Ist eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ethisch gerechtfertigt?
Gesucht wird nach Maßnahmen zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen. Die Bundesregierung schnürt Sparpakete und bringt eine höhere Belastung der Besserverdienenden ins Spiel. Immer wieder ertönt der Ruf nach Gerechtigkeit – doch kann so Gerechtigkeit aussehen? Ein Blick in die Statistiken und eine Rückbesinnung darauf, welche Aufgaben der Staat eigentlich übernehmen sollte, liefert eine klare Antwort: Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ist ungerecht.

Ulf D. Posé

        


 
as Sparpaket der Bundesregierung trifft derzeit auf harsche Kritik. Es ist unbedingt zu prüfen, inwieweit gerade die Sozialkürzungen auf ungerechte Art und Weise ökonomisch schwache Bürger belasten. Sollte dies ungerecht sein, ist es dann richtig, durch eine weitere Ungerechtigkeit Gerechtigkeit wieder herstellen zu wollen?

Die obersten fünf Prozent in der Einkommenspyramide in Deutschland (mit Jahreseinkommen über 85 400 Euro) zahlen mehr als 40 Prozent der Einkommensteuer, alle Bürger, die mehr als 67 000 Euro pro Jahr verdienen (das sind nur zehn Prozent aller Einkommenssteuerzahler) erwirtschaften für unseren Staat 53 Prozent seines gesamten Einkommensteueraufkommens. Die gesamte untere Hälfte der Einkommensbezieher trägt mit gerade einmal 8,3 Prozent zum Einkommensteueraufkommen bei.

Das statistische Bundesamt weist aus, dass Menschen mit einem Einkommen von 548 000 Euro und mehr, 8,2 Prozent der Einkommenssteuer bezahlen, jedoch nur 0,1 Prozent der Steuerpflichtigen ausmachen. Und wenn sie Menschen mit einem Einkommen ab 170 100 Euro nehmen (das sind genau ein Prozent der Einkommensteuerpflichtigen), dann zahlen diese Steuerzahler sogar 20,4 Prozent der Einkommensteuer.

Also: die Absicht, Spitzenverdiener stärker am Steueraufkommen zu beteiligen oder gar die Suggestion, Spitzenverdiener würden sich am Steueraufkommen ungenügend beteiligen ist schlichtweg falsch, wenn nicht gelogen.

Im Sinne der Gerechtigkeit erscheint eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ungerecht, da Gerechtigkeit den festen Willen meint, einem jeden Bürger sein Recht zukommen zu lassen. Politiker, die eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für vernünftig halten, sind offensichtlich nicht von diesem festen Willen geleitet. Da schon vor Jahren der Wirtschaftsweise Bert Rürup deutlich darauf hingewiesen hat, dass der fiskalische Wert einer solchen Steuererhöhung sehr gering, fast bedeutungslos ist, ist hier zu fragen, welches Interesse Politiker an dieser neuerlichen Belastung haben. Das Einkommensteueraufkommen damit entscheidend zu beeinflussen, kann auf keinen Fall die Ursache sein.

Ähnliches gilt für eine höhere Besteuerung der Kapitalerträge. Völlig ausgeblendet wird, dass der Kapitalertrag aus bereits versteuertem Kapital entsteht. Ebenfalls ausgeblendet wird, dass Kapitalerträge im weitaus überwiegenden Teil der Alterssicherung dienen.

Die öffentliche Diskussion zeigt, dass wir anscheinend keinerlei Verhältnis zur gerechten steuerlichen Behandlung von Spitzenverdienern oder Kapitalerträgen haben.

Offensichtlich ist es jedoch so, dass eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Erhöhung der Kapitalerträge die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten nicht beseitigen und nicht automatisch zu Vorteilen für die schwächsten Steuerzahler führen. Also ist der Vorschlag der Politiker in höchstem Maße ungerecht und damit ethisch verwerflich.

Steuererhöhung als Ablenkungsmanöver
Wenn eine solche Steuererhöhung keinen besonderen fiskalischen Wert hat, welchen Grund kann es dann außer Neid für diese Steuererhöhung geben? Offensichtlich gibt es keinen anderen Grund. Bürger mit dem Spitzensteuersatz erwirtschaften nach Geldmenge und Steuersatzhöhe das meiste Geld für diesen Staat. Zu suggerieren, als seien die Zahler des Spitzensteuersatzes zu gering oder zu wenig am Steueraufkommen des Staates beteiligt, ist mindestens verlogen und unterstützt nur falsche Vorurteile.

Es ist kaum noch ethisch verständlich, mit welch einer Selbstverständlichkeit über das Geld unsere Bürger von politischer Seite aus verfügt wird.

Der Streit der Philosophen, welche Aufgabe ein Staat habe, ist in der Bundesrepublik zugunsten von Karl Marx ausgegangen, der die Idee von Rousseau aufgriff, der Staat habe die Aufgabe, den Wohlstand des Volkes zu mehren. Leider ist die Idee von John Locke und Adam Smith untergegangen, die davon überzeugt waren, der Staat habe vornehmlich die Aufgabe, Schaden vom Volk abzuwenden. Ein Staat, der marxistisch den Wohlstand ständig mehren will, ist irgendwann pleite. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine höhere Besteuerung der Kapitalerträge suggerieren hier, es gäbe Bürger, bei denen es noch genügend zu holen gäbe, um weiterhin den Wohlstand mehren zu können oder zumindest eine befürchtete Pleite des Staates abwenden zu können. Der Versuch, damit von den echten Problemen dieses Landes und den politischen Fehlern ablenken zu wollen, ist ethisch verwerflich.

Der sorgsame Umgang mit dem Geld der Bürger
Die Ausgabenseite des Staates ins rechte Verhältnis zur Einnahme zu bringen, ist vornehmliche Aufgabe der Politik. Das ist den verschiedenen Regierungen bisher nicht gelungen. Das jetzt endlich gestartete Sparpaket soll nun dem Bürger etwas schmackhafter gemacht werden durch eine weitere Erhöhung der Einnahmen. So fällt es wohl dem Bürger ohne Spitzensteuersatz und ohne Kapitaleinkünfte leichter, die ›Kröte‹ Sparpaket zu schlucken. Welch eine Schande für die Redlichkeit der Politik!  

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/1006b/1006b.htm