Akquisitionserfolg durch passendes Fusions-Design
Eine Fusion ist in erster Linie eine Kopf- und keine Bauchentscheidung: Die Controllingabteilung hat das Sagen, obwohl es um viele Menschen geht. Doch sind knallharte Zahlen tatsächlich solch ein krasser Widerspruch zu »kulturellen« Aspekten, wenn es um die erfolgreiche Fusion bzw. Integration zweier Firmen geht? Nein, denn wer die Menschen nicht in das neu zu definierende Unternehmen mitnimmt, verliert den Mehrwert, den die Fusion eigentlich einbringen sollte. Und wer die Kulturen beider Firmen erst analysiert, wenn der Zusammenschluss bereits beschlossene Sache ist, auf den warten höchstwahrscheinlich viele Überraschungen.

Jürgen Ress

        


 
ie strategischen Überlegungen für Unternehmenskäufe sind vielfältiger Natur und haben trotzdem stets eines gemeinsam: die Überzeugung beim Käufer, dass die Übernahme erfolgreich gestaltbar sein wird und die Investition einen positiven Beitrag zum Unternehmenswert leistet. Doch die Realität spricht eine andere Sprache – zeigen doch Studien zur Erfolgsmessung von Fusionen, dass nur jeder zweite Unternehmenszusammenschluss die gewünschten Erfolge bringt.

Kann das eine akzeptable Lösung für die Zukunft sein? Viel Energie, Engagement und finanzielle Ressourcen in die Planung und Durchführung einer Akquisition stecken – bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von nur 50 Prozent? Unsere Erfahrung zeigt: Die geringe Erfolgsquote von Fusionen ist nicht verwunderlich. In der Begleitung von Post Merger Integrationsprozessen sehen wir, dass das Scheitern meist vorprogrammiert ist. Denn der Grundstein dazu wird letztendlich bereits in einer sehr frühen Phase der strategischen Ausrichtung des Akquisitionsprozesses gelegt. Doch natürlich hängt der Integrationsumfang auch von den tatsächlichen strategischen Zielen des Mergers zusammen. Je nach gewünschter Integrationstiefe sind die notwendigen Veränderungsprozesse unterschiedlich. In der folgenden Darstellung gehen wir von einer geplanten Wachstumsstrategie aus, die eine tatsächliche Transformation beider Unternehmen notwendig macht. Wieso also scheitern nun so viele Integrationsprozesse?

Konsequenzen denken – jede Option abwägen
Am Anfang steht die Entscheidung des Top Managements, eine Akquisitionsstrategie zu verfolgen. Somit scheint eine Übernahme für die Unternehmensleitung unter vielen Wahlmöglichkeiten die beste Möglichkeit, um bestimmte strategische Zielsetzungen zu erreichen. Die Frage ist jedoch: Welche Informationen finden bei dem Prozess der Entscheidungsfindung für eine Akquisitionsstrategie Berücksichtigung und welche werden bewusst oder unbewusst ausgeblendet?

Wie selbstverständlich fließen beispielsweise Marktstudien und Kennzahlen aus dem Controlling in die Entscheidung mit ein. Potentielle Kandidaten werden frühzeitig von Analysten unter die Lupe genommen, um deren Attraktivität zu prüfen. Unseres Erachtens fehlen in dieser ersten Phasen verschiedene entscheidende Überlegungen beim »Käufersystem«. Dazu zählen zum Beispiel die Ergebnisse einer qualitativen Kulturanalyse, einer Konsequenzenanalyse sowie einer Metakompetenzanalyse. Dieser scheinbare Planungs-Luxus führt dazu, dass Entwicklungen in Hinblick auf ihre langfristigen Veränderungen tatsächlich durchdacht werden. Zum Beispiel: Gibt es eine klare Vorstellung darüber, wie das Zusammenführen von Unternehmenskulturen gelingen kann und welche Kompetenzen in den jeweiligen Organisationen dazu notwendig sind? Existieren ganz konkret Pläne für den Transformationsprozess nach Abschluss der Transaktion? Erst wenn eine Klarheit darüber besteht, wie mit der hohen zusätzlichen Komplexität, die aus einer Fusion heraus entsteht, umgegangen werden soll, kann eine gute Entscheidung Pro oder Contra Akquisitionsstrategie getroffen werden.

Kontinuierlicher Blick auf die Prozessveränderungen
Weitläufig herrscht die Meinung, dass eine Fusion zweier Unternehmen dann eine besonders hohe Erfolgswahrscheinlichkeit besitzt, wenn die Unternehmenskulturen aufgrund von hoher Ähnlichkeit »besonders gut zueinander passen«. Die Ähnlichkeit wird zum Beispiel daran festgemacht, wie die beiden Unternehmen ihren Wertschöpfungsprozess gestalten, an ihrer Branchenzugehörigkeit oder wie sie am Markt agieren. Diese Annahme, dass damit ein erfolgreicher Fusionsprozess gesichert wird, ist jedoch wissenschaftlich nicht belegbar. Allerdings kommt es sehr wohl darauf an zu prüfen, wie der »Cultural Fit« beider Organisationen in Relation zur strategischen Zielsetzung und zum Transformationsprozess ist! Das heißt, inwiefern beide Unternehmenskulturen in der Lage sind, die mit dem Merger verbundenen strategischen Zielsetzungen zu lösen. Und es ist zu evaluieren, welche Strategien beide Organisationen anwenden, Komplexität zu bewältigen. Letztendlich braucht es eine detaillierte Analyse im Rahmen einer Cultural Due Diligence, die klare Aussagen über die in den beiden Unternehmen anzutreffenden Metakompetenzen im Umgang mit »fremden Kulturen« und mit »Veränderung« trifft.

Jede Integration ist ein Prozess für bzw. in zwei Unternehmen, deren Identität sich über die eigene, historisch gewachsene Unternehmenskultur manifestiert und bis weit über den Zusammenschluss hinaus erstreckt. Fusionen sind dann erfolgreich, wenn es durch den Transformationsprozess gelingt, eine neue gemeinsame Identität zu schaffen, ohne dabei die Wurzeln zur Vergangenheit abzuschneiden.

Mittendrin – strategisch fokussieren und situativ flexibel handeln
Die Erfahrung zeigt, dass Fusionsprozesse eher einem Marathon gleichen, als einem 400 Meter Lauf. Gerade deshalb ist es bereits in einer Frühphase essentiell, im Rahmen der Cultural Due Diligence die kulturelle Fitness der beteiligten Organisationen auf den Prüfstand zu stellen. Das Wissen darüber, welche Kompetenzen zur Bewältigung von Veränderung vorhanden sind sowie notwendig werden, gibt jetzt die wichtigen Hinweise auf die Risikobeurteilung im Laufe der Transformation. Entscheidend ist eine flexible Interventionschoreographie, die auch eine schnelle Anpassung an plötzlich auftretende Veränderungen ermöglicht. So gelingt die Fusion und wird selbst zum identitätsstiftenden Element.

Und um bei einem »sportlichen Bild« zu bleiben: Die operative Steuerung von Unternehmenszusammenschlüssen ist vergleichbar mit einem Radwechsel bei voller Fahrt. Neben den Herausforderungen aus dem Tagesgeschäft werden vor allem in der Transformationsphase zusätzliche Ressourcen und Kompetenzen zur Bewältigung der Fusion benötigt.

Abschließend lässt sich feststellen, dass der Transformationsprozess bereits vor der Kontaktaufnahme zu potentiellen Target-Unternehmen beginnt. Und das komplette Konzept, wie beide Parteien die Transaktionsphase gestalten, hat signifikante Auswirkungen darauf, wie das spätere Zusammenwachsen gelingen wird. Auf die richtige Choreographie kommt es an!  

 

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0905c/0905c.htm