Über den Sinn einer Krise: Zeit der Chance auf Neuorientierung
Die Meldungen reißen nicht ab, eine schlechte Nachricht jagt die nächste: Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Nah-Ost-Krise, politische Krise durch den Akzeptanzverlust des ökonomischen Systems... Jede Medaille hat zwei Seiten: Damit nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen, die die derzeitige Situation bietet, gesehen werden können, ist ein Umdenken nötig. Anders gesagt: »Dreh nicht nur die Münze, um die andere Seite zu sehen, sondern dich selbst auch.« Denn nur dann ist ein neuer Blick auf »alte Dinge« und damit Veränderung möglich. Und Veränderung ist dringend nötig!

Cay von Fournier und Stephan Hoffmann

        


 
ie Angst geht um. Und Angst ist ein schlechter Ratgeber. Viele Medien verstärken die Krise durch ihre Berichterstattung, in der der Krise manchmal sogar der Beigeschmack einer Katastrophe anhaftet. Wenn alle von der Krise reden, dann wird sie auch kommen und⁄oder sich verstärken. Welche Risiken die Krise birgt, bekommen die Menschen tagtäglich vermittelt. Und alle malen sich gemeinsam in den düstersten Farben den Untergang aus, stellen sich ständig vor, was noch so alles passieren wird... Aber wie sieht die andere Seite der Medaille aus, was ist heilsam an einer Krise?

Mehr Segen als Fluch?
Gute Unternehmen, und das hat die Vergangenheit immer wieder bewiesen, haben auch und gerade in Krisenzeiten viele Möglichkeiten, besser zu werden. Sie können Veränderungen bewirken, Innovationen umsetzen, Unternehmensstrukturen ändern und neue Strategien für die Zukunft entwickeln. Zeiten des Wandels auf den Märkten sind auch Zeiten der Veränderung von Unternehmen. Dabei spielt die Kompetenz, Menschen zu führen und ihnen Optimismus zu vermitteln, eine zentrale Rolle. Verständlicherweise haben Menschen zunächst Angst und müssen mitgenommen werden auf den Weg der Erneuerung. Sie dabei zu großen Leistungen anzuspornen und – auch wenn die Umstände widrig sind – sie nachhaltig zu motivieren, wird die Königsdisziplin 2009 sein: Wirksame Führung!

Warum sind wir davon überzeugt, dass die derzeitige Krise mehr Segen und Chance ist, als Fluch und Risiko? Die Antwort ist einfach. Krisen bewirken Veränderung, und nichts ist derzeit wichtiger als Veränderung und Erneuerung. Zwei Wege führen dabei zu einem veränderten Unternehmen oder auch zu einer veränderten Gesellschaft. Der eine Weg ist angenehm, der andere eher schmerzhaft – beide sind verbunden mit Konsequenz, Disziplin und Fleiß. Den einen nennen wir Vision (Die Lust, etwas Neues zu gestalten) und den anderen Krise (Die Last, etwas Altes aufgeben zu müssen). Es sind immer diese beiden Kräfte, in deren Wechselspiel wir uns befinden.

Das aktive Finden sinngebender Ziele, Werte und Visionen wird oft als »nette Empfehlung« verstanden, die nicht konsequent verfolgt wird. Somit kommt es zu keiner aktiven, sondern einer passiven Veränderung. Wenn wir nicht verändern, werden wir verändert werden. Das gilt für ein Unternehmen genauso wie für unsere Gesellschaft insgesamt. Nun stehen wir mitten in dieser Phase des Umbruchs. Es wird kein einfaches und bequemes, eher ein hartes und ziemlich anstrengendes Jahr werden. Aber wer behauptet, dass große Erfolge einfach seien, kennt diese Annahme nur aus Büchern.

Weckruf zur Weiterentwicklung
Die Zukunft birgt große Chancen für diejenigen, die es gewohnt sind, für Erfolge zu kämpfen und ihre eigene Konjunktur zu machen, auch wenn das Umfeld eher widrig ist. Ein Beispiel aus dem Sport und der Medizin macht dies deutlich: Ein gesunder Muskel wird nur durch Widerstand und tägliches Training stark. Auch ein Drachen steigt nur gegen den Wind und nicht mit dem Wind. Viele erfolgreiche Unternehmen haben die Grundlage für Innovationen und Erfolge gerade in schwierigen Zeiten gelegt. Dabei muss jedem bewusst sein, dass kein Erfolg ewig währt, er muss immer wieder neu erarbeitet werden. Daher sind gerade schwierige Zeiten gut für gute Unternehmer und Unternehmen.

»Die entscheidenden Probleme, denen wir uns gegenübersehen, lassen sich nicht auf der Ebene des Denkens lösen, auf der wir sie geschaffen haben.« Dieses Zitat von Albert Einstein ist ein Weckruf zur Weiterentwicklung (vielleicht dem eigentlichen Sinn unseres Lebens), denn nur durch ein neues Denken lassen sich alte Probleme lösen! Niemand muss einen Antrag beim Bundesministerium für gedankliche Freiheit stellen, wenn er sich mitsamt der Medaille dreht, um zu neuen Einsichten zu gelangen. Für Unternehmen ist es heute keine Frage mehr, ob sie sich verändern müssen, die einzige Frage ist, ob sie schnell genug sein werden.

Die Spielregeln der Krise
Die Schieflage, mit der wir derzeit zu kämpfen haben, hat wieder einmal eine bekannte Ursache: Menschen lebten über ihre Verhältnisse und logen sich und anderen in die Tasche. Die meisten wussten vielleicht sogar auch, dass dies nicht gut gehen kann, nur dachten sie, dass die Folgen sie selbst nicht betreffen werden. Das System der wundersamen Geldvermehrung in den USA war bekannt. Bisher endeten alle Finanzkrisen in Wirtschaftskrisen. Die Nichtbeachtung von Werten (Tugenden) führte zur Krise.

Eine defizitäre Volkswirtschaft, die mehr Werte konsumiert als sie erschafft, bediente sich eines Tricks. Das Geld wurde billig unter die Menschen gebracht, die Immobilienpreise stiegen und für den so entstehenden »Mehrwert« wurden weitere Kredite angeboten und genutzt. Die Risiken wurden grob fahrlässig und undurchsichtig verpackt. Mit dem Versprechen einer hohen Rendite wurden diese Pakete in die Welt verkauft. Tausende gut ausgebildeter Menschen machten das Spiel mit und die wenigen Mahner und Kritiker wurden als altmodisch abgekanzelt. So entsteht eine Blase, die irgendwann platzen musste.

Die Gründe der Spielregeln
Doch die Frage, die sich stellt, ist: Welche Motive führen zu solchem Verhalten? Maßlosigkeit und Gier – zwei der sieben Todsünden – spielen dabei eine entscheidende Rolle. Menschen lebten über ihre Verhältnisse, finanziert mit Krediten und Schulden. Jetzt aber mit dem Finger nur auf die USA zu zeigen, wäre zu einfach und selbstgefällig. Die Ursache liegt zu einem erheblichen Teil im generellen Verlust grundlegender Werte – und das ist längst nicht nur auf eine Nation beschränkt.

Selbstkritisch muss so mancher Banker zugeben, dass er die faulen Papiere freiwillig und gerne gekauft hat und die heute jammernden Bankkunden großen Wert auf eine möglichst hohe Rendite gelegt haben. Und begehen wir nicht die gleichen Fehler, indem es uns selbst in guten Zeiten nicht gelungen ist, ohne neue Schulden unseren Wohlstand zu verteidigen. Und ist es nicht das Gleiche, wenn wir im Namen der sozialen Gerechtigkeit eine Gesellschaft so überschulden, dass kaum noch Spielräume für wichtige Investitionen bleiben?

Voraussetzungen für Wohlstand
Letztlich sind die Voraussetzungen für den Wohlstand einer Gesellschaft schnell erklärt.
:: Kreative Menschen sind verantwortlich für Innovationen. Die Grundlage dafür ist Freiheit, Wissen und Bildung.
:: Engagierte Menschen machen aus diesen Innovationen Produkte und Dienstleistungen. Die Grundlagen dafür sind gutes Unternehmertum und freier Wettbewerb.
:: Diese unternehmerische Leistung führt zu Gewinn und Wohlstand. Grundlage ist eine freie geregelte Marktwirtschaft und ein faires Steuersystem.
:: Das so erwirtschaftete Kapital wird in neue Innovationen und Unternehmen reinvestiert. Der Staat nutzt seine Einnahmen und gewährleistet Sicherheit, Infrastruktur, Chancengleichheit, Bildung und Forschung.

Konsequent falsche Spielregeln ändern
Wenn das Geld nicht mehr in Innovationen und Unternehmen investiert wird, wird ein System instabil. Wenn der Staat seine Macht zur Umverteilung missbraucht, wird er krank. Die Krankheit nennen wir Krise. Sie ist offensichtlich die Voraussetzung dafür, dass wir uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren: auf solide Werte und nachhaltiges Wachstum.

Was passiert, wenn wir die Vorteile der Krise nicht sehen und die Chancen nicht nutzen? Dann wird ein krankes System nicht gesund, sondern noch kränker. Die Abwärtsspirale wird steiler. Die Gefahr, dass radikale Lösungen zur Anwendung kommen, nimmt zu. Dies würde jedoch nichts an den Fakten ändern, sondern nur an deren Auswirkungen, die dann ebenso radikal sein werden. Der Auftrag an uns Menschen ist stets der gleiche: Aus der Vergangenheit lernen, um eine bessere Zukunft zu schaffen. Aber die Geschichte hat sehr viele Lehrer und nur wenige Schüler. Es bleibt die Hoffnung, dass die Vernunft und die Kardinaltugenden über die Todsünden siegen werden.  

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0904a/0904a.htm