Vom Umgang mit Widerstand in Veränderungsprozessen
Regelmäßig stoßen betriebliche Veränderungsprozesse an Grenzen. Die Mitarbeiter leisten Widerstand und stellen sich gegen die Änderungen. Wie gehen Führungskräfte mit einer solchen Situation um? Zunächst gilt es zu erkennen: Widerstand ist menschlich und ganz normales Element aller Veränderungsprozesse. Wer dies versteht und die Ursachen des Widerstands erkennt, kann diesen auch überwinden.

Eike Wagner

        


 
tellen Sie sich folgendes vor: Eine Führungskraft ist in den letzten Jahren immer wieder selber von Veränderungen in Strukturen, Prozessen und Systemen betroffen und muss zudem die Umsetzung dieser Veränderungen durch die Mitarbeiter sicherstellen. Diese Führungskraft ist häufig in einer unangenehmen Sandwich-Position: oben drüber erwarten die Geschäftsführung und die Vorgesetzten die Umsetzung der Veränderung und unten drunter haben die Mitarbeiter gegensätzliche Interessen.

Wie entkommt man diesem Dilemma? Die folgenden sieben Erkenntnisse könnten einen Ausweg bahnen:

1. Widerstand als normal akzeptieren
Widerstand ist eine normale menschliche Reaktion auf Veränderungen. Zweitrangig ist die Frage, ob die Mitarbeiter Widerstand gegen die Veränderung als solche leisten oder gegen die Art und Weise, wie der Veränderungsprozess gestaltet wird.

Durch Widerstand wird die notwendige psychische Gesundheit für die Zeit nach der Veränderung sichergestellt. Wer ohne bewussten Widerstand durch eine substantielle Veränderung geht, dem ist der Widerstand wahrscheinlich nur nicht bewusst bzw. er will ihn nicht wahrhaben. Das gilt im Zweifel auch für gemeinhin als positiv definierte Veränderungen wie einen Lottogewinn. Denn so manch ein Lotto-Millionär will irgendwann einfach in sein altes Leben zurück.

2. Widerstand in den Verlauf von Veränderungen einordnen
Unabhängig davon, ob es so etwas wie typische Phasen einer Veränderung gibt, spielt Widerstand eine entscheidende Rolle. Ein hilfreiches Modell für die Praxis ist die sogenannte Veränderungskurve. Sie beschreibt typische Phasen in einem individuellen Veränderungsprozess.

Die Veränderungskurve beschreibt die unterschiedlichen Momente im Rahmen eines Veränderungsprozesses1

Je nach Art der Veränderung starten die menschlichen Reaktionen mit erster Euphorie oder mit Schock. Danach kommt tendenziell eine Verneinung der tatsächlichen Auswirkungen der Veränderung: und sei es nur die Verneinung der Tatsache, dass ich als Führungskraft im Unternehmen qua Rolle mit dem Widerstand meiner Mitarbeiter umgehen muss und dass dies anstrengend wird und mich selber belasten wird.

Die Verneinung muss ich überwinden, bevor ich in die Phase des Widerstands eintreten kann. Und meist kommt dann auch automatisch irgendeine Form von Widerstand. Sei es emotional oder rational. Sei es wegen des Loslassens der bestehenden Dinge oder wegen des Einlassens auf die neuen Dinge. So sind wir Menschen.

Die Phase des Widerstands findet ihren Ausgang in der Akzeptanz der Veränderung: sei es aus Überzeugung oder aufgrund der Einsicht, dass der Verbleib im Unternehmen das »Ertragen« der Veränderung voraussetzt. Für manche Menschen fühlt sich diese Übergangsphase besonders lang an: das sogenannte »Tal der Tränen«.

Nachdem der Widerstand überwunden und die Veränderung rational und emotional akzeptiert ist beginnt die Phase des Ausprobierens und des Einlassens auf die Veränderung. Anschließend wird das neue Verhalten verinnerlicht und zur Routine – wenn nicht zuvor die nächste Veränderung angestoßen wird.

3. Die eigene Rolle im Umgang mit Widerstand annehmen
Change Management und Kommunikation sind Führungsaufgaben. Gerade in Zeiten der Veränderung müssen Führungskräfte ihre Mitarbeiter führen. Die Art und Weise, wie Führungskräfte mit ihrem eigenen Widerstand und demjenigen ihrer Mitarbeiter umgehen, ist ein zentraler Erfolgsfaktor im Veränderungsprozess. Hinzu kommen Transparenz und Austausch zum Umgang mit Widerstand in der Führungsmannschaft.

Führungskräfte müssen...
1. anhand von Symptomen den Widerstand erkennen,
2. die Ursache herausfinden,
3. entsprechend der Ursache auf den Widerstand eingehen.

Nehmen wir noch einmal das Beispiel der Sandwich-Position aus der Einleitung. Die Situation von Führungskräften ist (leider) vergleichbar mit der Bulette im Burger. Oben drüber und unten drunter befinden sich Brötchen, Salat, Zwiebeln und Ketchup, d.h. direkt und indirekt über- und untergeordnete Menschen. Während beim Burger die Bulette das wichtigste Element ist, ist das Verhalten von Führungskräften im Umgang mit dem Widerstand der Mitarbeiter ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Umsetzung von Veränderungen. Wenn die Bulette nicht schmeckt, dann ist auch der gesamte Burger nichts wert. So ist es auch bei Veränderungen: Wenn Führungskräfte ihre Aufgabe nicht annehmen, dann führt kein Weg zu nachhaltiger Veränderung.

4. Antworten auf die wichtigsten Fragen der Mitarbeiter haben
Mitarbeiter stellen bei Veränderungen immer wieder die gleichen Fragen rund um die Notwendigkeit der Veränderung, die Fähigkeit zur Veränderung und die Bereitschaft zur Veränderung. Die Mitarbeiter fragen sich voraussichtlich: Muss ich? Kann ich? Will ich? Daher können sich Führungskräfte auf diese Fragen vorbereiten:

:: Warum brauchen wir überhaupt eine Veränderung?
:: Warum brauchen wir genau diese Veränderung?
:: Gibt es Alternativen?
:: Was ist das Ziel der Veränderung?
:: Wird mir noch etwas verschwiegen?
:: Will ich diese Veränderung?
:: Was bringt mir die Veränderung?
:: Was bedeutet die Veränderung für meinen Status und meine Karriere?
:: Was verliere ich durch die Veränderung?
:: Kann ich die Veränderung schaffen?
:: Bin ich den Veränderungsanforderungen gewachsen?

Schön wäre, wenn die Change-Verantwortlichen inhaltlich die Antworten formulieren, so dass sich Führungskräfte auf den Umgang mit ihren Mitarbeitern konzentrieren können. Denn wenn die Mitarbeiter keine glaubwürdige Antwort erhalten, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit von Widerstand erheblich.

5. Den Widerstand an den Symptomen erkennen
Voraussetzung für den Umgang mit Widerstand ist das Erkennen desselbigen. Dabei sind die Symptome des Widerstands ebenso vielfältig wie seine Ursachen. Wer aber die typischen Symptome für Widerstand kennt und genau hinschaut, für den ist Widerstand meist leicht zu erkennen. Beobachtete Symptome können ein Zeichen für Widerstand sein, müssen aber nicht. Notwendig ist der Abgleich des aktuellen Verhaltens mit dem sonstigen Verhalten der Mitarbeiter.

Symptome von Widerstand1

6. Den Dialog mit dem Mitarbeiter suchen
Am Anfang geht es darum, Verständnis für den Widerstand der Mitarbeiter zu zeigen. Und zwar so, dass dies für die Mitarbeiter ersichtlich, authentisch und glaubwürdig ist. Erfolgsfaktor ist an dieser Stelle, mit den Mitarbeitern in den Dialog zu treten.

Die Kommunikation in dieser Phase muss persönlich erfolgen: große Gruppen, kleine Gruppen und Einzelgespräche. Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter ermutigen, ihre Sorgen und Ängste auszusprechen. Voraussetzung hierfür ist, dass Führungskräfte auf diese Aufgabe vorbereitet sind. Ebenfalls hilfreich wäre, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitern einen Schritt auf der Veränderungskurve voraus sind.

Während eine lange Phase des Widerstands sich einerseits negativ auf Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter auswirkt, sind das effiziente Managen und das Setzen von Fristen in dieser emotionalen Phase mit Vorsicht zu genießen. Das heißt allerdings nicht, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht deutlich die negativen Konsequenzen einer fehlenden Veränderungsbereitschaft aufgezeigt werden müssen.

7. Die Ursachen für den Widerstand herausfinden
Es gibt keine immergültigen Tipps für den Umgang mit Widerstand, denn die Ursachen für Widerstand sind vielfältig und das geeignete Führungsverhalten hängt von der Ursache ab. Also muss man herausfinden, was denn die konkrete Ursache für den Widerstand eines konkreten Mitarbeiters ist. Hierbei hilft das Wissen über drei typische Ursachen für Widerstand:

:: Fehlendes Verständnis der Veränderung: In der frühen Phase der Veränderung ist es (fast) unvermeidlich, dass Führungskräfte und vor allem Mitarbeiter einen Teil der Veränderung nicht verstehen. Denn die Initiatoren des Wandels in der Geschäftsführung oder Stabsstelle und die daran nicht Beteiligten handeln fast immer auf Basis unterschiedlicher Informationsgrundlagen und Erwartungen. Zunächst wird daher nicht an eine Lösung des Problems durch die Veränderung geglaubt oder es wird sogar eine Verschlechterung dadurch angenommen. Manchmal fehlen Informationen über die Veränderung bzw. notwendige Hintergrundinformationen zur Einordnung in den Kontext und manchmal werden die vorhandenen Informationen einfach anders interpretiert. Und manchmal will man es auch (noch) gar nicht verstehen.

:: Kein Vertrauen in die Verantwortlichen: Die Mitarbeiter haben Angst, dass die Führungskräfte die Veränderung initiiert haben, um die Mitarbeiter auszunutzen. Oder weniger extrem: Die Mitarbeiter glauben einfach die Informationen nicht und verstehen deswegen die Veränderung bzw. deren Vorteile nicht. Dieser Widerstand ist insbesondere dann zu erwarten, wenn die Mitarbeiter den politischen Rahmenbedingungen misstrauen oder ein konkretes Fehlverhalten der Change Verantwortlichen in der Vergangenheit vorliegt.

:: Nicht loslassen können: Es ist schwer für Führungskräfte und Mitarbeiter, die Veränderung in kurzer Zeit auch emotional zu akzeptieren. Sie haben Angst vor dem Verlust von Aspekten des Arbeitslebens, die sie liebgewonnen oder an die sie sich zumindest gewöhnt haben. Gängige Verlustängste begründen sich auf den Verlust von Status, Macht, sozialen Netzwerken, Komfort, Handlungsspielraum, Zukunftsoptionen, Richtungen oder Kompetenzen. Je höher die Verlustängste, desto größer ist der zu erwartende Widerstand gegen die Veränderung. Die Angst und der Widerstand basieren dabei auf ihrer subjektiven Wahrnehmung der Situation und es spielt anfangs keine Rolle, ob die Befürchtungen begründet sind oder nicht.

Hat man die Ursache verstanden und nimmt sich dann wirklich Zeit für den Mitarbeiter, dann sollte das »richtige« Verhalten im Umgang mit diesem Mitarbeiter schnell bewusst werden.

Fazit
Ein chinesisches Sprichwort lautet: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.

Jede Führungskraft muss für sich selbst entscheiden, wie sie mit dem eigenen Widerstand und dem Widerstand ihrer Mitarbeiter umgeht. Wenn man sich aber lange mit einer Sache beschäftigt und wirklich davon überzeugt ist, dass genau diese Sache das Unternehmen voranbringt, dann ist dies bereits die halbe Miete bei Veränderungsprojekten. Dann muss noch eine kritische Masse an Führungskräften und Mitarbeitern von dieser Sache überzeugt werden. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen: Es ist ein weiter Weg vom Kopf des einen zum Herzen des anderen.  

 

1 in Anlehnung an: Kubler-Ross, Elisabeth (1969): On Death and Dying, New York.
2 in Anlehnung an: Doppler, Klaus; Lauterburg, Christoph (2008) Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten, Frankfurt am Main.

URL: http://www.perspektive-blau.de/artikel/1007a/1007a.htm