Angenommen, das Verhalten von Mitarbeitern ließe sich über deren Einstellung zur Organisation beeinflussen. Kann eine Kulturänderung dann den uralten Managementtraum von der totalen Identifikation des Mitarbeiters mit seinem Arbeitsplatz verwirklichen?
ührungskräfte erwarten von ihren Mitarbeitern oftmals totale Identifikation mit dem Arbeitsplatz. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, also dann, wenn es schwierig wird, einen anderen Arbeitsplatz zu finden, kämpfen Mitarbeiter mit dieser Identifikation. Anke Hanft, Universität Hamburg, untersuchte die Identifikation als Einstellung zur Organisation.
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In ihren Forschungen zu Definitionsversuchen des Begriffes »Einstellung« empfiehlt sie, zuerst einmal Grundannahmen der sozialpsychologischen Einstellungsforschung zu beleuchten.
1. »Inhalte von Einstellungen sind subjektive Bewertungen der sozialen Realität, die in standardisierten Messverfahren erhoben werden.
2. Einstellungen zur sozialen Realität werden in der Sozialpsychologie als Attribute von Individuen erfasst, die zwar in Interaktionsprozessen entstanden, in ihrem Resultat aber an die psychische Innenwelt vereinzelter Personen gebunden sind.
3. Einstellungen beziehen sich immer auf Objekte oder Symbole aus der Erfahrungswelt der Individuen, die inter- und intrasubjektiv zweifelsfrei definiert sein müssen.
4. Einstellungen werden als Relationen zwischen dem Trägersubjekt und dem Einstellungsobjekt definiert.
5. Einstellungen zu bestimmten Objekten beinhalten neben der verbalen Bewertung auch entsprechende Handlungsdispositionen der Individuen.«
Wechselbeziehung: Verhalten - Einstellung
Nun wird weiterhin angenommen, dass es einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten gibt. Dies wäre attraktiv, da man sich Möglichkeiten ausdenken könnte, menschliches Verhalten vorauszusagen und eine Kontrolle innerhalb einer Organisation dazu aufzubauen.
Um sich dem Thema Einstellungsänderung zu nähern, sind zwei wesentliche Theorien entstanden:
1. der kommunikations-theoretische Ansatz (Yale-Studien von Hovland, 1951)2
2. die Dissonanztheorie (Festinger, 1978)3
Bennighaus hat schon 1973 darauf hingewiesen, dass Einstellungsänderungen nicht notwendigerweise Verhaltensänderungen nach sich ziehen. Dagegen Verhaltensänderungen meistens Einstellungsänderungen.
Culture-Change-Programme
Ich habe bei der Begutachtung von culture-change-Programmen, z.B. dem Top-Programm der Siemens AG
4, oder Merger-Programmen wie im Hause Reemtsma, immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass vor der Änderung des Mindset eine Änderung der täglich ablaufenden Prozesse erfolgen muss. Anschließend beschäftigt man sich mit den dadurch induzierten Mindset-Änderungen und qualifiziert diese durch adäquate Maßnahmen.
Somit bleibt das Ziel: Mindset-Change und Culture-Change vorhanden. Aber der Weg ist doch sehr unterschiedlich. Die Frage: »zuerst die Gedanken - dann die Prozesse« oder »zuerst die Prozesse - dann die Gedanken« ist von großer Bedeutung für den Erfolg. (»Gedanken« steht hier fast gleichwertig für »Einstellungen«.)
Tedeschi und Rosenfeld5 haben 1981 in ihren Studien festgehalten:
1. Einstellungsänderungen, die von außen veranlasst wurden (Forced Compliance Situationen), repräsentieren eine nicht internalisierte, zeitweilige und vorgetäuschte Schwankung von Einstellungen mit dem Zweck, einen Angriff auf die Identität abzuwehren.
2. Einstellungsänderungen in Forced Compliance Situationen werden nicht eintreten, wenn das einstellungsdiskrepante Verhalten nicht beobachtbar ist oder dem Akteur nicht zugeordnet werden kann.
Die Eigenständigkeit des Mitarbeiters
Es gilt also zu bedenken, dass der handelnde Mensch immer Interpretationen seiner Umwelt und seiner Selbst vornimmt. Die »social identity« und die »personal identity« werden dabei miteinander verbunden und in Relation gesetzt. Dies bringt verschiedene Handlungsalternativen auf den Plan - und man muss sich entscheiden.
Die Bedeutung, die das Individuum den Dingen zuschreibt, sind Folgen solcher Interpretationen.
Übernimmt ein Individuum die Interpretationen durch Machteinfluss (z.B. durch Hierarchien oder stark charismatische Führungskräfte), dann gehen eigene Identitätsanteile verlustig.
Der soziale, kritische Dialog über das, was abläuft (Prozesse), weshalb es so abläuft und wozu es so ablaufen soll, schafft dem Individuum Möglichkeiten, Interpretationen aufzubauen, die möglichst nahe an der Realität liegen.
Daher ist leicht einzusehen, dass culture-change-Programme, die an der Realität vorbei aufgebaut werden, uneinheitliche Interpretationen dessen, was wahr (richtig) ist hervorrufen. Die Diskrepanz zwischen social identity und personal identity vergrößert sich zwangsläufig. Fällt dann eine Entscheidung in Richtung der personal identity, verlässt man das Unternehmen über kurz oder lang. Fällt sie in Richtung social identity, verlässt man sich selbst über kurz oder lang.
Schlussfolgerungen
1. Der Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter offenbart die jeweiligen Einstellungen der Dialogpartner zu einem ganz konkreten aktuellen Problem des Unternehmens.
2. Es ist dringend anzuraten, sich mit den Bedeutungen zu beschäftigen, die Mitarbeiter einer konkreten Situation zuschreiben.
3. Da die Führungsspanne weltweit zwischen 7 und 10 Mitarbeitern liegt, ist der Arbeitsaufwand für diese Gespräche nicht besonders hoch.
4. Die Erfolge dieses Dialoges sind allerdings von sehr großer Bedeutung, da Ownership und Responsibility ausreichend stark erzeugt werden, und somit Mitarbeiter für Unternehmensziele ebenso eintreten, wie sie dies für ihre privaten Ziele tun.
5. Der Konflikt zwischen Privat und Beruf wird vermindert und damit die beschriebenen Folgen der forced compliance verhindert.
1 Hanft, Anke: Identifikation als Einstellung zur Organisation, 1991
2 Die Yale Studien sind nicht öffentlich verfügbar, allerdings gibt es eine lesenwerte Ausgabe der Vorlesungen zu Carl Hovland, der am 16. April 1961 verstorben ist. Deutsch, Morton: Resolution of Conflict: Constructive and Destructive Processes (Carl Hovland Memorial Lectures), 1977
3 Festinger, Leon: Theorie der kognitiven Dissonanz, Göttingen, 1978
4 Siemens Welt International, Ausgabe 02/95: Interview mit Zapke-Schauer, Kren, Conradi »Wir brauchen Visionen«. Siemens AG, München
5 Tedeschi, James T., Rosenfeld, Paul: Impression management theory and the forced compliance situation. In Tedeschi, James T. (Ed.), Impression Management Theory and Social Psychological Research, 1981