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Auf dem Weg zu einer neuen Umgangsqualität
Menschen wollen nicht mehr »von der Stange« behandelt werden. Selbst die konservativsten Unternehmen kommen mittlerweile an dem Thema Delegation von Kompetenzen und Verantwortung bis in die Basiseinheiten nicht vorbei. In manchen jungen Unternehmen und Branchen hatte der Kommandoton von Anfang an kein Terrain und keine Chance. Ob Mitarbeiter aktiv mitdenken, mitwirken, mitfühlen, mitgestalten und mithelfen, das Unternehmen auch in schwierigen Zeiten auf Erfolgskurs zu halten, dies hängt entscheidend von dem Management, von der Führung und der Personalentwicklung ab.

        


 
utes Management zeigt sich in einer lebendigen und mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur mit einer hohen Umgangsqualität. Diese achtet und wertschätzt Kollegen, Mitarbeiter, Partner und Kunden gleichermaßen. Alle Leistungen eines Unternehmens sind letztlich die Leistungen seiner Mitarbeiter. Sonstige Faktoren sind überall austauschbar. Die eigentliche Produktivitätsquelle im Wettbewerb ist und bleibt der Mensch. Die Aufgabe für das Management und die Personalentwicklung lautet deshalb, Mitarbeiter durch gezielte Innovationen zum strategischen Erfolgsfaktor für das Unternehmen zu entwickeln. Talent-Management wird zum wichtigsten Thema für die nächsten Jahre.

Konnte noch Henry Ford einmal die Frage stellen, warum an jedem Paar Hände, das er brauche, auch ein Gehirn hänge, so wägen wir uns heute weit davon entfernt. Aber leider ist die Bedeutung der Human Resources und der Unternehmenskultur in zu vielen Fällen nur in Führungsgrundsätzen und Hochglanzbroschüren herausgestellt. Ein konsequenter und bewusster Transfer in die Praxis oder die Umsetzung im Arbeitsalltag sucht man oft genug vergeblich. Gerade bei Reorganisationen und Fusionen können viele hautnah erleben, welche Bedeutung das von Henry Ford gering geschätzte Gehirn, also die »Denke« der Mitarbeiter und damit die mental-kulturellen Ausprägungen haben. Es kommt also entscheidend darauf an, was das Management aus dem jeweiligen Persönlichkeits- und Leistungsangebot des einzelnen Mitarbeiters zu machen imstande ist. Denn die Einstellungen und Fähigkeiten der Menschen müssen sich den ständig veränderten Anforderungen anpassen, in allen Bereichen und auf allen Ebenen.

In der Hand der Führung liegt es demnach, den Einsatz der Mitarbeiter durch gezielte Entwicklung und Förderung zu gestalten. Die Sicherung der Wettbewerbsposition und Personalentwicklung als sich ergänzende Aufgaben fangen deshalb oben an und ziehen sich durch das ganze Unternehmen. Personalentwicklung in diesem Sinne ist ein lebendiger Prozess und kann nicht mit einmal verabschiedeten Programmen ad acta gelegt werden oder mit einmal festgelegten Aufgaben als erledigt gelten. Wenn mehr als Dreiviertel der Beschäftigten in ihrem Job weniger geben als sie in der Lage wären zu geben, resultiert daraus eine enorme Vergeudung der in einem Unternehmen möglichen Leistungsfähigkeit. Seltsamerweise scheinen sich die meisten Führungskräfte damit abgefunden zu haben, dass dies so ist. In einer Welt aber, in der Innovationen und Veränderung unabdingbare Voraussetzungen für den Erfolg im Wettbewerb sind, in einer solchen Welt, wie wir sie heute vorfinden, kann dieser Zustand nicht länger hingenommen werden. Denn für den Erfolg eines Unternehmens ist es wichtig, Menschen mit ihren Potenzialen zu erkennen, zu entwickeln und einzubinden. Und es gilt die vorhandene biologische, soziale und personale Vielfalt nicht nur wahrzunehmen, sondern im »Talentbiotop Unternehmen« (Thomas Sattelberger) zur Entfaltung zu bringen. Dies wird umso dringlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass nach der Towers Watson Global Workforce Study 2010 genau 40 Prozent der Mitarbeiter der Ansicht sind, dass ihnen die Führungskräfte nicht genug Entfaltungsmöglichkeiten bieten.

Tradierte Leitbilder über Bord werfen und Neues ausprobieren
Wir aber haben – und das ist eine fast fatale Erkenntnis – schon viel zu lange den Menschen und sein Denkvermögen bei zu vielen Betrachtungen und bei zu vielen Zukunftsentwürfen außen vor gelassen. Das lange gepflegte Verständnis von fachlicher und personaler Herrschaft und das Procedere vieler Führungskräfte, allein strategisch und taktisch zu gestalten, führen aber mehr und mehr in eine falsche Richtung. Alle Erfahrungen aus der Umsetzung von Veränderungsideen (Reorganisationen, Fusionen, Change-Management, Projektmanagement, Teammanagement, Vertrauensorganisation...) belegen, dass die beteiligten Menschen der Schlüssel zum Erfolg sind. Die Eigenständigkeit und Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter werden zu dem entscheidenden Wettbewerbsfaktor der kommenden Jahre. Denn Unternehmen werden erst lebendig durch die Menschen, die in ihnen arbeiten, und dadurch, wie sie ihre Arbeit tun und ihr Denkvermögen einbringen.

Die Personalkosten sind aber in vielen Unternehmen nur deshalb als zu hoch einzustufen, weil ein zu geringer Prozentsatz der vorhandenen Fähigkeiten und Potenziale genutzt wird: nur das, was in vielen Fällen immer noch per Stellenbeschreibung zugestanden wird oder erlaubt ist. Zusätzlich werden noch diejenigen bezahlt, die darauf achten, dass dieser Prozentsatz und die Richtlinien eingehalten werden. Das heutige Wettbewerbsumfeld ist aber so komplex und unvorhersehbar, dass wir dauerhafte Erfolge nur dann erzielen können, wenn wir die gesamte Intelligenz und Vielfalt der Menschen nutzen. Wir brauchen bei der Arbeit die ganze Persönlichkeit und müssen das gesamte Vermögen der Menschen aktivieren. In der neuen transparenten Wirtschaft muss ein Gleichheitsprinzip im Unternehmen Einzug halten.

Dazu genügt es aber nicht, aus einer Unternehmensmaschinerie – wie wir es bei vielen Reorganisationsvorhaben der vergangenen Jahre beobachten konnten – ein oder zwei der bisherigen Hierarchieebenen herauszunehmen. Oder glaubt man, dass ein Uhrwerk besser läuft, wenn man ein Viertel der Zahnräder entfernt? Es gilt deshalb, Abschied zu nehmen von einigen traditionellen Leitbildern und Führungsmustern. Wir sollten Unternehmen endlich so sehen, wie sie wirklich sind: Gemeinschaften von Menschen, soziale Organismen mit Zellen und Organen, mit Immunsystemen und Nervenbahnen, mit Wünschen und Befindlichkeiten, aber auch mit Fähigkeiten, Wissen, Können und Kompetenzen.

Ein Unternehmen so verstanden als Persönlichkeit ist lebendig, lern- und überlebensfähig. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass wir Experimente und den Wandel fördern und fordern. Ein Unternehmen so verstanden verfügt über eine Menge bisher nicht oder nur ungenügend genutzter Ressourcen und Energien, die in einem Beziehungsgeflecht verankert sind. Diese vorhandene Vielfalt sollte dazu genutzt werden, die Menschen über sich hinauswachsen zu lassen. Und die daraus entstehenden gelebten Partnerschaften sind die wichtigste Basis für Innovationsprozesse und Erfolg.

Die Bereitschaft und die Fähigkeit zu evolutionärer und innovativer Veränderung müssen also durch die Führung ins Unternehmen getragen werden. Innovatives Verhalten muss normaler, selbstverständlicher Bestandteil des Handelns werden. Notwendig dazu ist eine hohe Lern- und Veränderungsmentalität bei den Führungskräften, eine Führungsqualität, die Mut zur Veränderung sowie Lust auf Innovation und Leistung bei den Mitarbeitern fördert. Manager müssen deshalb wissen, was ihre Mitarbeiter beschäftigt, was sie bewegt, was sie leisten können und was sie leisten möchten. Militärischer, autokratischer oder tayloristischer Führungsstil – und er wird noch öfter praktiziert, als viele wahr haben wollen – hat dies noch nie ermöglicht.

Mehr Raum für andere Denkweisen
Albert Einstein hat einmal gesagt: »Die Probleme, die es in der Welt gibt, können nicht mit den gleichen Denkweisen gelöst werden, die sie erzeugt haben.« Gemäß dieser Erkenntnis brauchen Unternehmen in Zeiten großer Veränderungen Manager und Mitarbeiter, die sich mental auf den Wandel einlassen und ihn zupackend bewältigen können und wollen. Das Gefühl, unsere Denkweisen seien schon in Ordnung, lässt die Fähigkeit verkümmern, Neues zu sehen und anzupacken.

Wir leben aber in einer Zeit, deren Umstände ein neues Denken erfordern. Wir brauchen dazu einen neuen Denkrahmen, der grundlegendes Verständnis der Wirklichkeit möglichst vollkommen und präzise beschreibt. Logisch-rationales Denken und das eingeschränkte Denken in Ursache-Wirkungs-Relationen können dieser Forderung immer weniger gerecht werden.

Dies gilt für die Führungsebene genauso wie für das Personal insgesamt. Mitarbeiter sehen sich mit neuen Anforderungen konfrontiert, die mit multi-skilled, flexibel einsetzbar, sozial kompetent bei verstärktem Einsatz von Teamarbeit, Denken über Abteilungsgrenzen hinweg oder Arbeiten in Netzwerken beschrieben werden können. Diese neuen Anforderungen haben zur Folge, dass auch die Qualifikationen der Mitarbeiter andere sein werden. Für Führungskräfte sollte deshalb in Zukunft die Devise heißen: Statt »jeder gegen jeden« »jetzt im Team« oder bei der eigenen Mitarbeiterführung »Motivator« und nicht »Anweiser« sein. Neue Partnerschaften ermöglichen heißt deshalb eine Führungsherausforderung.

Dass jeder Mitarbeiter zwei Hände zum Arbeiten mit in das Unternehmen bringt, ist seit Henry Ford selbstverständlich. Dass er auch noch einen Kopf zum Denken hat, wurde (und wird!?) immer noch vielfach vergessen oder gar verdrängt. Getreu dem Motto »Du bist zum Arbeiten hier und nicht zum Denken« wurde (und wird!?) das vorhandene Wissen vieler Menschen, also die zur Verfügung stehenden Energien und Ressourcen, sträflich vernachlässigt. Ja, man glaubte zu oft, auf das Denkvermögen und die Kreativität verzichten zu können (Verschwendung von Energien und Ressourcen bzw. mangelnde Energie- und Ressourcenproduktivität).

Langsam setzt sich aber die Erkenntnis durch, dass das vielfach brachliegende Kreativitätspotenzial der Mitarbeiter dringend gebraucht wird, um effektiver und erfolgreicher zu arbeiten und um langfristig als Unternehmen zu überleben. Nur so können Unternehmen auch ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen und Mitarbeiter binden. Die späte Einsicht lautet: Die Quelle des Unternehmenserfolgs ist der einzelne am Wertschöpfungs- und Innovationsprozess beteiligte Mitarbeiter. Deshalb sollten wir die Mitarbeiter auch an der Basis zu »Mit-Denkern« entwickeln. Schlummernde Talente und Fähigkeiten zur Entfaltung zu bringen, ist so gesehen eine der anspruchsvollsten Führungsaufgaben für die vor uns liegenden Jahre dieser Dekade.

Dieses Verständnis einer zukunftsweisenden Führung ermöglicht im Gegensatz zum alten Schema »Festlegung des Sollzustandes, Erhebung der Ist-Ergebnisse und Maßnahmen aufgrund der Abweichungsanalyse« eine umfassendere und intelligentere Neuorientierung mit Verantwortung und nachhaltigem Handeln. Und dazu brauchen wir in vielen Bereichen einen Kulturbruch, um Neues aufbrechen zu können und in einer anderen, intelligenteren Welt anzukommen mit reicheren Möglichkeiten. Denn auch Intelligenz hat vom Wortursprung mit zusammenlesen, zusammendenken und Miteinander zu tun. Warum also sollte es uns nicht gelingen in diesem Sinne intelligentere Unternehmen und Organisationen zu entwickeln und das bisher herrschende Defizit zu überwinden und eine neue Kultur der Umgangsqualität zu etablieren?  

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