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Wider die Unmenschlichkeit gegen die ältere Generation und gegen den Unsinn des Jugendkultes
Mit 50 zum alten Eisen? Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft e.V. wendet sich gegen den übertriebenen Jugendkult von heute und hält diesen für genauso falsch wie es ein Altenkult wäre. Nicht das Alter ist entscheidend - Unternehmen sollten weniger die Personalkosten und vermehrt die Wertschöpfung ihrer Arbeitskräfte beurteilen. Und dabei schneiden ältere Arbeitskräfte in der Regel gar nicht so schlecht ab.

        


 
ie Massenentlassungen und Freisetzungen hunderttausender Mitarbeiter trifft immer mehr ältere Menschen. Wer die 50 überschritten hat, hat kaum noch Chancen. Allenfalls in einer »ICH-AG«. Dabei sind die älteren besser als wir glauben.

Einer von zwei Gründen für diesen Unsinn scheint für den Ethikverband der Deutschen Wirtschaft e.V. (EVW) in der Nichtbeachtung eines Modells der Freiburger Schule zu liegen. Die Freiburger Schule hat ein Modell entworfen, das sicher Grundlage war für Ludwig Ehrhards soziale Marktwirtschaft. Dieses Modell zeigt sechs Produktionsfaktoren eines Unternehmens auf.

Zu den Hardfacts gehören:

:: Die Arbeit. Sie ist der Wertschöpfungsbeitrag des Mitarbeiters.
:: Das Kapital. Es ist das angelegte oder anlagewillige Geld.
:: Der Grund und Boden. Er wurde entweder durch den Umweltverbrauch oder bei Banken durch das Anlagekapital ersetzt. Eine Bank verbraucht wohl kaum Umwelt.

Zu den Softfacts gehören:

:: Die Unternehmenskultur. Sie meint die Art und Weise des Miteinander-Umgehens. Der moderne Kulturbegriff wurde von Johann Gottlieb von Herder formuliert. Er meinte damit eine lebendige (beginnende, sich entfaltende und endende) Gestalt eines Sozialgebildes. Unternehmenskultur drückt aus, was in einem Unternehmen in besonderer Weise gepflegt wird; welche Leistung, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Tugend, Fachkompetenz eine besondere Bedeutung hat.

:: Mobilität ist die körperliche und geistige Mobilität. Die körperliche Mobilität kann passiv und aktiv erlebt werden. Ein Mitarbeiter kann versetzt werden. Allerdings sollte dies nicht gegen seinen Willen geschehen. Die geistige Mobilität bedeutet, wie gut, schnell und sicher sich jemand in neue Sachverhalte hinein denken kann.

:: Im Wissen kommt es darauf an, dass die nachmoderne Gesellschaft, also die derzeitige Gesellschaft, eine Wissensgesellschaft ist. So wird das Wissen, obwohl nur softfact, zu einem erheblichen Produktionsfaktor. Es ist nicht das reine Informationswissen gemeint, das man durchaus über den Computer oder das Internet beziehen kann, sondern das für konkrete unternehmerische Situationen verarbeitete Wissen ist gemeint.
Es gilt das Wissen zu aktivieren, das in der Lage ist, Unternehmensprobleme zu lösen. Diesen Faktor ruinieren derzeit viele Unternehmen. Durch Freisetzungsbestrebungen verlieren sie erhebliche Anteile ihres überlebensnotwendigen Wissens. Viele Mitarbeiter, die die meiste Zeit ihres Lebens in einem Unternehmen verbracht haben, nehmen große Mengen ihres Wissens unwiederbringlich mit.

Die Überbetonung der hardfacts und Vernachlässigung der softfacts in nicht wenigen Unternehmen kann durchaus den Unternehmensruin beschleunigen, denn nur eine Allokation aller sechs Produktionsfaktoren lässt ein Unternehmen dauerhaft erfolgreich sein.

Ein zweiter Grund für den EVW liegt darin, dass Arbeit gemäß der Cobb-Doglous-Formel durch Kapital und Wissen (durch die hardfacts) substituiert wird.

Der Aufwand für Arbeit wird im Kapitalismus möglichst klein gehalten, ebenfalls die Kosten für Umwelt. Und zwar auf einem Level mit dem geringsten Aufwand für Arbeit und Umweltverbrauch. Sonst ist jeder Unternehmer im Nachteil, der für Arbeit und Umwelt Aufwand hat.

Nun ist eben nicht nur die Frage, dass ich Arbeit durch Kapital ersetze, sondern auch welche Arbeit ich durch Kapital ersetze. Genau hier schauen die Unternehmer viel zu wenig auf Wertschöpfung und viel zu sehr auf Personalkosten. Da ein älterer Arbeiter in aller Regel teurer ist, als ein junger Arbeiter, wird der ältere Arbeitnehmer entlassen.

Würde nun der Unternehmer auf die Wertschöpfung achten, dann könnte er schnell feststellen, dass der Wertschöpfungsbeitrag des älteren Arbeitnehmers in aller Regel höher ist, als der Wertschöpfungsbeitrag des jüngeren Arbeitsnehmers. Aber leider achtet der Unternehmer auf die scheinbare Effektivität. Scheinbar ist Effektivität dann, wenn der Mitarbeiter der erste im Büro ist, selten krank ist, sich engagiert, als »Macher« gilt. Diese Effektivität sagt nichts über die Wertschöpfung aus.

Die Entmenschlichung des Menschenbildes
Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft e.V. sieht dahinter eine tiefgehende Entmenschlichung des Menschenbildes. Das Menschenbild wird funktionalisiert. Je mehr jemand in einer Funktion brauchbar ist, desto wichtiger ist er. So kommt es im Regelfall, Ausnahmen gibt es sicher, dazu, dass ab siebenundfünfzig der Mensch nicht mehr beschäftigt wird. Er gilt als senil und verkalkt, Alzheimer in Anfängen erkennbar. Solch ein Menschenbild zu haben, und sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass solch ein Menschenbild eher verwerflich ist, ist auch ein Stück falsch verstandenen Unternehmertums.

Der Unsinn des Jugendkultes
Der Jugendkult ist in seinen Konsequenzen ein Teil davon. Es ist absolut töricht, zwei Trainees einzustellen, die die typischen Anfängerfehler begehen, für deren Aus- und Weiterbildung mehr als eine Million auszugeben, und dafür mit Einhunderttausend Euro einen älteren Mitarbeiter in die Frühverrentung zu schicken.

Glücklicherweise hat der Gesetzgeber hier eingegriffen. Konsequent richtig wäre es sicher gewesen, dem Arbeitgeber allein die Kosten für solch ein Vorgehen allein aufzubürden. Zu fragen ist gleichzeitig, ob nicht auch der Altenkult falsch ist. Das wäre er aber nur dann, wenn er dogmatisch wäre. Und das ist er sicher nicht. Interessant ist hierbei, dass in asiatischen Ländern jemand mindestens fünfundsechzig Jahre sein, bevor er eine verantwortungsvolle Führungsposition erhält.

Sicher ist es auch unsinnig anzunehmen, dass das Alter automatisch mit einer bestimmten Erfahrung korreliert. Der der Alterungsprozess bietet die Chance, mehr Erfahrungen zu sammeln, als jemand der jung ist. Nur der daran notwendigerweise gekoppelte Interpretationsprozess ist nicht zwingend eine Altersfrage. Das ist eher eine Frage des Intellekts, der Verarbeitungsbereitschaft, der Lernbereitschaft des Einzelnen.

Derzeit ist es sicher schlimm, dass die softfacts (kreatives Wissen, geistige und physische Mobilität und Unternehmenskultur) auf null gestellt werden. Allenfalls auf die physische Mobilität wird geachtet in dem Sinne, als der weltweite Einsatz eines Mitarbeiters eine Rolle spielen kann.

Wir haben einen Kult der Jugend aufgebaut, der so weder ökonomisch, noch anthropologisch Sinn macht. Wichtig für ein Unternehmen ist, dass der Jugendkult ökonomisch keinen Sinn macht. Sich von einem 50-jährigen zu trennen, macht ökonomisch keinen Sinn.

Die derzeitige Umgangsform von Unternehmen mit älteren Mitarbeitern sorgt dafür, dass der Trend zur Verwertung der Jugend eher immer noch zu- als abnimmt. Die Unsinnigkeit dieser Vorgehensweisen liegt in dem Dogma begründet: »die Jugend ist prinzipiell fitter als das Alter«. Das stimmt sicher für die rein körperliche Betätigung. Diese körperliche Fitness jedoch automatisch zu übertragen auf die geistige Fitness, ist Quatsch. Das hat eine gewisse Evidenz in sich, wenn man darüber nicht nachdenkt. Es ist für ein Unternehmen sicher etwas unsinnig zu sagen: »jemand, der einhundert Meter schneller läuft als ein anderer Mitarbeiter ist auch sonst in allen anderen Dingen besser als sein Kollege«.

Entscheidend in einem Unternehmen ist eben nicht das Alter, sondern wer trägt besonders gut zur Wertschöpfung bei. Die Frage ist, wer schafft die größere Wertschöpfung aufgrund seiner Erfahrung, seinem Umgang mit den Kunden, mit dem Produkt, mit den konkreten Bedürfnissen innerhalb des Unternehmens und außerhalb des Unternehmens. Bei dieser Betrachtung schneiden die alten Menschen nicht sehr schlecht ab. Entlassen werden jedoch immer eher die alten Menschen. Dadurch berauben sich Unternehmen eines großartigen know hows.

Es gibt eine Pyramide der Wertschöpfung, deren Gipfel liegt etwa bei 50 Jahren. Das liegt an der mangelnden geistigen Beweglichkeit und der Verweigerung, Neues zu akzeptieren. Die Wertschöpfung liegt bei 50-jährigen etwa so hoch wie bei 30-jährigen. Mit 60 Jahren ist die Wertschöpfung etwa so hoch wie bei 25-jährigen.

Die Freisetzung von älteren Mitarbeitern ist also äußerst unsinnig. Mit einer Freisetzung riskiert ein Unternehmen die menschlichen Beziehungen, die ein älterer Mitarbeiter aufgebaut hat. Diese Beziehungen sind ökonomisch sehr relevant, da sie in Jahrzehnten gewachsen sind. Wer diese Beziehungen riskiert, muss enorme Summen investieren, um diese Beziehungen durch junge Mitarbeiter wieder gleichwertig aufbauen zu können.