Es gibt zwei Arten von Eliten. Die einen halten sich für Eliten, obwohl sie keine sind. Die anderen überzeugen durch besondere Fähigkeiten und Leistungen. Deutschland benötigt Leistungseliten dringender denn je, damit nicht länger das Mittelmaß erfolgreich ist und der Sinkflug des Landes beendet wird.
ch gebe es zu: Ich schäme mich, ich kann bestimmte Dinge besser als
andere. Ich spiele besser Schach als mein bester Freund, ich kann schneller
laufen als viele Menschen in meinem Alter, ich kann noch richtig Kopfrechnen
ohne Taschenrechner! Das können Sie auch? Na wunderbar! Keine Frage:
Wir sind oft besser als andere, erfolgreicher, weil wir stärker trainiert oder
intensiver geschult sind. Würden wir uns aber deswegen gleich als Elite
bezeichnen? Wahrscheinlich nicht. Fragt sich nur, warum eigentlich nicht?
Betrachten wir zunächst den aktuellen Mainstream. Es grassiert der
»Küblböck-Effekt«. Erfolgreich wird der, der im Nichts- oder Schlecht-Können
sein Talent beweist. Popularität wird erreicht, indem man beweist, dass man
im Unterdurchschnittlichen besonders gut ist. Diese Unterdurchschnittlichkeit
wird kompensiert durch Lautstärke. Wer »Hier« ruft, ist schon im Fernsehen.
Wer bei zwei Sätzen nur dreimal stolpert oder stottert, hat schon eine
eigene Show.
Und so leben wir in einer Zeit, in der die Unterdurchschnittlichen in der
ersten Reihe sitzen. Deshalb habe ich – ich gestehe es gerne – wieder Sehnsucht
nach Eliten. Mehr noch: Ich fordere geradezu ein Elitebewusstsein. Ich
fordere das Elitedenken, ich fordere: Wir brauchen Eliten!
Was ist an Eliten schlecht? Nichts! Aber nur dann, wenn ich weiß,
was Eliten eigentlich bedeuten. Denn auch an dieser Stelle begegnen
uns Dummheit und Ignoranz. Die Wenigsten wissen, was Eliten ausmacht
und dass es davon zwei gibt.
Es gibt Menschen, die halten sich für Eliten, obwohl sie keine sind.
Das sind die ideologischen Eliten. Sie meinen, nur weil sie über eine
bestimmte Herkunft verfügen, seien sie etwas Besonderes. Manche
meinen gar, sie seien ein besonderes oder eventuell ein auserwähltes
Volk. Nein, ich meine keine Eliten, die den Beweis für ihr Elite-Sein
schuldig bleiben müssen. Hier wird etwas verwechselt. Die Zugehörigkeit
zu einem Volk, einer Kaste, einer Berufsgruppe ist keine besondere
Tat, sondern ein Wert. Und die Zugehörigkeit zu einer Familie ist ganz
sicher kein Verdienst, sondern ein Zufall.
Die Eliten, die ich meine, haben nichts mit Werten, sondern mit
Fähigkeiten zu tun. Ich meine die Leistungseliten, die Experten. Sie
zeichnet ein besonderes Können aus. Geschulte Fähigkeiten machen
Eliten aus. Denn merke: In einer Sache besser zu sein ist etwas ganz anderes, als sich für besser zu halten. Wenn wir zwischen ideologischer Elite
und Leistungselite endlich wieder unterscheiden würden, dann könnten wir
uns wieder dem sinnvollen und dem für eine Wirtschaft, Politik, Philosophie
und Kultur förderlichen Elitebewusstsein widmen.
Die persönliche Entwicklung fördern
Schauen wir doch einmal ehrlich hin: Uns fehlen die Eliten in Wirtschaft,
Politik, und Kultur. Und warum? Weil wir sie nicht fördern, sondern diffamieren.
Wie macht man heutzutage Karriere? Zum Beispiel in der Politik.
Schumpeter meinte einmal: »Die Beschäftigung mit politischen Fragen verdummt
den menschlichen Geist.« Kann ich nur zustimmen, wenn ich weiß,
wie Politiker oder Funktionäre Karriere machen. Sie vernachlässigen als
Erstes ihr Studium oder ihre Ausbildung, gehen vor die Fabriktore und verteilen
Zettel oder Kaffee. Dann entwickeln sie eine gehörige Portion Opportunismus,
damit sie in den Landesverband gewählt werden. Zum Schluss verkommt
der geistige Input zum Lesen der Überschriften in der Bildzeitung.
Populismus ist der Grundstein zum politischen Erfolg. Und manchem Politiker
ist so mancher Hintern nie klein genug, um nicht doch noch hineinzukriechen.
Kein Wunder, dass wir unter Politikern keine Leistungseliten mehr
finden.
Vergessen wir nicht: Immerhin glauben heute noch 16 Prozent aller Deutschen,
die Sonne drehe sich um die Erde (also auch 16 Prozent unserer Politiker)!
Wir werden immer dümmer, hat eine Allensbach-Studie festgestellt.
Wir sind nicht mehr daran interessiert, das Leben zu meistern, alle Kräfte für
die persönliche Entwicklung einzusetzen. Uns selbst zu erkunden, zu verbessern,
um unsere Fähigkeiten voll zur Entfaltung zu bringen. Unsere favorisierte
Lebenseinstellung hingegen lautet: »Ich will mein Leben genießen.«
Die Schlauen fördern
In der Wirtschaft verhält es sich ähnlich. Von Eliten keine Spur. Mit der
Ausnahme: Hier reagiert wenigstens der Markt mit dem Entzug von Aufträgen.
Wie wenig elitebewusst wir sind, zeigt unter anderem das internationale
Absinken der wirtschaftlichen Bedeutung der Bundesrepublik auf Rang 23.
Wer ein Klima fördert oder gar erzeugt, in dem eine Spitzenleistung nicht
mehr anerkannt, ja diffamiert wird, der darf sich über mangelndes Elitebewusstsein
nicht wundern, und damit über sinkende Produktivität und absinkende
internationale Bedeutung. Deutschland befindet sich im permanenten
Sinkflug. Wir machen eine Leistung, die außergewöhnlich ist, schlecht. Wir
neigen dazu, Leistungsträger für blöde zu halten. Wir fördern nicht die
Schlauen, Klugen, Begabten, um sie noch schlauer, noch klüger werden zu
lassen, nein, wir fördern stattdessen die Dummen, die Unbegabten. In der
Schule sollen alle mitkommen, und dabei bleiben die Begabten auf der Strecke.
Ich habe nichts gegen das Fördern von Unbegabten oder sogar Dummen,
nein, ich habe etwas gegen das »Stattdessen«.
Das Mittelmaß setzt sich durch. Heute kann man fast schon behaupten:
»Um erfolgreich zu sein, bin ich nicht mittelmäßig genug.« Hören wir auf
mit der neidgeprägten Gleichmacherei. Sie ist der Tod der herausragenden
Leistung. Und so fordere ich erneut: Wir sollten Eliten wieder belohnen, das
Bewusstsein zu Leistungseliten wieder fördern. So haben wir die Chance,
statt auf der Suche nach außergewöhnlichen Leistungen auf der Strecke zu
bleiben, diese selbst wieder zu zeigen.
Dieser Artikel ist erstmals auf
changeX erschienen.