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Höhere Gewinne durch gutes Gewissen?
»Bitte keine simplen Kausalketten...«, so lautet der Vorwurf nicht weniger Unternehmer gegen das Argument »Ethik zahlt sich aus«. Was dann als Beweisführung folgt, sind simple Kausalketten, die leider falsch sind, oder Kopfgeburten, die nichts mit der Realität zu tun haben.

        


 
icht selten wird als Erwiderung auf das Argument, dass sich Ethik bezahlt mache, der wirtschaftlich erfolgreiche, jedoch unethisch handelnde Unternehmer angeführt. Aber fange ich einmal beim Grundsätzlichen an: die Tatsache, dass ethisch motiviertes Handeln wirtschaftlichen Erfolg unterstützt, besagt nicht, dass wirtschaftlicher Erfolg ausschließlich durch ethisch motiviertes Handeln herzustellen ist.

Vielleicht liegt es daran, dass nicht wenige Menschen Manager auf drei Denkmethoden reduzieren:

:: entweder sie können ökonomisch denken und kalkulieren beispielsweise Kosten und Erlöse,
:: oder sie können wissenschaftlich denken und dabei große Ingenieurleistungen vollbringen,
:: oder sie können zum Dritten juristisch denken (oder denken lassen) und dabei die Grenzen des rechtlich Erlaubten verstehen lernen.

Die drei Denkmethoden zeigen in realitas nur Eines: Manager, die nur diese drei Denkmethoden beherrschen, sind mit Sicherheit nicht dauerhaft erfolgreich; mithin auch ein Denkweg wie der gegenständliche nicht, der nur auf diesen drei aufbaut.

Diese Kausalkette ist mir zu einfach. Ich meine, dass erfolgreiche Manager ausdrücklich oder unausdrücklich dem Modell der fünf Unternehmensfunktionen folgen; jedenfalls einem Modell, das ungleich differenzierter ist als jenes Modell der drei Denkmethoden. So differenziert, wie Realität differenziert ist:

:: Soziokulturell: Versorgung, Innovationen
:: Operativ-instrumentell: Strukturen, Prozesse
:: Führungsfunktion: Integration aller Funktionen
:: Personal⁄sozial: Entfaltung⁄Interaktionen (beide bestmöglich)
:: Ökonomische: Ressourcen, Kosten, Finanzen, Wertschöpfung

Ökonomische Rationalität oder unökonomische Irrationalität?
Wer das Denken von Managern auf die eben vorgestellten drei Denkmethoden reduziert, verkennt leider die Bedeutung der Unternehmenskultur. Nur sie entwickelt bei den Unternehmensmitgliedern die Fähigkeit und Bereitschaft außerökonomische Ziele, Maßnahmen und Handlungen mit ökonomischen Zielen, Maßnahmen und Handlungen zu verbinden. Der Realismusgehalt der Unternehmenskultur ist entgegen der allgemeinen Annahme hoch, denn keine Firma funktioniert ohne Unternehmenskultur. Wie ist das zu beweisen?

1.Beweis:
Menschen – in Unternehmen als Mitarbeiter und in Märkten als Nachfrager – handeln immer aus einem Bündel von Motiven, und unter diesen sind die ökonomischen zwangsläufig in der Minderheit.

2. Beweis:
Menschen – in Unternehmen und Märkten – handeln in komplex zusammengesetzte Realitäten hinein, und in denen sind die ökonomischen zwangsläufig in der Minderheit.

3. Beweis:
Im Unternehmen wie im Markt handeln immer Menschen, immer Menschen mit Menschen, immer Menschen für Menschen. Menschen sind aber immer mehr als nur Arbeitskräfte oder nur Nachfrager. Deshalb lässt sich ein Bild dieser Menschen nur außerökonomisch gewinnen, kann man Menschen in Unternehmen nicht bloß ökonomisch führen, kann man mit den Menschen in den Märkten nicht bloß ökonomisch interagieren. Man kann beides nur auf Grund eines Menschenbildes.

Ethisch-motiviertes Handeln ist ein Organ für das Außerökonomische, eine wichtige Grundlage für das Menschenbild in der Arbeitswelt und für eine wirkungsvolle Interaktion⁄Kommunikation zwischen den Menschen im Unternehmen und mit den nachfragenden Menschen im Markt. Alle drei (von Unternehmenskultur) beigebrachten Voraussetzungen kann Ökonomie nicht erbringen. Alle drei sind unverzichtbar für das Gelingen ökonomischer Rationalität – Effizienz und Effektivität.
Also gilt auch: Ökonomische Rationalität nur mittels ökonomischer Rationalität ist unökonomisch irrational. Die drei zu Beginn vorgestellten Denkmethoden taugen also nichts.

Dann wird nicht selten Ethik als Verbrechensbekämpfungsmethode (wie beim Sarbanes-Oxley Act) gefordert. Das erscheint mir zweifach ungeeignet: Erstens, weil Fälle von Verbrechen in erster Linie mit Juristerei, und nichts mit Ethik zu tun haben, und zweitens, weil die amerikanische Wirtschaftsethik eine juristisch handhabbare ist und weitestgehend mit der Klärung von Verkehrssitten und Gesinnung zu tun hat. Aber für solche Beispiele (nicht selten als einzige Methode, ethisch motiviertes Handeln zu erzwingen vorgestellt) – die negativen wie auch die positiven – gilt die Einsicht David Humes: Man kann aus IST-Sätzen keine SOLLENS-Sätze ableiten.

Der Denkfehler, Ethik gegen Ökonomie zu setzen
Wirtschaftliches Handeln ist dann besonders erfolgreich, wenn außerökonomische Ziele⁄Maßnahmen⁄Handlungen mit ökonomischen Zielen⁄Maßnahmen⁄Handlungen optimal verbunden werden. Ethik ist hierbei das einzig kompetente Medium zur Vermittlung zwischen den nichtökonomischen Interessen⁄Funktionen von Unternehmen bzw. Märkten. Daraus resultiert die notwendige Symbiose von wirtschaftlichem Handeln und Wirtschaftsethik. Hier entsteht der Bedarf an Wirtschaftsethik, der sich durch die handelnden Personen ausdrückt.

Ein Unternehmen, das Profit und Ethik nebeneinander und nicht gegeneinander stellt, hat realisiert, dass eine funktionierende unternehmerische Ethik auch auf den Profit positiven Einfluss nimmt, denn ein Unternehmen funktioniert auf den wichtigen außerökonomischen Ebenen ohne Wirtschaftsethik nicht. Die Folge ist: Ethik und Profit bedingen einander. Eine gut funktionierende Ethik im Wirtschaftsraum ist ohne Profit nicht finanzierbar und Gewinnmaximierung ist ohne Ethik suboptimal.

Bitte nicht Birnen mit Äpfeln vergleichen
Um es deutlich zu sagen: es darf also nicht ein ökonomisch kompetent handelndes Unternehmen, das sich ethisch daneben benimmt, verglichen werden mit einem ethisch sauber handelnden Unternehmen, das ökonomisch inkompetent handelt. Dann wird das ethisch motiviert handelnde Unternehmen ökonomisch wahrscheinlich untergehen.
Der entscheidende Vergleich kann nur sein: von zwei ökonomisch kompetent handelnden Unternehmen verhält sich eines zusätzlich ethisch einwandfrei. Verhilft das ethisch motivierte Handeln zu mehr Erfolg? Die Antwort ist eindeutig ja, wie die weiteren Ausführungen noch beweisen werden.

Der Denkfehler, es gäbe Parallelwelten
Ein wichtiges Argument gegen Ethik in der Wirtschaft ist nicht selten der Hinweis, dass trotz der Beweisführung »Ethik zahlt sich aus« in der unternehmerischen Praxis Ethik offensichtlich sehr wenig Raum einnimmt. Nicht selten ist in diesem Zusammenhang dann von Parallelwelten die Rede. In einer solchen Parallelwelt sind die bösen Unternehmer erfolgreich und die guten Unternehmer misserfolgreich.

Das, was vor allem bei solcher Argumentation verwundert, sind die simplen Kausalketten, mit denen solche Argumentation unterlegt wird. Der Zusammenhang von Anbieten und Nachfragen ist in (fast) jedem Fall viel zu komplex, um auf simplen Kausalitäten begründet zu werden. Das gilt auch für (scheinbar) nur ökonomische Kausalitäten. Die Volatilität der Aktienkurse ist ökonomisch nicht zu erklären. Ich meine, es gibt (nicht nur) keinen geraden Pfad von der Ethik zum unternehmerischen Erfolg; es gibt überhaupt keinen geraden Pfad!

Die Bedeutung der Grenzmoral
Abgesehen davon, dass ich auch ab und zu durchaus Science-Fiction-Terminologie mag, die Parallelwelten, in denen die bösen Unternehmer gewinnen und die guten Unternehmer verlieren, gibt es so nicht. Was es gibt, ist eine Grenzmoral, die zwei Kurven kennt. Die Notwendigkeit, ethisch-motiviert zu handeln, um ökonomischen Erfolg zu optimieren, ergibt sich daraus. Die Grenzmoralkurve zeigt, dass ethisch motiviertes Handeln, das durchaus höheren Moralaufwand erfordern kann, einen Überschuss an Ertrag verursacht. Durch Vermeidung von unethischem Verhalten wird ökonomischer Schaden verhindert.

Wichtig ist die Einsicht, dass diese Moral nichts mit einer ethisch begründeten Verantwortung zu tun hat. Sie ist eine rein ökonomische Größe unter ethischen Gesichtspunkten. Bei der Feststellung der Grenzmoral kommen prinzipiell zwei Kurventypen in Betracht. Bei der einen Kurve entspricht einem zusätzlichen Moralaufwand ein nur unerheblicher Moralertrag. Andererseits ist ein Senken des Moralaufwandes ökonomisch sinnvoll, da der Moralertrag nur mäßig zurückgeht. Das scheint mir die Parallelwelt zu sein.

Durch die Imagebildung eines Unternehmens und durch die von Massenmedien gelenkte Veränderung der öffentlichen Meinung kann es dazu kommen, dass eine zweite Grenzmoralkurve entsteht. Unterschreitet ein Unternehmen diese Grenzmoralkurve, ist die Ertragseinbuße höher als die Minderung des Aufwandes. Überschreitet es die Grenzmoralkurve, ist der Zusatzertrag über den Moralaufwand erheblich.

Im Laufe der Zeit wurde für immer mehr Unternehmen die Grenzmoralkurve so weit nach rechts gedehnt, dass Grenzmoralüberlegungen von erheblicher ökonomischer Bedeutung für den Unternehmenserfolg sind. Die Grenzmoral hat zur Folge, dass bei Verstößen gegen das allgemeine Bewusstsein (exogene Moral) dieser Normenverstoß von außen geahndet wird. Diese Ahndung hat immer negative wirtschaftliche Auswirkungen auf das Unternehmen.

Ein sinnvolles Wertemanagementsystem nimmt diese Grenzmoralkurve wahr und richtet das Unternehmen jeweils neu darauf aus, um wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden.

Der Denkfehler, Panik und Angst steigern den Erfolg nachhaltig
Nicht selten wird argumentiert, mit genügend Druck wird zu Höchstleistungen motiviert. Wer Angst erzeugt, wird seine Mitarbeiter durch Drohung mit Arbeitsplatzverlust schon zur optimalen »Arbeitsplatzfreude« zwingen.

Fred Edward Fiedler (* 13. Juli 1922 Wien, Österreich) hat als einer der führenden Wissenschaftler aufgrund seiner Forschung zu menschlichen Charakterzügen und persönlichen Eigenschaften von Führungskräften und zu Führungsstilen, sowie diesbezüglichem Verhalten mit seinem Eventualitätsmodell (als »Leistungsbusen« bekannt geworden), eine Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolgs durch Panik und Angst vorgelegt. Seine Forschungen besagen im Wesentlichen, dass Leistung erst dann erbracht wird, wenn ein Mindestmaß an Unzufriedenheit vorliegt. Dabei genügt bereits die Furcht vor Verlust an Zufriedenheit, um eine gewisse Leistungsbereitschaft zu zeigen. Die Leistung bleibt lange Zeit auf einem Plateau, steigt weder an noch ab, obwohl die Unzufriedenheit zunimmt. Bei weiterer Zunahme der persönlichen Unzufriedenheit sinkt die Leistung erst ab, um anschließend bei Panik oder Existenzangst steil anzusteigen. Der Mensch aktiviert seine letzten Leistungsreserven. Danach fällt bei weiterer Zunahme der Unzufriedenheit die Leistung abrupt in sich zusammen. Der Mitarbeiter hat innerlich gekündigt und verweigert sich endgültig.

Nicht wenige Unternehmen versuchen nun die höchste Spitze der Leistungsbereitschaft bei ihren Mitarbeitern zu aktivieren. Es ist gern zugegeben, dass dies auch in nicht wenigen Fällen gelingt. Aber die große Frage ist, ob der Mitarbeiter auch auf der Spitze seiner Leistungsfähigkeit gehalten werden kann. Es ist etwa vergleichbar mit einem Tischtennisball, denn ich versuche auf einem Wasserstrahl tanzen zu lassen. Das Problem einer Führung durch Panik und Angstmache ist, dass die weitere Leistungssteigerung bei absoluter Unzufriedenheit zum plötzlichen und unberechenbaren völligen Zusammenbruch der betrieblichen Spitzenleistung durch überstarke Unzufriedenheit bzw. Angst oder Panik in der konkreten Arbeitssituation führt.

Im Ethikverband der Deutschen Wirtschaft e.V. sind meinen Kollegen und ich der Überzeugung, dass die Fiedler-Werte helfen, die schlechten Ergebnisse falscher Personalführung vieler Vorgesetzten zu verstehen. Die Beobachtung, dass eine Erhöhung der persönlichen Unzufriedenheit über weite Bereiche keinen messbaren Leistungsanstieg bewirkt, hat demnach zur Folge, dass die relative Zufriedenheit des Mitarbeiters immer weiter gesenkt wird und die ungerichtete Mehrbelastung ohne individuelle Berücksichtigung der ungenutzten Ressourcen beim Einzelnen nur zur Demotivation führt.

Es lohnt sich also doch, trotz vieler Gegenargumente, sich mit ethisch motiviertem Handeln in der Wirtschaft zu befassen. Die meisten dieser Gegenargumente vergleichen entweder Äpfel mit Birnen oder sind von der Idee beseelt: »Was schert mich Wissen, wenn ich doch schon eine Meinung habe.«  

 

Dieser Artikel ist auch auf politik-poker erschienen.