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Vogelgrippe und andere Katastrophen: Kopf in den Sand oder Risikomanagement?
Was tun im Fall von Katastrophen, wie etwa einer Vogelgrippe-Pandemie? Unternehmen sollten sich nicht alleine auf Notfallpläne verlassen, vielmehr gilt es, sich so aufstellen, dass jederzeit schnell und wirkungsvoll auf externe Veränderungen reagiert werden kann. Davon profitiert man dann auch in »normalen Zeiten«.

        


 
uf eine Katastrophe, wie sie etwa eine Vogelgrippe-Pandemie hervorrufen würde, sind nur wenige Unternehmen vorbereitet. Wenn es um die Auseinandersetzung mit derart extremen Krisenthemen geht, heißt in den meisten Unternehmen immer noch die Devise: Vogel-Strauß-Politik statt Notfallplanung.

Was würde aber passieren, wenn bis zu 50 Prozent der Mitarbeitenden aus Angst vor Ansteckung oder weil sie krank sind nicht zur Arbeit erscheinen? Wenn Kollegen, die im Ausland sind, nicht zurückkehren können, weil Grenzen kurzfristig geschlossen wurden? Wenn Zulieferer melden, dass just-in-time Lieferungen unmöglich sind? Und wenn erste Verteilungskämpfe um knappe Medikamente über die TV-Bildschirme flimmern?

Auf solche Situationen, die sich noch dazu rasend schnell entwickeln und verschärfen, sollten Unternehmen vorbereitet sein. Denn so unwahrscheinlich, wie viele denken mögen, ist es nicht, dass eine Vogelgrippe-Pandemie auftritt.

Lee Jong-Wook, Generaldirektor der World Health Organization (WHO), beschreibt den derzeitigen Stand der Pandemie-Diskussion so: »Es ist weniger eine Frage ob, sondern wann ein Vogelgrippevirus von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.« Bei einem H5N1-Vogelgrippe-Virus-Ausbruch wird heute weltweit von 30 bis 380 Millionen Toten ausgegangen. Seit Dezember 2003 ist der H5N1-Virus bereits in 14 Ländern aufgetreten. Bisher starben »nur« 150 Menschen, die meisten in Indonesien. Hier kam es auch zu ersten Mensch zu Mensch Übertragungen.

Die WHO koordiniert weltweit Maßnahmen zur Vogelgrippe. Sie geht von diesen Zeitfenstern aus: Pandemien treten drei- bis viermal im Jahrhundert auf und dauern jeweils zwölf bis 18 Monate. Nach dem ersten Auftreten einer Pandemie bleiben etwa 20 bis 30 Tage für massive lokale Gegenmaßnahmen (Quarantäne, Schließen der Grenzen usw.). Scheitern diese Gegenmaßnahmen, erobert der Virus die Welt in ein bis zwei Monaten. Ab Pandemieausbruch braucht ein Impfstoff bis zur Marktreife sechs Monate. Bis alles wieder halbwegs normal läuft, werden viele Unternehmen am Boden liegen, weil unter diesen Umständen der Geschäftsbetrieb stark gefährdet bis unmöglich ist.

Notfallpläne allein helfen wenig
Konzerne verfügen meist wenigstens über Risikomanagement-Teams und detaillierte Notfallpläne. KMU-Betriebe hingegen sind in der Regel völlig unzureichend auf den Worst Case, eine Pandemie, vorbereitet. Pläne zur Risikominderung in der Schublade zu haben, ist sicher gut. Doch mit Plänen allein ist es nicht getan. Schließlich sind die Herausforderungen unbekannt und sehr komplex.

Wichtig erscheint daher, vor allem die eigene unternehmerische Flexibilität zu erhöhen und zu sichern. Denn Flexibilität ist erforderlich, um sich jederzeit den schnell veränderten Rahmenbedingungen anpassen zu können. Etwa wenn in der Lieferkette ein oder sogar mehrere Glieder ausfallen. Wenn wichtige Führungskräfte krank sind und so längere Zeit keine Entscheidungen fallen. Dann gilt es, laufende Veränderungen in der Umgebung schnell und richtig einzuschätzen und Handlungsmuster zu entwickeln, die auf möglichst einfachen Prinzipien beruhen.

Jedes Unternehmen benötigt daher funktionierende informelle Netzwerke, im Idealfall weltweit. Von zentraler Bedeutung ist nämlich, dass Informations- und Kommunikationsprozesse intern wie extern ohne Störungen erfolgen (können). Nur dann gelingt es, Kollegen, die ausfallen, reibungslos zu ersetzen. Informelle Prozesse spielen auch deshalb eine zentrale Rolle, weil so Bedrohungen schneller erkannt, Aufgaben koordiniert, kreativ Lösungen entwickelt und umgesetzt werden können als im Rahmen offizieller Wege.

Wer im Fall eines Falles flexibel reagieren will, sollte die Abläufe regelmäßig üben. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Simulation geschehen. Was wäre, wenn Länder ihre Grenzen schließen würden? Wie kann das Unternehmen handlungsfähig bleiben, wenn das Gros der Mitarbeitenden nicht zur Arbeit erscheint?

Das wichtigste Übungsziel besteht darin, die Flexibilität des Unternehmens zu optimieren. Nur so lassen sich immer wieder neue Wege der Problemlösung finden. In einer tendenziell unberechenbaren, sich schnell verändernden Umgebung ist das der Erfolgsfaktor schlechthin. Erfahrungen kanadischer Unternehmen mit der Infektionskrankheit SARS zeigten dies sehr deutlich. Gut vorbereitete Krisen-Teams hatten deutlich mehr Freiraum für Wesentliches und konnten schneller handeln als von der Krise überraschte Betriebe.

Gefahrenabwehr durch Vernetzung
Informelle Netzwerke sollten externe Kontakte, auch zu anderen Unternehmen, einbeziehen – und quasi eine Art Open-Source-Modell der Krisenbewältigung bilden. Kooperatives Handeln ist nachweislich bereits in »normalen« Zeiten von Vorteil. Für Krisen gilt dies umso mehr. Denn gemeinsam entwickelte Möglichkeiten der Krisenbewältigung sind allemal tauglicher als hausgemachte Lösungen. Wer aus Krisen die viel beschworenen Chancen machen will, sollte firmenübergreifend denken und handeln. Zum Wohle aller Beteiligten.

Chefs, die erkennen, wie wichtig es ist, ihr Unternehmen vor künftigen Gefahren und Unsicherheiten zu schützen, sollten schnell handeln, die Belegschaft informieren und den Immunisierungsprozess in Gang setzen. Organisationen, die intern wie extern gut vernetzt sind, haben bessere Chancen, Risiken zu trotzen als klassisch hierarchisch geprägte. Denn sie sind in der Lage, sich in Krisen schnell, flexibel und wirksam neuen Bedingungen anzupassen.

Firmen, die ihre Anpassungsfähigkeit optimieren, profitieren allerdings nicht nur im Krisenfall. Das sollte die Bereitschaft, sich mit der Thematik auseinander zu setzen, deutlich steigern. Denn auch das normale Tagesgeschäft weist Komplexität und Ungewissheit auf. Wer sich gegen eine Pandemie wappnet, verbessert gleichzeitig seine Marktflexibilität und damit die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Und das sind Aspekte, die jeden überzeugen sollten.

Checkliste: Unternehmen wappnen für den Supergau
:: Gehen Sie vom Worst-Case-Szenario aus: Erarbeiten Sie, was unbedingt für den Fortbestand der Firma zu tun ist. Prüfen Sie, was passiert, wenn Zulieferer nicht mehr liefern, Mitarbeitende ausfallen usw.
:: Prüfen Sie, wer und was unbedingt gebraucht wird. Wie viele Menschen sind nötig, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten? Wer kann wen vertreten? Identifizieren Sie informelle Führer auf allen Hierarchie-Ebenen. Regeln Sie die Entscheidungskompetenzen für den Notfall.
:: Kaufen Sie rechtzeitig Materialien ein, die im Krisenfall knapp und teuer werden – Gummihandschuhe, Masken, Schutzkleidung, ggf. Lebensmittel und Wasser etc.
:: Planen Sie die Kommunikation im Krisenfall. Wer spricht für die Firma? Wie werden Mitarbeitende und Medien erreicht? Wer sind Ansprechpartner bei Behörden, Hilfsdiensten usw. für den Notfall?
:: Halten Sie Wichtiges nicht zurück. Informieren Sie Mitarbeitende über Hintergrund und Praxis im Pandemiefall. Geben Sie Informationen sofort an Betroffene weiter, sonst wachsen Ängste und Gerüchte.
:: Bleiben Sie bei den Fakten. Bevor Sie Aussagen machen, prüfen Sie, ob sie Fakt oder Annahme sind.
:: Befähigen Sie funktions- und hierarchieübergreifend. Fallen Management und Stellvertreter aus, weiß man so noch, wie es trotzdem geht.
:: Sorgen Sie für Ihre Mannschaft. Geben Sie Empfehlungen zur Hygiene am Arbeitsplatz und begründen sie diese. Infekt-Erkrankte müssen zuhause bleiben, um Ansteckung zu reduzieren.
:: Prüfen Sie: Führen mehr Schichten mit weniger Menschen zu geringerer Ansteckungsgefahr?
:: Untersuchen Sie, wie die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden zu checken ist: thermischer Scan? Digitalthermometer? Regeln Sie, wie Putzdienste zu schützen sind und Ansteckungsgefahren reduziert werden können.
:: Schaffen Sie (den Rahmen für) Heimarbeitsplätze. Identifizieren Sie Mitarbeitende, die von zuhause aus arbeiten können. Haben sie Intranetzugang? Wie kann sich das Unternehmen vor unberechtigtem Zugang schützen? Ist der Server in der Lage, weiterzuarbeiten, wenn viele online sind?
:: Binden Sie – so vorhanden – Personalentwicklung, Juristen und Risk Management ein. Prüfen Sie Personal-, Rechts- und Risk Management-Konsequenzen beim Auslagern von Bereichen. Kümmern Sie sich um Ersatz: Rentner, Mitarbeitende aus Branchen, die Nachfrageeinbruch haben, Gesundete (sie sind jetzt immun) usw.
:: Übermitteln Sie regelmäßig neue Informationen. Krisenmanagement-Teams treffen sich regelmäßig, um Ist-Zustände zu checken und danach Updates zu kommunizieren. Bei Pandemieausbruch ist es dafür zu spät.
:: Nehmen Sie das Projekt ernst. Führen Sie Drills und Simulationen durch, um Pläne und Annahmen zu testen.
:: Nutzen Sie die Chancen, die die Krise bietet. Bereiten Sie sich auf den Krisenfall vor, um Ihrem Unternehmen zu helfen.