriff für (überzogenes) Gewinnstreben. Gewinnstreben ist aber nicht nur eine natürliche Eigenschaft des Menschen, sondern die Voraussetzung für Tauschgeschäfte, die stets der Verbesserung beider Tauschpartner dienen. Diesem Prozess haben wir die Bezeichnung Markt gegeben. Gewinne entstehen, wenn wir anderen Menchen Nutzen stiften und richtig kalkuliert haben. Nicht Gier, sondern die sie kanalisierenden (staatlichen) Anreize und Regeln sind das Problem. In den USA gehören an erster Stelle dazu die staatliche Manipulation von Geld und Krediten, das Hypothekenduopol der Staatstrusts Fannie Mae und Freddie Mac, exzessive Verschuldung begünstigender Steuergesetze und Regierungsdruck auf Banken zu Vergabe schlechter Kredite.

Ungeachtet der hier offen gelegten Trugschlüsse läuft das politisch-mediale Geschäft mit der Angst glänzend. Wie bereits in der Weltwirtschaftskrise wird als Ursache das Versagen des Kapitalismus präsentiert. Politik und Medien leisten hier arbeitsteilig vorbildliche Arbeit. Indes müssen sie sich fragen lassen, wie man ein derartig labiles System guten Gewissens aufrecht erhalten kann. Wie kann es sein, dass eine derartige Asymmetrie zwischen vermeintlich destabilisierender Wirtschaft und angeblich stabilisierender Politik besteht? Wer argumentiert, Politiker seien allwissend und handelten Gemeinwohl fördernd, muss dies auch den Marktakteuren unterstellen.

Erneut beherrscht ein furchtbarer Gedanke Politmanger und Mainstreammedien: Wirtschaft und Gesellschaft seien eine Sozialmaschine, die man steuern könne, um bestimmte Ziele und dauerhaft schönes Wetter zu erreichen. Sollte aus dieser Geisteshaltung weiterreichende Gestaltungsmacht folgen, werden wir bereits in absehbarer Zeit richtig schlechtes Wetter erleben.

Wir brauchen keine weitere Politisierung der überkommenen Regeln und Institutionen zugunsten von Sonderinteressen, sondern die Herrschaft des Rechts allgemeingültiger Regeln. »Weniger Staat, mehr Markt« lautet die unpopuläre Parole. Für die Selbstreinigung der Märkte von den staatlichen Verunreinigungen ist mehr Freiheit wagen unerlässlich.  

 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0811a/0811a.htm