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Statuskonsum: Den Nachbarn eine Nasenlänge voraus
Welche Auswirkungen hat die Vermögensverteilung auf Kaufentscheidungen? Bislang herrscht die Auffassung vor, dass Menschen weniger Geld für demonstrativen Konsum aufwenden je geringer die Vermögensunterschiede innerhalb einer sozialen Gruppe ausfallen. Eine Studie der Rotterdam School of Business kommt nun zu einem anderen Schluss: Ausgewogene Güterverteilung kann den Status aufbessernden Konsum erst richtig in Gang setzen.

 

        


 
ass Menschen nicht nur konsumieren, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, hat schon Thorstein Veblen im Jahr 1899 formuliert. In seiner Theorie der feinen Leute1 beschreibt der US-amerikanische Ökonom und Soziologe als »demonstrativen Konsum« ein öffentliches Konsumieren, das darauf abzielt, zu zeigen, was man sich alles leisten kann. Durch das Protzen und Prahlen soll der soziale Status dargestellt und erhöht werden.

Bislang ging man stets davon aus, dass Haushalte der unteren Einkommensschichten einen geringeren Anteil ihres Einkommens sparen als reichere Haushalte und dass Leute mit niedrigerem Einkommen zudem mehr für demonstrativen Konsum ausgeben. Erklärt wird das Phänomen, dass Haushalte unterer Einkommensklassen einen erheblichen Teil ihres Budgets für Güter aufwenden, die nach außen Wohlstand suggerieren, zumeist damit, dass solcher Konsum die Unzufriedenheit mit dem derzeitigen Status kompensieren soll: Die Lücke zwischen dem, was man selbst hat und dem, was andere haben soll quasi mit demonstrativem Konsum gefüllt werden.

Neid als Konsummotiv?
Folglich wurde in der Forschung bisher demonstrativer Konsum vor allem dort vermutet, wo die Vermögensungleichheit besonders groß ausfällt. Je tiefer die Spaltung in mehr und weniger bemittelte Menschen in einer Gruppe, desto neidischer werden die Armen auf das, was andere besitzen, so die landläufige Meinung. Der sichtbar zur Schau gestellte Konsum sei ein Mittel, um mit anderen mitzuhalten.

Eine von Nailya Ordobayeva (Rotterdam School of Management, Erasmus Universität) und Pierre Chandon (INSEAD) durchgeführte Studie2 stellt diese Annahmen nun auf den Prüfstand. Die Kernhypothese des Forscherteams lautet: Wenn man die Gleichheit der Vermögensverhältnisse steigert, steigt auch der Konsum, falls die Menschen der unteren Einkommensklassen ihrer sozialen Position Bedeutung beimessen, das heißt, wenn sie statusrelevante Produkte kaufen, wenn der Statuswettbewerb sie anstachelt und ihr Umfeld kompetitiv ist.

Wettbewerb zwischen Nachbarn
Die Ergebnisse der Studie werfen tatsächlich ein neues Licht auf die bisherigen Erklärungen: Die beiden Professoren für Marketing fanden heraus, dass zwar ausgewogene Vermögensverhältnisse den Neid auf das, was andere Gruppenmitglieder besitzen, in den unteren Einkommensschichten senkt und sich damit auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Besitz erhöht. Gleichzeitig aber löst mehr Gleichheit und eine geringere Spaltung zwischen Arm und Reich auch den Reiz aus, seinen »Nachbarn« noch zu übertreffen. In einer Gesellschaft mit ausgewogener Güterverteilung ist der nächsthöhere Rang leichter zu erreichen, weswegen eine größere Chance besteht, durch Konsum schneller einen sozialen Aufstieg zu erreichen.

Die Effekte einer gleichmäßigen Vermögensverteilung auf Neid und demonstrativen Konsum testeten die Forscher empirisch. Der Versuchsaufbau stützte sich auf die Tatsache, dass in Nachbarschaften mit Bewohnern der Mittelklasse das Erscheinungsbild des Vorgartens eine Quelle für sozialen Status bildet. Das Wetteifern um Status sollte sich dementsprechend in der Anzahl der im Garten befindlichen Blumenbüsche ausdrücken. Das Experiment zeigte, dass Menschen ohne Blumen im Garten zufriedener mit dem waren, was sie haben und auch weniger Neid empfanden, wenn die meisten ihrer Nachbarn eine ähnlich moderate Anzahl an Blumensträuchern besaßen, wenn also der Unterschied zum Vorgarten des Nachbarn nicht so offensichtlich war. Allerdings waren in dieser Situation relativ geringer Unterschiede zwischen den Gärten eben diese zufriedenen, weniger neidischen Personen auch eher gewillt, Geld für die Verschönerung ihres Gartens auszugeben. Zusammengefasst bedeutet dies: durch eine gleichmäßige Verteilung sinkt zwar der Neid, aber die Ausgewogenheit lässt zugleich die Ausgaben für die Statusaufbesserung ansteigen. Demonstrativer Konsum wird also durch Statusgewinne angeheizt – unabhängig von Neidgefühlen.

Diese Forschungsergebnisse zeigen vor allem der Konsumforschung und dem Marketing neue Wege auf, demonstrative Konsumentscheidungen zu beeinflussen. Das Nachdenken über Status war bislang stark geprägt von einem Fokus auf Neid und der Unzufriedenheit mit den eigenen Besitzverhältnissen. Ordabayevas und Chandons Ergebnisse legen nun nahe, diese negativen und rückwärtsgewandten Faktoren durch vorwärtsblickende Faktoren des demonstrativen Konsums zu ersetzen: Menschen konkurrieren nicht nur, weil sie neidisch sind, sondern weil sie den sozialen Aufstieg vor Augen haben.  

 

1 Veblen, Thorstein (1899): The Theory of the Leisure Class. An Economic Study in the Evolution of Institutions. New York.
2 Ordabayeva, Nailya; Chandon, Pierre (2011): Getting Ahead of the Joneses: When Equality Increases Conspicuous Consumption among Bottom-Tier Consumers, In: Journal of Consumer Research, Jg. 38, Juni 2011.