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Vom Tellerwäscher zum Millionär – ein Mythos?
Ausgerüstet mit guter Ausbildung, Fleiß und Durchhaltevermögen steht dem sozialen Aufstieg nichts mehr im Wege – so geht der Mythos. Die Realität zeigt jedoch ein anderes Bild. Tatsächlich leben wir in einer Klassengesellschaft. Weniger die fehlende Kompetenz lässt viele Menschen gegen gläserne Decken stoßen, als vielmehr der nicht vorhandene Stallgeruch.

        


 
er Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker berichtete in einem Vortrag1, dass er schon als Bub in den Himmel geschaut habe und einerseits gewusst habe, dass Gott dort wohnt, andererseits aber das Weltall als physikalisches Phänomen zu verstehen ist. Er hat ein Leben lang daran gearbeitet, diese Grundüberzeugungen miteinander zu verbinden und wissenschaftlich zu untermauern und hat mit einem beeindruckenden Entwurf, in dem er physikalische und geisteswissenschaftliche Weltbilder in einen Rahmen bringt, Geltung erlangt2.

Wäre diese Geschichte bei Hans Maier, einem Kind aus einem Kleinhandwerkermilieu auch so weitergegangen? Bei den Weizsäckers kam öfter Werner von Heisenberg vorbei und Carl Friedrich konnte ab seinen Teenager-Jahren in vertraulichem Austausch mit ihm seine Ideen entwickeln.

Bei Hans Maier wäre Werner von Heisenberg wohl nicht vorbeikommen, vielleicht eher der Dachdeckermeister Gerhard Müller oder der Naturkundelehrer Franz Grün. So wäre aus Hans Maier bei gleichen kindlichen Visionen vielleicht ein Aktivist im Vogelschutzbund geworden.

Ausgehend von diesen Bildern soll hier die Bedeutung von Milieu für das Verständnis eigener beruflicher Erfahrungen und für die Begegnung mit Menschen in Organisationen beleuchtet werden. Das Thema Milieu spielt zwar schon lange eine Rolle in soziologischen Betrachtungen, doch kaum in der konkreten Beziehungsgestaltung zwischen Individuen und den damit verbundenen inneren Vorgängen der Beteiligten.

Milieu, Anlagen und Kompetenzen
Man könnte sich fragen, ob man in der oben skizzierten Geschichte nicht hätte die Menschen Hans und Carl Friedrich austauschen können. Wären dann die gleichen Lebenswege nur eben mit anderen Darstellern möglich gewesen? Oder hätte dies wegen der unterschiedlichen genetischen Ausstattung dieser keine Chance? Wir wollen die alte Anlage-Umwelt-Diskussion hier nicht neu aufrufen. Sie ist durch die neueren wissenschaftlichen Verständnisse z.B. von Gehirnentwicklung ohnehin noch schwieriger geworden.

Es spricht vieles dafür, dass eben auch körperliche Entwicklungen von Anfang an durch Erlebnisse mitbedingt werden. Milieu-Prägung findet vermutlich in einem nicht erwarteten Maße schon im Mutterleib statt, z.B. über die Stresshormon-Lagen der Mutter, die als Orientierungswerte für die Eigenregulation übernommen werden. Wenn sich solche »frühen Prägungen« immer mehr bestätigen, können Anlage- und Umweltfaktoren immer weniger voneinander unterschieden werden.

Entsprechend müssen wir von Anfang an von einer erfahrungs- und nutzungsbedingten Gehirnentwicklung ausgehen3. Die »Gen-Ausstattung« Hans bekäme von der Zeugung an die Milieuprägung der Weizsäckers. Anlage- und Umweltfaktoren sind kaum mehr zu trennen.

Vielleicht sollten wir am anderen Ende anfangen und uns fragen, welche Rolle Milieu bei vergleichbarer Kompetenz spielt?

Eine Formel für Professionelle Kompetenz könnte folgendermaßen lauten4:
Professionelle Kompetenz ist gleich Rollenkompetenz mal Kontextkompetenz mal Passung

In der so genannten Theatermetapher5 gesprochen hat Kompetenz damit zu tun, welches Rollenrepertoire man kennt bzw. beherrscht (Rollenkompetenz) und damit, ob man sich in Themen, Inszenierungen und Bühnen auskennt, in denen diese Rollen zu spielen sind (Kontextkompetenz). Darüber hinaus kommt es darauf an, dass die eigene Art, sich in seinen Repertoires auszudrücken und zu bewegen, zu den Anforderungen und Stilen der jeweiligen Umgebungen passt (Passung). Es geht z.B. um Passung des Professionellen zum Unternehmensstil und zur Organisationskultur bzw. dem dort vorherrschenden Führungsstil. Oder es geht auch um die Passung zu bestimmten Märkten oder beruflichen Vereinigungen etc.

Gelebte Kompetenz hat auch mit Kraftfeldern zu tun, die man aufbauen und andere in sie einbeziehen kann bzw. an die man sich ankoppeln und sich von anderen einbeziehen lassen kann. Zwar ist Milieu eine bedeutsame Perspektive der Passung. Doch zuvor hat Milieu auch schon mit Rollen- bzw. Kontext-Kompetenz zu tun. Ob man gelernt hat, die Milieu-Logik der Rollen und der Inszenierungen zu verstehen und zu bedienen, ist auch schon ein schwer abtrennbarer Aspekt der professionellen Kompetenzen. Bei Kompetenz geht es darum, ob man es bei Bedarf kann. Bei Passung darum, ob man dabei zu sich selbst finden kann und von anderen als zugehörig erlebt wird.

Passungsprobleme und Lösungsrichtungen
Wenn Menschen sich begegnen, treffen durch sie Milieus aufeinander. Bei Milieu-Passung geht es darum, ob die sich begegnenden Milieus, bei Persönlichkeits-Passung ob die Persönlichkeiten zueinander passen. Hierbei ist schwer zu unterscheiden, was als Milieu-Faktoren und was als andere Persönlichkeitsfaktoren einzustufen ist.

Wie sonstige Begegnungs-Faktoren werden Milieufaktoren zum Teil bewusst, zum größeren Teil intuitiv aneinander wahrgenommen. Man koppelt sich im Guten wie im Schlechten intuitiv aneinander an. Und man hat über diesen Vorgang genauso viel oder wenig Bewusstheit wie über Grammatik beim Sprechen. Erst wenn die Kopplung Schwierigkeiten bereitet, wird Passung zu einem Thema. Wenn Passung nicht stimmt oder mit der Zeit verloren geht, kann dies allerdings oft nur begrenzt und mit hohem Aufwand bzw. zu überhöhten Kosten kompensiert werden.

Daher ist verständlich, dass bei Passungsproblemen die Antwort oft eher in New- oder Right-Placement, wie das neuerdings heißt, gesucht wird als in Zusatzqualifikationen. Es ist oft leichter, das zu einer wie auch immer gewachsenen Eigenart eines Menschen passende Milieu zu finden, als ihn auf ein gegebenes Milieu zu trimmen. Dies erfordert jedoch eine Neuorientierung der damit befassten Berufsstände. Allerdings sollte dabei das Aushalten und Durchleben von Passungsproblemen als Motor für Entwicklung nicht aus den Augen verloren werden.

Milieu und professionelle Qualifizierung
Hier berühren wir Fragen der professionellen Qualifizierung. Was kann wo, wie, von wem und in welcher Umgebung überhaupt gelernt werden?

Bei Milieufaktoren handelt es sich eher um Identitäten als um Fertigkeiten. Übernommene Selbstverständlichkeiten6 prägen Milieuausstattung mehr als bewusster Erwerb. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, wie man selbst oder andere die erlebten Milieufaktoren bewerte(te)n. Sie werden unabhängig von ihrer Wertschätzung »eingeatmet« und organisieren intuitiv Erlebens- und Verhaltensweisen, wenn sie durch entsprechende Anreize aktiviert werden. Es handelt sich eher um gelernte komplexe Muster, die man selbst nicht unbedingt bewusst wahrnimmt oder zu benennen weiß. Sie strahlen hintergründig nach außen und werden von anderen intuitiv aufgenommen und beantwortet.

Die inneren Steuerungen werden dabei oft über den Habitus, die äußeren Gesten aktiviert. Schon kleine Kinder lernen dadurch, dass sie die Gesten einer interessanten Identität proben, auch wenn sie Inhalte, Haltungen und Kompetenzen dahinter noch lange nicht verstehen. Wahrscheinlich ist, dass sich Menschen an solchen Gesten als Milieu-nahe erkennen, auch wenn entsprechende Identitäten nicht ausgearbeitet sind.

Schon die Wahl der Ausbildungseinrichtung ist hier kein Zufall. Da gibt es Orte, an denen neben einer fachlichen Ausstattung ein Flair von Bedeutsamkeit und Weltläufigkeit entscheidend ist, während an anderen Orten, persönliche Verbindlichkeit und Auseinandersetzung mit Sinn zählen.

Milieu-Beheimatung und Milieu-Mobilität
Um sich professionell finden zu können, muss man sich mit dem Milieu beziehungsweise mit den Milieus, in denen man sozialisiert wurde, auseinander setzen. Dann kann man für die Gegenwart prüfen, in welchen Milieus nicht nur Zugehörigkeits- und Wirksamkeitswünsche befriedigt werden sollen, sondern wo man sich auch beheimatet fühlen kann. Natürlich sind Milieuzugehörigkeiten nicht für alle Zeit festgeschrieben, doch Mobilität lässt sich auch nicht einfach durch Gelegenheit oder Qualifizierung erlangen. Sich in einem unvertrauten Milieu zurecht zu finden, dauert oft lange.

Milieu-Mobilität ist eher sogar eine Entwicklung mehrerer Generationen. Selbst wenn Rollenverhalten und Stil für ungewohnte Milieus gelernt werden können, bleibt immer noch etwas, was seelischer Migrations-Hintergrund genannt werden könnte. Wie wir wissen, kann Migration gelingen, doch ist dies auch eher eine Frage langfristiger Entwicklungen. Natürlich fällt Integration auch leichter, wenn man in einem Milieu groß geworden ist, in dem die Milieugrenzen offen waren und man einen unbefangenen und fruchtbaren Umgang mit Menschen anderer Milieus hatte. Man lernt dann Milieu-Flexibilität als Teil der eigenen Milieu-Ausstattung.

Milieus und gesellschaftliche Klassen
Trotz gegenteiliger Mythenbildung muss man davon ausgehen, dass Deutschland in vielem eine Klassengesellschaft ist. Anfang dieses Jahrzehnts hat der Spiegel berichtet, dass von den wichtigsten deutschen Top-Managern nur einer aus einem einfacheren Milieu stammte. So leicht wird man also hier nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, zumindest nicht, was gesellschaftliche Geltung in mächtigen und gebildeten Kreisen betrifft. Dies hat mit professioneller Kompetenz wenig und mit Milieu-Stallgeruch viel zu tun. Was es ausmacht, dass Milieu-Wechsel oder Milieu-Verbindungen manchmal gut gelingen, wäre näher zu untersuchen.

Auch die Hoffnung, dass durch Bildung sozialer Aufstieg möglich wäre, muss gedämpft werden. Die einzige Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der ein verbreitetes Aufrücken möglich war, war die Zeit der Expansion in den siebziger Jahren. Wer da aufgerückt ist, waren das vielleicht die Kompetentesten aus den nachfolgenden Schichten? Sie sind aber nicht wegen ihrer Kompetenz vor dem Nachwuchs aus den höheren Schichten bevorzugt worden, sondern weil die höheren Schichten die zu vergebenden Positionen nicht mit eigenem Nachwuchs besetzen konnten. Auch heute sind viele besser professionell gebildet als mancher Nachwuchs in gehobenen Schichten. Dies hilft ihnen aber nicht zum sozialen Aufstieg, solange der Bedarf innerhalb der eigenen Reihen gedeckt werden kann.

Gläserne Zäune und Milieu-Aufstieg
In manchen Bereichen wird von gläserner Decke gesprochen, etwa wenn von den Aufstiegsblockaden zum Beispiel für Frauen die Rede ist. Gläsern deshalb, weil die empfundene Decke nicht als real bewiesen werden kann. Entsprechend könnte man wohl auch von gläsernen Zäunen sprechen, wenn man eher beschreiben möchte, dass man sich wegen Milieufremdheit, nicht an Menschen und Organisationen eines Milieus ankoppeln kann, obwohl man fachlich und professionell dafür alle Voraussetzungen erfüllt.

Wer versucht, in ein Milieu aufzusteigen, versucht normalerweise durch besondere Leistung die Berechtigung dafür zu erwerben. Jemand, der in einem heimischen Milieu eine Funktion anstrebt, fühlt sich dazu relativ unabhängig von der konkreten Leistung berechtigt, da der Verbleib in einem Milieu etwas Selbstverständliches hat. Diese Selbstverständlichkeit ist schwer zu lernen, auch wenn man sich die Zugehörigkeit zum neuen Milieu durch kontinuierliche Leistung eigentlich verdient hat.

Es scheint z.B. zur Befähigung eines Top-Managers zu gehören, große Risiken in Kauf nehmen zu können, und auch dann relativ gut zu schlafen, wenn er allen Grund hat, sich um das Schicksal des Unternehmens zu sorgen. So kann man eher handeln, wenn man zeitlebens gewohnt war, durch familiäre Rückendeckung größere Risiken ohne persönliche Gefährdung übernehmen zu können. Für ähnliches Verhalten braucht man als Angehöriger anderer Schichten wahrscheinlich eher eine Spielermentalität, was Betroffene auch nicht unbedingt ruhig schlafen lassen sollte.

Beratermilieus und Tabus
Es gibt Standesvertreter, die darauf hinweisen, dass Berater oft deshalb nicht als Executive Coaches geeignet sind, weil sie aus einem sozial orientierten Mittelschicht-Milieu kommen und daher nicht an Exekutives andocken können. Solche Coaches würden ihrer Schichtlogik gemäß noch immer glauben, dass es bei ihren Klienten um Einsicht, Beziehungsfähigkeit und Lernen geht und es daher in erster Linie auf Coaching-Kompetenz, sie in diesen Dimensionen zu unterstützen, ankäme. Sie würden unterschätzen, wie sehr es in diesen Kreisen in erster Linie um Klassen- und Machterhalt gehen würde. Inwieweit und für wen diese Beurteilung gilt, ist schwer zu beurteilen, aber es wäre wichtig, sich im konkreten Fall davon ein Bild zu machen.

Nun wäre es sicher einseitig, wenn davon ausgegangen würde, dass hier absichtlich auf geschlossene Gesellschaft gemacht wird, dass sich Milieu-Reproduktion primär gegen Menschen anderer Milieus richtet. Diese Menschen tun nur einfach das, was jeder in seinem Rahmen auch tut. Sie sozialisieren ihren Nachwuchs in ihrem gewohnten Milieu. So weit dieser dabei notwendig auch in anders geprägten gesellschaftlichen Kreisen erzogen wird (Managersohn im örtlichen Fußballverein), verhelfen Sie ihm zu einer Milieu-Rückendeckung, die es ihm erlaubt, sich einerseits dort zu bewegen, aber auch andererseits Abstand zu halten und ein milieu-gemäßes Selbstverständnis aufrecht zu erhalten. Wenn es dann darum geht, weitere berufliche Lebenswege einzuschlagen, nutzen sie selbstverständlich ihre Beziehungen, um sich gegenseitig den Nachwuchs ans Herz zu legen. Natürlich klappt es nicht in allen Fällen, weil Herkunft ja nun auch wirklich nicht alles ist, doch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es passt auch dann recht gut, wenn andere propagierte Kriterien nur mittelmäßig erfüllt werden.

Jedoch, es ist schwierig, über Milieus und Grenzen offen zu kommunizieren, weil dies leicht an Minderwertigkeitsgefühle und Unbehagen rührt. Es kränkt, sich als quasi schicksalhaft von bestimmten gesellschaftlichen Bühnen und Rollen und damit von Geltung und Einkommen abgeschnitten zu sehen. Da ist manchem die Vorstellung, durch Ehrgeiz, Bildung und Bemühen aufsteigen zu können, lieber selbst, wenn sie illusionär sein sollte. Auch ist fraglich, ob die Betroffenen ihre gesellschaftliche Position reflektieren können und wollen. Wirklich Privilegierte reden ohnehin selten gerne über Privilegien und warum diese ihnen zustehen. Dies gilt besonders, wenn Privilegien mehr mit Zugehörigkeit als mit Leistung zu tun haben.

Über dem Thema liegt ein Tabu. Tabus anzusprechen macht Angst. Es werden Beschämung, Verlust von Aufstiegshoffnungen auf der einen, Rechtfertigungsprobleme und Privilegienverluste auf der anderen Seite befürchtet. Wer will schon gerne in »Neid-Debatten« verwickelt werden. Gibt es eine Manager- oder Beraterausbildung, in der das Milieu-Thema Teil des Lehrplans für Selbsterfahrung und Auseinandersetzung mit Wirksamkeitsmöglichkeiten ist? Würde jemand einem anderen offen sagen, dass er sich nicht näher auf ihn einlassen mag, weil er empfindet, dass er einem anderen Milieu angehört. Würden sich Kollegen in einer Arbeits- oder Lerngruppe sagen, dass bei aller Gemeinsamkeit, die in der gemeinsamen Lern- oder Arbeitskultur entsteht, milieubedingt etwas Trennendes bleiben kann? Vielleicht ist dies auch nicht unbedingt wünschenswert, weil wir uns gegenseitig ja auch vor Kommentaren über unsere Körperlichkeit oder intimere Verhaltenseigenarten verschonen, obwohl auch diese Dinge entscheidende Auswirkungen darauf haben, ob wir mit jemandem gemeinschaftlich schwingen oder nicht.

Es geht um Ent-Tabuisierung
Zu unterschiedlichen Zeiten haben wir es mit unterschiedlichen Tabus in der gesellschaftlichen Kommunikation zu tun. Das sexuelle Tabu wurde zumindest an der Oberfläche weitgehend überwunden. Danach gab es lange Zeit ein verbreitetes Tabu, über religiöse Bedürfnisse zu sprechen. In letzter Zeit beginnt sich dieses Tabu aufzulösen, wenn auch in vielen Kreisen eher über spirituell genannte Themen. Andere Tabuthemen könnten »empfundene Sinnlosigkeit trotz relativem Wohlstand« oder auch »Ehrgeiz und Stolz in sonst eher depressiver Umgebung« sein.

Hier ging es darum, das Milieuthema zunächst in den Horizont der inneren Auseinandersetzung mit uns selbst einzubeziehen. Bei genügend intimem und vertrauensvollem Kontakt mit anderen kann diese Perspektive in den Dialog einbezogen werden. Es ist das Anliegen dieses Texts, das Thema Milieu in den Fokus zu holen und Gespräche darüber zu starten, vielleicht als Diskussion über diese Ausführungen.

Fraglich ist, ob man in solchen Diskussionen nicht in Gefahr ist, in Stereotypen von »denen da oben« oder »denen da unten« oder »denen da drüben« zu verfallen. Hier ist Umsicht geboten. Doch sollte dies nicht dazu führen, die Faktoren Milieu und Schichten auszublenden. Auch darf man nicht die Augen verschließen vor Autismus im Sinne von Sonderbegabungen in Verbindung mit Beziehungsunfähigkeit, vor Charakterdeformationen und fehlender gesellschaftlicher Verantwortung bis hin zu hemmungsloser Raffsucht. Unverantwortliche Machenschaften tarnen sich gerne mit hehren Zielen und werden oft unterstützt von Gleichgesinnten in schwarzen Roben.  

 

1 Philosophie eines Physikers, Universität Bamberg, 1992
2 von Weizsäcker, Carl Friedrich: Zeit und Wissen, 1993
3 siehe den Neurowissenschaftler Gerald Hüther, z.B. Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn, 2006
4 Schmid, Bernd; Messmer, Arnold: Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung, 2005
5 Ebenda
6 Einige der hier vertretenen Ideen entstanden im Dialog mit Wolfram Jokisch, 17.4.2007