Trugbild Wirtschaft oder:
Das Marketing braucht Corporate Brands
Auch wenn sich die Wirtschaftsdaten wieder verbessern, so wird es für Bürger und Unternehmen keine Rückkehr in den »Status quo ante« geben: Eine psychologische Langzeitstudie zeigt, dass zwei Jahre nach Beginn der Krise die Welt der Wirtschaft den Deutschen zunehmend als virtuelles Trugbild erscheint, in dem belastbare Realität, Fiktion und Lüge kaum noch auseinander zu halten sind. Der eskalierte Entfremdungsprozess wird langfristige Folgen haben – sowohl für die »Licence to operate«, als auch für das Verbraucherverhalten.

Thomas Strätling und Ralf Weinen

        


 
ie Finanz- und Wirtschaftskrise hat Gewohntes durcheinander gewürfelt. Das Lamentieren über »die Krise« ist allgegenwärtig. Es wird Zeit wieder nach vorne zu blicken: Eröffnet die Krise möglicherweise auch neue Möglichkeiten? Unternehmen, die sich rechtzeitig auf die neuen Anforderungen einstellen, bietet sich die Chance sich im Wettbewerb wirksam zu positionieren.

Für die Deutschen ist die Krise noch lange nicht zu Ende
»Ich hätte einen solchen Zusammenbruch der Wirtschaft und die völlige Naivität der Politik noch vor einem Jahr nicht für möglich gehalten. Da fragt man sich schon, ob die wirklich keine Ahnung oder aber gelogen haben. Beides ist ganz schlimm.«

Kein Zweifel, nicht nur die Vertreter der Wirtschaft, sondern fast alle öffentlichen Akteure, Wissenschafter, Politiker, Journalisten, Verbände und andere Interessensgruppen haben in der inzwischen zweijährigen Finanz- und Wirtschaftskrise dramatisch an Reputation verloren.1 Reputation ist immer das Ergebnis von Erfahrung: Das Schlüsselerlebnis der Krise war für die Deutschen jedoch nicht das individuelle Versagen einzelner Akteure oder die oft zitierte »Gier der Banker«, sondern der vollständige und anhaltende Kontrollverlust, das hilflose Lavieren aller Akteure – und die furchteinflößenden, globalen Auswirkungen. Es stellt sich immer mehr Bürgern die Frage: Gilt die Bezeichnung »Monster«, mit der Bundespräsident Horst Köhler eigentlich nur den Finanzmarkt meinte, vielleicht doch auch für das globale Wirtschaftssystem? Ganz egal, wie die Krise weiter verlaufen wird: Auf jeden Fall wird diese bisher in der Nachkriegszeit einmalige, erschreckende Erfahrung dauerhaft nachwirken und das Verhältnis der Deutschen zur Wirtschaft auch nach der Krise beeinflussen: Die »Licence to operate« wird vor diesem Hintergrund – jedenfalls in Teilen – zwischen Wirtschaft und Gesellschaft neu ausgehandelt werden müssen.

Wie kann jedoch das offensichtlich verlorene Vertrauen zurückgewonnen werden? Die Antworten vieler Experten drücken oft eher eine schematische Ratlosigkeit aus: Gesellschaftliche Verantwortung, ganzheitliche Strategien, Dialog mit den Stakeholdern – irgendwie alles richtig, aber die wichtigen Fragen bleiben dabei in der Regel ungeklärt: Wie erleben die Menschen die Krise? Gab es eine »schleichende Krisenerwartung«? Was sind aus Sicht der Bürger die Treiber der Entwicklung? Welche Hoffungen und Befürchtungen verbinden sie mit dem bisherigen Krisenverlauf – und den Versuchen die Krise zu bewältigen? Erst die valide Klärung dieser Fragen schafft die Voraussetzung für die Entwicklung wirksamer Strategien.

Momentaufnahme im August 09: Die Deutschen in der Krise
»Die gleichen Experten und Politiker, die die Krise nicht haben kommen sehen, rufen jetzt ihr Ende aus. Das fällt mir äußerst schwer, denen noch zu glauben.«

Aktuell erleben die Deutschen ihren Alltag als das bange Ende einer lähmenden Zwischenzeit: Obwohl sich die Krisennachrichten seit mehr als einem Jahr überschlagen, werden erst jetzt die Auswirkungen im privaten Lebensumfeld spürbar. Trotz aktuell verbesserter Wirtschaftsdaten nimmt das Gefühl der persönlichen Bedrohung zu und das Schlimmste scheint noch nicht überwunden. Dem vorsichtigen Optimismus der Wirtschaftsexperten begegnen die Bürger mit unverhohlener Skepsis. Und so halten sie sich weiter an ihre gewohnten Routinen und versuchen möglichst unbeirrt ihren Alltag fortzusetzen, so lange es eben geht. Durch dieses Verhalten stabilisieren sie sich selbst, denn Entsetzen und Ratlosigkeit darf nicht zur eigenen, ohnmächtigen Handlungsunfähigkeit führen. Doch die Sorge wächst, dass diese Strategie zukünftig nicht mehr so einfach fortgesetzt werden kann.

Die unterschwellige Wahrnehmung der Krise, das zeigen die Interviews eindeutig, hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verändert. Wurde sie im September 2008 häufig noch als behebbare Störung einer an sich stabilen Wirtschaftsordnung angesehen, so erleben die Menschen sie heute als drohenden Kollaps eines unergründlichen gesamtwirtschaftlichen Systems, der nicht mehr auf das Versagen einzelner Akteure zurückgeführt werden kann. Das Weltbild der Bürger ist nachhaltig erschüttert und die in den vergangenen Monaten oft gescholtenen Banker und Finanzjongleure erscheinen nur mehr als hilflose Zauberlehrlinge, die den Geist aus der Flasche ließen, die Krise aber nicht allein verursacht haben können.

Veränderungen im »Bild der Wirtschaft«
»Das kann doch alles nicht sein: Vor mehr als 30 Jahren kam der Club of Rome mit den ›Grenzen des Wachstums‹ heraus und seither hat sich da gar nichts verändert, sondern das Tempo hat noch zugelegt. Da haben wir wohl alle die Augen zugemacht.«

Aus Sicht der Menschen gilt die Krise nicht mehr als temporäres Ereignis, sondern zunehmend als unvermeidliche Folge lang anhaltender Fehlentwicklungen. Durch einen Blick zurück suchen die Bürger nach tieferen Ursachen. In den psychologischen Tiefeninterviews wurde deutlich, dass das »Bild der Wirtschaft« im Verlauf der letzten Jahrzehnte gravierende Metamorphosen durchlaufen hat, die für das Entstehen eines Trugbildes der Wirtschaft entscheidend sind. Diese Entwicklung lässt sich in drei Phasen einteilen.

1. Block-Zeit: Feste Verhältnisse und die Spaltung zwischen Produkten und Produzenten (bis 1989)

Vor dem Mauerfall 1989 bestimmte das Grundmotiv der »Spaltung« den Alltag. Ost und West, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Erste und Dritte Welt: Abgrenzbare Blöcke machten den Alltag übersichtlich und handhabbar. Das Verhältnis von Bürgern, Politik und Wirtschaft war durch einen stabilen aber starren Rahmen gesetzlicher Vereinbarungen bestimmt. Mitbestimmung, Tarifverträge und Arbeitsgesetzgebung vermittelten das Gefühl persönlicher Beteiligung, von Sicherheit und Stabilität.

Im Rahmen der entwickelten Konsumgesellschaft erstreckte sich das Motiv der Spaltung dann zunehmend auch auf das Verhältnis von Produkt und Produzent. Für den Verbraucher wurde es gleichgültig, welches Unternehmen hinter welchem Produkt steht. Von dieser Entwicklung profitierten Unternehmen wie Konsumenten: Sie ermöglichte einerseits hedonistischen Konsum-Überfluss und andererseits größere unternehmerische Freiheiten. Geschäftsfelder und Portfolios konnten ausgeweitet werden, ohne Irritationen bei Verbrauchern auszulösen.

2. Wende-Zeit: Ökonomischer Darwinismus und gewissenloser Konsum (1989 – 2008)

Der Mauerfall 1989 markiert im Bewusstsein der Deutschen den Urknall einer grenzenlosen wirtschaftlichen Expansion. Die gesellschaftliche Euphorie nach der Wende kippte aber bald in eine Art »schleichenden Katzenjammer«. Durch die fortschreitende Globalisierung entstand der Eindruck, dass viele Unternehmen gesellschaftlich bindungslos, unkontrolliert und undurchschaubar in einem isolierten Kosmos einzig ihre egoistischen Interessen vertraten – weltweit und an wechselnden Standorten. Vor allem große Unternehmen erschienen als einzige Profiteure der neuen Freiheiten übrig geblieben zu sein. Mit verstärkter Prägnanz begann – nicht zuletzt durch die zunehmende Erosion des festen Rahmens gesetzlicher Vereinbarungen – ein Entfremdungsprozess zwischen Wirtschaft und Gesellschaft.

Es verfestigte sich die Einstellung, dass diese neue Ordnung einer »globalen Gier« als »naturhafter Ökonomismus« alternativlos sei. Mit einer Mischung aus Fatalismus und Pragmatismus passten sich die Bürger diesem System durch die Schaffung ökologischer Nischen an, suchten Schutz vor globalen Heuschrecken-Stürmen und verteidigten ihre Konsumfreiheit militant nach dem Motto: »Gegen die raue Natur kann man nichts machen, da muss man nehmen, was man kriegen kann.« Diese Entwicklung führte zu einem gesellschaftlichen Stillhalteabkommen: Wachsende Abhängigkeit und der Verlust an persönlicher und politischer Autonomie wurde durch eine Steigerung des Konsums ausgeglichen: »Die Wirtschaft« erschien zwar als kein liebenswertes, aber doch festes und dauerhaftes Konstrukt.

3. Krisen-Zeit: Wirtschaft als Trugbild (seit 2008)

Seit der Pleite der Lehman-Bank sind an die Stelle des stabilen Glaubenssystems eines »naturhaften Ökonomismus« plötzlich mächtige Zweifel getreten und der schleichende Entfremdungsprozess zwischen Wirtschaft und Gesellschaft ist eskaliert. Die zunächst virtuelle Finanzkrise zeigte im Verlauf weniger Monate, wie unsicher und zerbrechlich unsere Lebensgrundlagen tatsächlich sind. Durch die unfassbaren und globalen Auswirkungen und die offensichtliche Ratlosigkeit der Eliten kollabierte die Gewissheit von Wirtschaft als einer »natürlichen Ordnung«.

Aus der Finanzkrise wurde so eine »Krise der Virtualität«: Wirtschaft wird zum Trugbild, bei dem belastbare Realitäten, Ideologien, Täuschungen und Wunschdenken kaum mehr auseinander gehalten werden können. Unternehmen wirken dabei oft wie Unterlasser, die es verpasst haben, Lösungen für die wirklich wichtigen Fragen zu finden – sei es im Einzelhandel (z.B. Karstadt) oder im Klimaschutz (z.B. Automobilindustrie). Auch die massiven staatlichen Eingriffe schaffen aus Sicht der Befragten (noch) keine neuen Werte und kein neues Vertrauen, sondern wirken eher wie neue, unfassbare Interventionsblasen.

Die Folge: Abwendung vom öffentlichen Krisen-Diskurs
»Alle reden und keiner weiß wirklich, was richtig und falsch ist. Ich kann das Ganze einfach nicht mehr hören.«

Auf diese aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände regieren die Menschen mit einer verstärkten Abwendung von den politischen Akteuren und einem chaotischen öffentlichen Diskurs, der die eigene Ratlosigkeit und Unsicherheit eher verstärkt als vermindert. Die ganze mediale Aufregung erscheint ihnen zudem zunehmend fruchtlos, weil keine plausiblen Perspektiven und kaum konkrete, strukturelle Handlungsoptionen entwickelt werden. In dieser zunehmend als Belastung empfundenen Situation verlagern die Bürger ihr Tun entschlossen in den Bereich der eigenen sozialen Netzwerke, in denen sie Autonomie, Sicherheit und Stabilität finden – und Möglichkeiten, private Strategien der Krisenprävention zu realisieren.

Die Alternative: Autonomie in einer neuen »Privat-Wirtschaft«
»Die ewige Jammerei und Sensationslust lähmt die Menschen. Das lenkt nur davon ab, die Probleme zu lösen.«

Ihre Energie stecken sie dabei vor allem in die Entwicklung einer privaten Schatten- und Netzwerkwirtschaft. Deren Facetten, das zeigen die Interviews, sind unüberschaubar. Sie reichen von freiberuflichen Überlebenskünstlern bis hin zur Tauschwirtschaft unter Freunden. Millionen Deutsche trödeln auf ebay, agieren als Zwischenhändler, die massenweise »Schnäppchen« horten, um sie an Freunde und Verwandte billig weiter zu geben, verleihen sich untereinander Geld und tauschen bargeldlos Leistungen nach dem Motto: »Reparierst du mir mein Auto, gebe ich deinen Kindern Nachhilfe in Mathe«: Allein 21 Prozent (oder 13 Millionen) aller Deutschen handeln mit Waren und Dienstleistungen im Internet. Mit diesen Zahlen liegt Deutschland weit über dem EU-Durchschnitt von 10 Prozent.

Im Schattendasein wird das Wirtschaften neu erfunden
»Ich finde das pervers, was da heute in der Wirtschaft so abläuft. Da geht es doch nur noch um schnelles Geld und die äußere Hülle. Wenn ich wirtschafte, will ich doch Lösungen entwickeln, etwas tun, was auch wirklich Sinn macht. «

Das Land erlebt einen Boom privat-wirtschaftlicher Aktivitäten, die zwar im Schatten stattfinden, den Menschen aber Sicherheit und Autonomie geben. Dieses Phänomen ausschließlich unter der Rubrik »Schwarzarbeit« einzuordnen, hieße die Tragweite der Entwicklung zu verkennen. Es geht den Menschen nicht primär darum, den Staat um Steuern und Sozialabgaben zu betrügen. Die Menschen agieren unternehmerisch und erfinden Wirtschaft neu. Ihr Hauptinteresse gilt dem Spaß am Handeln und Handwerken sowie der sozialen Anerkennung, wenn ein Geschäft gut gelaufen ist. Viele wären nicht in der Lage, ihren Lebensstandard zu halten, wenn nicht die eigene »Privatwirtschaft« ganz wesentlich dazu beitragen würde.

Konsequenz: Rigorose Wirtschaftsethik als Massenphänomen
»Wenn Sie auf Mundpropaganda angewiesen sind, dann achten Sie darauf, dass ihre Kunden zufrieden sind. Schlechten Service kann ich mir nicht leisten.«

In der Schatten- und Netzwerkwirtschaft zeigt sich den Deutschen konkret, dass Unternehmertum immer egoistisch ist, aber doch auch mehr sein muss als reines Gewinnstreben: Durch das Wirtschaften im privaten Umfeld haben sie eine sachlich notwendige und ganz praktische Wirtschafts-Ethik entwickelt. Die Netzwerkwirtschaft – und nicht die im Generalverdacht der Virtualität stehende «Realwirtschaft« – setzt deshalb heute die Benchmarks für Glaubwürdigkeit im Geschäftsleben und die Reputation von Unternehmen. Viele Deutsche machen bei ihren privaten Unternehmungen ganz konkret die Erfahrung, wie unabdingbar Transparenz, verantwortliches Handeln und gegenseitiges Vertrauen für gedeihliche Geschäfte sind. Die Einhaltung der »ehrbaren Kaufmannstugenden« ist die Grundlage der Schattenwirtschaft, denn Verbraucherschutz lässt sich hierbei rechtlich nicht einklagen.

Chancen: Vertrauen braucht die (neue) Einheit von Produkt und Produzent
»Ich schau mir gern Kronzucker’s Kosmos und ähnliche Sendungen an. Da sieht man, wie die Dinge in einer Fabrik entstehen.«

Die zunehmende Spaltung von Produkt und Produzent ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem unhinterfragten Standard geworden und bildet bislang die Grundlage wirtschaftlichen Handelns der meisten Unternehmen, die für eine breite Öffentlichkeit fast nur noch mit der Zahlenwelt ihres Geschäftsmodells sichtbar werden. Die Interviews haben gezeigt, dass neues Vertrauen und Reputation als Grundlage einer öffentlichen »Licence to Operate« entstehen kann, wenn ein Unternehmen wieder zusammen mit seinen Produkten sinnstiftend sichtbar wird – wenn also die bisherige strikte Trennung von Produkt und Produzent wenigstens in Ansätzen überwunden wird. Durch eine »neue Einheit von Produkt und Produzent« können sich Unternehmen auch in der Krise profilieren und neu um Vertrauen werben. Sie müssen dazu als Unternehmen (und nicht als Gutmenschen) auftreten und direkter auf ihre Kunden zugehen. Die Entwicklung entsprechender Strategien ist jedoch nicht für alle Unternehmen ohne Weiteres möglich. Unübersichtliche Portfolios und komplexe Eigentumsverhältnisse stellen die Erarbeitung wirksamer Strategien vor besondere Herausforderungen.

Fazit: Das Marketing braucht Corporate Brands – Vier Leitsätze für die Unternehmenskommunikation in der Krise
Als Konsequenz weist die Studie auf vier Leitsätze hin, die als programmatischer Rahmen bei der Entwicklung vertrauensbildender Kommunikationsmaßnahmen zu berücksichtigen sind.

1. Tonalität: Unternehmen müssen etwas unternehmen.
Geschäftsmodelle schaffen kein Vertrauen. Die Fokussierung auf die finanzielle Performance hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre – durchaus vorhandene – Substanz sträflich vernachlässigt haben. Sie müssen den Menschen daher wieder neu verständlich machen, dass sie tatsächlich etwas unternehmen: dass sie Neues erfinden, ausprobieren und anbieten wollen, dass sie dies mit Freude an der Sache, mit Leidenschaft, aber auch mit Sinn und Verstand tun.

2. Inhalte: Eine »Neue Sachlichkeit« schafft neue emotionale Bindungen.
Künstliche Emotionalisierung läuft ins Leere. Rein werblicher Lifestyle, der austauschbaren Produkten übergestülpt wird, kann allenfalls differenzieren, aber nicht binden. Die Verbraucher verlieren angesichts virtueller Marken zunehmend an Orientierung. Vertrauen und Bindung entstehen aus konkreten Erfahrungen und kontinuierlicher Leistung. Unternehmen wie Apple, Ikea oder Bionade zeigen, dass Liebe und Leidenschaft für die eigene Sache auch die Zuneigung der Kunden wecken kann.

3. Instrumente: Kommunikation zielt auf Verständigung, nicht auf Belästigung.
Die Wirtschaftskrise ist auch eine Krise der Kommunikation. Werbung gilt als »Illusionstheater«, von dem sich die Menschen zwar verführen lassen, aber auch belästigt fühlen. Die Unternehmens-Kommunikation darf sich das Heft des Handelns nicht von den Eigengesetzlichkeiten der Medien aus der Hand nehmen lassen. Sie muss ihre Zielgruppen verstärkt direkt ansprechen und dabei auf Bindung und Verständigung setzen.

4. Werte: Reputation entsteht im Umgang mit Krisen.
Austauschbare Reputations- oder CSR-Kampagnen wirken kontraproduktiv. Die Bürger haben ein tiefes Misstrauen gegenüber aufgesetzten Leitwerten, beliebigem Gutmenschentum, verstecktem Lobbyismus und sozialen Marketing-Gags entwickelt. Der Eindruck von Verantwortlichkeit entsteht nicht durch CSR- Blasen, die gute Werke jenseits des Tagesgeschäftes postulieren. Notwendige Voraussetzung für Reputation ist vielmehr, dass sich Eigeninteressen von Unternehmen mit gesellschaftlichen Ansprüchen plausibel verbinden. CSR muss deshalb aus dem Kern des Unternehmens erwachsen und sich an der Sache orientieren.

»Duck and Cover« ist keine echte Alternative
Letztendlich beweist sich »Responsibility« nicht bei schönem Wetter, sondern bei schwerer See, in harten Entscheidungssituationen, wenn Interessen gegeneinander stehen, wenn es um Opfer und Risiken geht. Hier zeigt sich, ob Werte Bestand haben. Krisenhafte Situationen sind der Prüfstein für die Verantwortlichkeit von Personen, Unternehmen oder Parteien. Hier entsteht Reputation. Die Wirtschafts- und Finanzkrise birgt daher Chancen – allerdings nicht ohne Risiko.

Wer jedoch nach dem Prinzip »duck and cover« nur auf Risikominimierung setzt, wird die Krise vielleicht mit einem blauen Auge überstehen, aber an Glaubwürdigkeit eher verlieren. Durch das klare Eingeständnis von Fehlern und durch mutige Konsequenz können sich Unternehmen hingegen als zukunftsweisende »Unternehmungen« nachhaltig im Bewusstsein der Bürger verankern und an ihr Unternehmen binden – mit positiven Folgen für das Konsumverhalten.  

1 Eine psychologische Langzeitstudie, die A&B FRAMEWORK seit April 2007 durchführt, hat jetzt das Erleben der Krise in ihrem Verlauf und damit die Mechanismen des Vertrauensverlustes entschlüsselt.

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/0910a/0910a.htm