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Im Auge des Medien-Hurrikans:
Neue Anforderungen an Marken-Websites
Das Medienverhalten der Verbraucher hat sich gravierend verändert: Sie nutzen das Internet zunehmend als Medium der Entschleunigung im »Information Overflow«. Paradoxerweise wird das schnellste Medium zu einem zentralen Ruhepol in einem Medienalltag, den immer mehr Verbraucher als stressreich empfinden.

        


 
roduktrecherchen gehören zu den häufigsten Anlässen der Internet-Nutzung. Im Internet suchen die Verbraucher wieder eine intensive Auseinandersetzung mit Marken im Zusammenhang mit Alltagsfragen. Drei Motive stehen dabei im Mittelpunkt: Die selbstbestimmte Orientierung in einer überbordenden Produkt-, Marken- und Medienwelt, die persönliche Überprüfung von Markenbotschaften und -werten sowie die Stärkung der Autonomie als »mündiger Verbraucher«.

Dieser Bedeutungswandel bringt neue Anforderungen, aber auch neue Möglichkeiten für die Markenkommunikation mit sich: Die Marketing-Kommunikation muss lernen, dass heute nicht die Verstärkung der Push-Kommunikation zur Kundenbindung führt, sondern vor allem die zielgruppen-affine Gestaltung von Websites im Pull-Medium Internet. Aktuelle Verbraucher-Studien zu Marken-Portalen im Internet beweisen, dass diese Lektion erst von einer Minderheit der Marken-Hersteller erkannt – und genutzt wird: Die Internet-Nutzung hat zur Entwicklung neuer Markenwerte geführt und eröffnet neue Chancen der Marken-Positionierung in kompetitiven Märkten.

Ausgangslage: Der Sturm
Vorbei die Zeiten, als die Welt – auch in der Marketing-Kommunikation – noch einfach und überschaubar war. Die Anzahl der Werbemedien war genauso übersichtlich wie die Produkt- und Markenwelt und die meisten Zielgruppen waren in ihren Gewohnheiten und ihrem Medienverhalten kalkulierbar. Fernsehen zum Beispiel, da war vor wenigen Jahren noch ein mächtiges Lagerfeuer, um das sich allabendlich der nationale Clan versammelte, um gespannt den Geschichten vom HB-Männchen und Francis Durbridge zu lauschen: 90 Prozent Einschaltquote beim »Halstuch« – das klingt heute wie eine besonders schlechte Räuberpistole.

Vorbei, vorbei: Heute zieht ein Sturm übers Land und aus dem einstigen Lagerfeuer sind Millionen Teelichter geworden. Die Anzahl der Produkte, Marken und Medien explodiert, Line-Extender und »Produktinnovationen« weht es bergeweise wie Herbstlaub durcheinander und Zielgruppen mutieren zu amöbenhaften Konstrukten wechselhafter Anspruchshaltungen. Kaum noch etwas (Marken-Ikonen wie Tempo-Taschentücher oder Nivea einmal ausgenommen) scheint noch übergreifend Bestand – und damit Gültigkeit und Wert – zu haben.

Der Sturm produziert zudem einen immer größeren Lärm: Von Toilettenwand und PoS bis zu Mammut-Postern vor Kirchen-Fassaden und zur Tankstellen-Zapfpistole, vom Direkt- über den Struktur- bis zum Eventvertrieb, von Preisausschreiben und Billig-Aktionen, vom Spam bis zur Produkt- und Markenwebsite: Kaum eine Fläche, kaum ein Medium, kaum eine technische Möglichkeit, die aus Kundensicht nicht tagtäglich lautstarken Krawall veranstaltet nach dem Motto: »Kauf mich, ich bin toll!«

Die Verbraucher: Shelter from the storm
Und die einzelnen Verbraucher, wie begegnen sie dem Sturm? Aktuelle Studien zeigen, dass sie die Kakophonie zunehmend als Überforderung erleben. Sie verlieren die Übersicht in der überbordenden Fülle. Sie begegnen der Werbeflut und ihren Aussagen zunehmend mit Misstrauen. Die Wahrnehmungsschwelle steigt rapide an. Je stärker die klassische Produkt-Kommunikation die Lautstärke ihrer Botschaften und den Werbedruck erhöht, um so mehr greift zunehmend Reaktanz um sich. Das diffuse Gefühl wächst, als Objekt der (Marketing-) Begierde nicht mehr Herr im eigenen Hause zu sein: »Da kaufe ich mir für 1,60 Euro die Süddeutsche und bevor ich anfangen kann zu lesen, muss ich erst einmal den ganzen Werbemüll entsorgen«.

Die Verbraucher tun in dieser Situation das, was man eben tut, wenn die Krise bzw. der Sturm kommt: Man vernagelt die Fenster und bemüht sich um relevante Informationen, die für einen wirklich Bedeutung haben und Orientierung geben. Das gilt nicht nur für die »großen und wichtigen Dinge« des Konsumenten-Alltags wie der Kauf von Autos, sondern auch für die »simplen Dinge«, die das Leben bequem und einfach machen.

Verbraucher-Alltag: Orientierung im Überfluss
Um die Bedeutung dieser Veränderung richtig bewerten zu können, ist ein Blick auf eine grundlegende Paradoxie des Verbraucher-Alltags erforderlich: Die zunehmende Reaktanz der Verbraucher aus Überforderung vor dem medialen Overkill äußert sich nicht in einer generellen Verweigerungshaltung und axiomatischen Ablehnung gegenüber Medienangeboten (die in der Regel voller Werbung sind), sondern in einer neuen, übergreifenden Suchbewegung der Komplexitäts-Reduktion: Je mehr die mediale Entropie zunimmt, desto mehr steigt das Bedürfnis nach eindeutiger Orientierung und Bestätigung in der Alltagswelt, je mehr das Gefühl des eigenen Objekt-Charakters um sich greift, um so mehr wächst der Wunsch nach Stärkung der eigenen Autonomie.

Antworten auf diese Herausforderungen suchen die Verbraucher in ihrem Alltag vor allem (wieder) bei Marken: Sie geben Halt und Orientierung. Sie stärken die eigene Autonomie. Sie helfen, den Alltag beherrschbar zu halten. Verbraucher erwarten von Marken Kommunikationsangebote, die sie bei ihren Bedürfnissen »abholen«. Diese Angebote müssen in ihrer Tonalität und Inszenierung jedoch anders sein, als sie heute im Medien- und Werbealltag vorherrschend sind.

Community und Lebenstauglichkeit statt Hedonismus
Die neue mediale Vielfalt hat dem Verbraucher ungeheure Möglichkeiten und Freiräume eröffnet. Er nutzt sie vor allem, um in der Informationsflut seine Autonomie zu stärken. Er hat gelernt, virtuos die verschiedenen Medien für dieses Ziel zu nutzen. Dieses ist nicht nur eine Folge der technischen Entwicklung, sondern eine Frage des Wertewandels, den wir seit einiger Zeit beobachten können: Die hedonistische Dauer-Party der 80er und 90er Jahre ist vorbei. Der Sturm der Globalisierung macht frösteln, die Suche nach Orientierung, Gemeinschaft und verlässlichen Lebensgrundlagen hat Konjunktur.

Der Verbraucher will dabei nicht einfach mehr sachliche Information, sondern vor allem Antworten auf seine Alltagsfragen. Er will auch Emotionen, den Lifestyle aber genauer kennen lernen, bevor er etwas glaubt – und kauft. Der moderne Bürger ist skeptisch gegenüber den Segnungen der Zukunft. Er lässt sich zwar gern weiter umwerben und auch überzeugen, doch seine Anforderungen an die Kommunikationsangebote der Marken haben sich dramatisch verändert.

Internet: Entschleunigung im »Auge des Hurrikans«
Eine Schlüsselposition in der veränderten Mediennutzung hat das Internet. Nicht mehr das assoziative Surfen dominiert dabei den Online-Alltag, sondern die gezielte und routinierte Suche nach relevanten Informationen. So paradox es klingt: Das Medium der überbordenden Informationsanarchie ist im Medienalltag der Menschen zu einem Ruhepol geworden, zum »Auge des Hurrikans«.

Der Computer mit Internet-Anschluss wird zum neuen Alltags-Zentrum, in dem alle Fäden – von privaten Kontakten über die Musiksammlung bis zur Vereinstätigkeit und »Community Building« – zusammenlaufen. Ein universales Cockpit, in dem die Verbraucher ihre Alltagsbelange steuern und regeln. Produktrecherchen gehören dabei zu den häufigsten Anlässen der Mediennutzung – und entsprechende, emotional und sachlich vertiefende Informationsangebote werden als selbstverständlich vorausgesetzt. Fehlen diese, ist die Enttäuschung groß und eine Marke verliert schlagartig an Reputation. Dieser Sachverhalt gilt nicht nur für Finanzdienstleistungen, Investitionsgüter, für die IT- und IK-Welt, sondern zunehmend auch für vermeintliche »Low-Interest-Produkte« wie Fast Moving Consumer Goods.

Das Internet erzeugt einen neuen Markenwert
Die Produkt- und Markenrecherche im Netz bestätigt dem Verbraucher das attraktive Selbstbild eines »mündigen Konsumenten«. Selbst zu bestimmen, selbst Regie zu führen und sich von vorgefertigten Medienformaten zu emanzipieren ist heute das zentrale Nutzungsversprechen des Internet. War es vor einigen Jahren noch aufwändig, sich durch Testhefte eine zweite Meinung einzuholen, können heute im Internet schnell und unkompliziert Informationen aus allen möglichen Quellen zusammengeführt werden – sei es aus Userforen und Warenschutz-Websites oder eben von Markenportalen selbst. Diese »Konzertierung der Quellen«, die dem Verbraucher nur das Internet bietet, stärkt seine Autonomie. Er erwartet dabei nicht nur sachliche Produktinformationen, sondern Antworten auf Alltagsfragen und Lösungen für seine Alltagsprobleme.

Aus seiner Erfahrung der Überforderung mit der überbordenden Waren- und Kommunikationswelt hat der Verbraucher durch die Möglichkeiten des Internets einen neuen Wert kreiert, der zunehmend an Bedeutung gewinnt: Nimmt mich die Marke als »mündigen Verbraucher« ernst, stärkt und unterstützt sie meine Autonomie und Lebenstauglichkeit? Antworten werden vor allem auf der Website erwartet.

Werbung online ist nicht gleich Werbung
Diese Entwicklung macht Werbung nicht überflüssig: Werbung ist durchaus erwünscht – wenn sie nicht nur einfach in der üblichen Weise »plärrt und stört«. Der moderne Verbraucher sieht in der Werbung nicht mehr den »geheimen Verführer«. Er will Werbung nicht mehr passiv erleben, sondern aktiv erfahren und sich selbst ein Bild machen – durch das Internet.

Vor diesem Hintergrund darf sich Online-Kommunikation nicht auf die herkömmlichen Formen von »Unterbrecher-Werbung« wie Banner, Pop-Ups oder aber die unvermeidlichen werblichen Online-Broschüren konzentrieren, die heute noch den Webauftritt vieler Marken bestimmen: Der Verbraucher sucht in Online-Portalen plausibel inszenierte und wirksam erzählte Markenwelten. Qualitäten, die weit über die gewohnten Werbauftritte hinausgehen und die den einzigartigen Möglichkeiten des Internet entsprechen. Kunden erwarten komplette Themenlandschaften, redaktionelle Inhalte und Beratungsangebote von »ihren« Marken.

Fallstudie: Fast Moving Consumer Goods
Online-Angebote gelten heute für alle Marken als selbstverständlich und unverzichtbar. Während die Bedeutung von Marken-Portalen bei technischen Produkten, Reisen, Büchern, Investitionsgütern, Finanzdienstleistern und anderen erklärungsintensiven Produkten längst unbestritten ist, war die Relevanz des Online-Marketings für Fast Moving Consumer Goods bei Verbrauchern noch unklar: Vor allem die Fragen, weshalb Verbraucher Marken-Portale im Netz suchen, was sie dort erwarten und vor allem welche Wirkung Markenportale auf konkrete Kaufentscheidungen haben, konnten bislang nicht beantwortet werden.

Eine qualitative Verbraucher-Studie des Forschungsinstituts A&B Framework analysierte 2006 erstmals Marken-Portale von schnelldrehenden Konsumgütern auf ihre Bedeutung bei Verbrauchern: Im Verlauf von 40 psychologischen Tiefeninterviews wurden dabei insgesamt 64 Markenportale exploriert.

Der Schnelldreher-Markt aus Verbraucher-Sicht
Aus Sicht der Verbraucher ist die Überforderung in keinem Markt so evident wie bei schnelldrehenden Konsumgütern – sie ist geradezu krisenhaft: Konfrontiert mit bis zu 10 000 Produkten im Lebensmittel-Einzelhandel, einer zunehmenden Fülle von Line-Extendern und neuen Marken hat er längst die Übersicht über den Markt verloren. Er fühlt sich nicht mehr umworben, sondern gerät in einen Konsum- und Kommunikations-Stress.

Werbung wird oft als Störung empfunden und weggeblendet. Die Folge: Attraktive Botschaften kommen in der Werbeflut kaum noch zur Geltung. Durch die unübersichtliche Produktvielfalt am PoS fühlt sich der Verbraucher geradezu erschlagen und weicht zunehmend in die Übersichtlichkeit großer Discounter mit ihren begrenzten Marken-Portfolios und Handelsmarken aus, die mittlerweile rund 40 Prozent der Gesamt-Umsatzes bei Fast Moving Consumer Goods erzielen. Schnelldrehende Marken verlieren so zunehmend an Kontur und Orientierungsfunktion im Alltag der Verbraucher, dabei sind und bleiben sie durchaus attraktiv – durch das »zu viel« an Produkt- und Markenvielfalt und Information Overflow verlieren sie jedoch dramatisch an Bindungskraft.

Vor dem Hintergrund dieser krisenhaften Entwicklung nutzt der Verbraucher seine neu entwickelten Fertigkeiten im Umgang mit dem Internet auch für die Auseinandersetzung mit »Schnelldrehern« des alltäglichen Bedarfs, um sich seine Autonomie und Selbstbestimmtheit zurück zu holen, die er im Gewitter von Medien und Werbung verloren hat.

Was Verbraucher auf Marken-Portalen suchen
Die Schlüsselfragen zur Akzeptanz von Online-Angeboten bei Verbrauchern (und bei den Verantwortlichen für Marketing-Kommunikation): Weshalb kommen Verbraucher auf Marken-Portale im Internet? Was suchen sie dort? Wie können sie zu einem Besuch von Marken-Websites animiert werden?

Die Antwort der Studie ist eindeutig: Verbraucher haben Interesse an »Fast Movern« im Netz, wenn Marken auf ihre alltäglichen Erwartungen und Fragen im Zusammenhang mit Produktverwendung und Markenversprechen direkt und konkret eingehen.

Sechs Zugangsmotive bewegen Verbraucher zum Besuch von »Schnelldrehern« im Internet:

:: Marken-Goodies: Verbraucher erwarten von »ihrer« Marke kleine Aufmerksamkeiten und die Möglichkeit, direkt mit ihr in Kontakt zu treten. Gewinnspiele oder Rabatte wecken Interesse für das Markenportal. Wirksam im Sinne der »Markenbindung« werden diese jedoch nur, wenn sie die Nähe zum Markenkern aufweisen: Nicht der monetäre Wert eines Preises entscheidet hierbei die Bindung an die Marke, sondern die Affinität des Preises zu den konkreten Leistungen und implizierten Versprechungen einer Marke.

:: Marken-Impact: Wenn Kommunikation nachhaltig beeindruckt, wollen Verbraucher die bewegenden Momente online vertiefen und auf ihre Alltagsrelevanz hin überprüfen. Das Markenportal sollte Werbung allerdings nicht nur abbilden, sondern den Besucher durch weiterführende Angebote zu eigenem Handeln aktivieren.

:: Marken-Spielplatz: Verbraucher wollen sich online auch unterhalten (lassen), dabei aber nicht in Spielhöllen versumpfen. Marken versprechen eine kultivierte Unterhaltung im Netz. Der »Spielplatz« muss aber markenspezifisch gestaltet werden, damit er nicht nur Traffic erzeugt, sondern auch auf die Marketingziele einzahlt.

:: Marken-Beratung: Marken sind zentrale Instanzen für die Bewältigung von Alltagsnöten – auch bei Produkten des alltäglichen Bedarfs. Verbraucher suchen online nach Antworten auf ihre Alltagsfragen. Marken müssen die Alltagsprobleme aufgreifen und sich in diesem thematischen Umfeld platzieren.

:: Marken-Prinzip: Auf ihrer Suche nach Orientierung im Alltag erwarten Verbraucher attraktive Kultivierungsformen und Lebensbilder. Gerade im Netz können sich Marken in Gänze überschaubar machen – mit ihrem übergreifenden Markenprinzip und ihren Produkten.

:: Marken-Innovation: Wenn ein neues Produkt Neugier weckt, wird es online auf seine Alltagstauglichkeit hin überprüft. Das Markenportal muss dann mehr leisten, als den Packungstext zu wiederholen und durch Informationstiefe überraschen. Ungewohnte, aber markenspezifisch schlüssige Inhalte verstärken die Neugier.

Konsequenzen der Studie für erfolgreiche Online-Strategien
Die Analyse der Zugangsmotive zeigt, dass Angebote von schnelldrehenden Markenprodukten im Pull-Medium Internet grundsätzlich hohe Kontaktqualitäten aufweisen.

Vor allem hinsichtlich der Kommunikationsziele »Marken-Akzeptanz« und »Kundenbindung« können Online-Kommunikationsangebote Defizite ausgleichen, die durch den Überfluss an werblicher Kommunikation entstanden sind. Der Verbraucher fühlt sich durch den Web-Auftritt nicht belästigt, sondern befasst sich aus freien Stücken mit der Marke, die sich zudem in ihren verschiedenen Facetten erlebbar präsentieren kann. Da die Beschäftigung nicht nur auf der rein werblichen Ebene verharrt, sondern auch die persönlichen Alltagsfragen der Verbraucher umfasst, wird die Bindung zur Marke vertieft.

Worst Case – Best Case
Die Exploration der 64 Online-Portale im Verlauf der Studie erbrachte zum Teil desaströse Ergebnisse: Durch ihre persönlichen Erfahrungen bei der Online-Produktrecherche haben die Verbraucher inzwischen klare Vorstellungen, welche redaktionellen und gestalterischen Standards sie erwarten. Ein Großteil der getesteten Markenportale genügt diesen Anforderungen nicht, da sich die üblichen Werbeauftritte einfach im Netz wiederholen.

Eine Minderheit der Markenhersteller aber hat die Zeichen der Zeit erkannt und nutzt die Möglichkeiten, die spezifisches Online-Marketing bietet. Als positive Verbraucher-Benchmarks seien exemplarisch zwei Beispiele hervorgehoben: Das Markenportal UHU wartet neben der Darstellung der Produktpalette mit einem umfassenden, interaktiven »Klebeberater« auf – und damit mit einer relevanten Empfehlung für die konkrete Bewältigung von Alltagsnöten. Positioniert sich UHU damit als unverzichtbarer »Little Helper«, geht der Kosmetik-Hersteller Dove mit dem gleichen Ansatz einen anderen Weg: Das Online-Portal thematisiert mit der »Initiative für wahre Schönheit« die für Verbraucherinnen zentralen Fragen des Selbstwertes und der Persönlichkeit – unter Verzicht auf die Darstellung der üblichen Beauty-Standards, die für Kosmetik-Werbung kennzeichnend ist. Die Alltags-Nöte vieler Frauen werden hier plausibel und glaubwürdig thematisiert – mit einem neuen und attraktiven Blickwinkel (auch und vor allem auf die Dove-Produkte).

Leitlinien zur Generierung von »Brand Visits«
Grundsätzlich sind drei Leitlinien zu berücksichtigen, um »Brand Visits« auf einem Markenportal sowie Kontaktqualität und Kundenbindung in der Online Kommunikation zu generieren:

:: Offline braucht Online
Online-Portale müssen vernetzt werden. Klassische Markenaktivitäten wie Gewinnspiele, Rabatte, Hinweise auf Verpackungen oder crossmediale Kampagnen können erfolgreich Brand Visits bewerben – viele Verbraucher suchen von sich aus schnelldrehende Marken im Internet auf, um Alltagsfragen zu klären und sich zu orientieren. Um diese Verbraucher-Aktivitäten anzubahnen, müssen Marken identifizieren, in welchen Alltagszusammenhängen sie relevant sind und sich in diesem Kontext mit allen Online- und Offline-Aktivitäten vernetzen – nicht nur auf ihrem Portal, sondern auch in Suchmaschinen und Partnersites.

:: Matching von Alltag und Marke
Passives Marken-Erleben und aktives Alltagsverhalten muss verbunden werden. Eine stimmige Nutzer-Führung und Portal-Dramaturgie ist entscheidend für die Attraktivität der Marke: Die Zugangsmotive der Verbraucher müssen durch das Markenportal nicht nur bedient, sondern weitergeführt werden. Das Markenerleben (z.B. Gewinnspiele, Werbung, Spiele) muss in Bezug zum Alltagsverhalten (z.B. Beratung und Orientierung) treten – und umgekehrt. Viele Online-Portale verspielen hier die Chance, bei Verbrauchern Markenbindung zu erzeugen.

:: Den Mainstream überwinden
Marken müssen ihre Positionierungen jenseits des Mainstreams durch Profilierung anspitzen. Für die verschiedenen Produktfelder im Bereich der schnelldrehenden Konsumgüter gibt es zwar branchenspezifische Wirkungsschwerpunkte, aber keine Patentrezepte. Die erfolgreiche Positionierung berücksichtigt nicht nur die Regeln, sondern auch die attraktive Ausnahme von der Regel, die sich jedoch am jeweiligen Markenkern orientieren muss.

Resumeé: Die Herausforderung heißt »Brand Campaigning« im Internet (und anderswo)
Der Verbraucher hat – von der zahlengläubigen klassischen Medienforschung nahezu unbemerkt – neue Möglichkeiten gefunden, um mit dem Überfluss an Warenangeboten und medial vermittelter Werbung im Alltag umzugehen. Aus einer ursprünglichen Überforderung und Abwehrhaltung hat er positive Strategien entwickelt, um den für ihn zentralen Wert der informellen Selbstbestimmung durch die Möglichkeiten des Internets zu stärken.

Vor diesem Hintergrund ist das Beharrungsvermögen eines Großteils der klassischen Marktkommunikation auf althergebrachte, aber inzwischen immer eingeschränkter wirksame Werbe-Strategien erstaunlich: Werbung ist wichtig und unverzichtbar, wenn es um Bekanntheit und Marktdurchdringung geht – aber die glaubwürdige, effiziente und nachhaltige Inszenierung von Marken ist durch den zunehmend »verstopften Flaschenhals« Werbung immer schwerer möglich.

Alltagsrelevanz und Markeninszenierung sind dort am besten aufgehoben, wo sie den Raum und die Aufmerksamkeit haben, entsprechende Angebote entfalten zu können. Dieses gilt für die Möglichkeiten des Internets, aber auch für die öffentliche Inszenierung von Marken außerhalb der Werbung – im öffentlichen Raum. Die entscheidende Frage: Durch welches Medium, durch welche inszenatorische Möglichkeit lassen sich die verschiedenen Kommunikationsziele (Bekanntheit, Markentreue etc.) am besten und wirkungsvollsten erreichen, lässt sich nicht mehr mit der wohlfeilen Generalantwort »Werbung« beantworten.

Der Verbraucher ist (nicht zuletzt durch die Möglichkeiten des Internet) anspruchvoll und erwartet inzwischen differenzierte Antworten. Das Geschäft der Marketing-Kommunikation ist schwieriger geworden und die Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft kann nur das »Brand Campaigning« sein, die differenzierte, zielgruppenspezifische Inszenierung von Markenwelten außerhalb der klassischen Werbung und des PoS. In einer immer unübersichtlich werdenden Welt werden Marken als »Leitplanken der Alltagsbewältigung« für die Verbraucher wieder bedeutsam. Von einem »Vademecum« erwartet man, dass es auch im Alltag – und nicht nur in der isolierten Hochtöner-Enklave »Werbung« – in Erscheinung tritt. Gut gemachtes Online-Marketing ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung. UHU und Dove zeigen, was möglich ist. Ansonsten gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.