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Führungsherausforderungen: Kontrolldynamik, Treibsand und fiktive Wirklichkeiten
Wann immer es um Führungsfragen geht, geht es in erster Linie um Menschen. Denn Unternehmensführung ist stets auch Menschenführung. Da der Umgang mit Menschen niemals natürlichen Gesetzmäßigkeiten folgt, warten auf die Unternehmensführung allerhand Herausforderungen. Kontrolldynamik, Treibsand und fiktive Wirklichkeiten sind drei Phänomene, die das Menschliche im Unternehmen mit sich bringen.

        


 
s ist ein in der Sozialpsychologie bekanntes Phänomen, dass Menschen, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, vorherrschend darauf bedacht sind, diese Freiheit wieder herzustellen. Sie tun dies auch, wenn sie sich auf eine Weise wehren müssen, die nicht ihrer Art oder ihren Interessen entspricht. Daher ist leicht einsehbar, dass sich ein solches Ringen um Kontrolle leicht verselbständigt, und sich jeder der Beteiligten bald in »Notwehr« gegen die Kontrolle durch andere mithilfe von Gegenkontrolle der anderen wehrt.

Von Kontrolldynamiken spricht man, wenn dysfunktionale Kontrolle der Kommunikation oder des Partners eine vorherrschende Dimension der Kultur, bzw. der Steuerung darstellt. Hier ist nicht eine sinnvolle, aus den Menschenrechten oder Organisationszuständigkeiten autorisierte, wechselseitige Kontrolle des Partners gemeint, sondern ein offensichtliches oder subtiles Ringen um Kontrolle über den Partner.

In einem Coachinggespräch kann der Berater zunehmend das Gefühl bekommen, mit den Hilfeleistungen bzw. Gesprächssteuerungen nicht genügend angemessene Resonanz beim Klienten zu finden. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Angebote als treffend charakterisiert zu werden verdienen. Er kann die Erfahrung machen, dass der Klient alles tut, um sich die Gültigkeit vorzubehalten bzw. dem Prozess eine andere als die naheliegende Wendung geben zu können. Der Berater empfindet dies als Kontrolle und gibt entweder auf, eine stimmige Linie zu verfolgen oder aber sie zumindest mit der nötigen Kraft und Befriedigung angehen zu können. Oder er gerät in Gefahr, die eigene Wirklichkeit gegen den »Widerstand« durchsetzen zu wollen, wobei er auf immer stärker werdende Gegenkontrolle stoßen wird. Es kann dilemmahaft die Alternative entstehen, entweder Opfer oder Täter unangemessener Kontrolle bis hin zu (kommunikativer) Gewalt zu werden.

Hat z.B. ein Mitarbeiter die Sorge, vom Chef keinen angemessenen Spielraum zu erhalten, kann er seine Anliegen so vorbringen, dass dem Chef nichts anderes übrigbleiben soll als zuzustimmen. Entweder dies gelingt, dann fühlt sich der Chef in seiner Autorität beschädigt. Oder der Chef verwahrt sich dagegen in einer Weise, dass er das Anliegen abschmettern muss, obwohl dies inhaltlich nicht gerechtfertigt wäre. Dagegen wehrt sich der Mitarbeiter dann durch Obstruktion, Missachtung oder einen neuen Anlauf, der dem Chef erst recht diese Reaktion unmöglich machen soll. Ähnliches kann man sich in Projekten oder vielen anderen Situationen in Organisationen vorstellen.

In der Regel liegen diesen Dynamiken problematische Bezugsrahmen über funktionale und komplementäre Freiheiten und Autoritäten zugrunde. Zum Beispiel mag ein Beratungsklient glauben, dass er bei Bestätigung von Meinungen und Einsicht bezüglich möglicher Wege verpflichtet wäre, sich diese zu eigen zu machen.

Tatsächlich steht ihm zu, trotz einer Bestätigung von Plausibilität jederzeit zu anderen Wertungen, Motivationen und Schlüssen zu kommen. Auch der Berater muss beachten, dass er seiner Aufgabe mit qualifizierten Angeboten entspricht, auch wenn der Klient dann doch andere Wege geht. Der Mitarbeiter muss akzeptieren, dass der Chef kraft seines Amtes Prioritätsentscheidungen treffen darf, ihm selbst aber zusteht, die Verantwortung dafür abzulehnen. Jedoch steht ihm nicht zu, die eigene Prioritätsentscheidung gleichwertig zu setzen oder die Mitarbeit stillschweigend daran zu orientieren. Notfalls kann er die Führungsbeziehung infrage stellen. Diese Freiheit kann allerdings etwas kosten. Unfreiheit tut dies – außer in Notfällen – nicht. Konfrontationen, also ein rollen- und kontextgemäßes Gegenüberstellen von Wirklichkeitsvorstellungen zu lernen, sind hier hilfreich, da sie geordnete Auseinandersetzungen über Unternehmenskultur möglich machen. Der Mitarbeiter kann die Erfahrung machen, dass er sich angemessener verhält und viel besser fährt, wenn er seine Anliegen deutlich vorträgt und er ebenso deutlich auch die Freiheit des Chefs, seine Rolle auszufüllen, respektiert, ja sogar als Verantwortung des Chefs in Anspruch nehmen möchte.

Oft ist die eigene Kontrolldynamik schwer zu erkennen, weil man sich subjektiv nur zu wehren glaubt, wenn dies auch durch Kontrolle des vermeintlichen Täters oder eines Vorgangs geschieht. Dass erst aufgrund dieses Wehrens andere aus Notwehr tatsächlich in die Täterrolle schlüpfen und sich dadurch der Kreis schließt, ist manchmal nicht leicht zu erkennen. Hier hilft dem bewussten Kommunikator, ein Gefühl des »sich-gezwungen-fühlens« zu erkennen. Dann ist es sinnvoll, nicht mit Gegenkontrolle zu reagieren, sondern eine Betonung der Freiheiten und des Schutzes aller Beteiligten vor unangemessener Fremdkontrolle, aber auch das Fehlen eigener Motivation dafür ausdrücklich hervorzuheben. Auch wenn dies den Tatsachen entspricht, muss einiges dafür getan werden, dass es glaubwürdig wird. über das Kontrollverhalten der Anderen sprechen zu wollen kann schwierig werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie sich dabei wieder wie mit einer Deutung festgenagelt erleben.

Treibsand
Treibsand ist lockerer Sand, in den man umso mehr einsinkt, je verzweifelter man sich bemüht, darin Halt zu finden und je heftiger man versucht, wieder Fuß zu fassen. Die Metapher des Treibsandes steht für einen Wirklichkeitsstil mit geringer Festigkeit der Wirklichkeiten. Alles bleibt irgendwie unklar oder kann sich in Bedeutung oder Gültigkeit jederzeit ändern. Diejenigen, die für Klarheit und Verlässlichkeit eintreten, werden häufig übermäßigen Belastungen ausgesetzt, da andere nicht komplementär Verantwortung übernehmen, sondern sich auf die Treibsandseite schlagen. Im Sinne einer Symbiose werden festigende und klärende Beiträge genutzt und verbraucht – ohne, dass sie gewürdigt würden. Wenn es irgend jemandem unangenehm wird, dürfen die, die für Klarheit, Entschiedenheit und Konfrontation stehen jederzeit als übermäßig rigide oder ehrgeizig abqualifiziert werden. Hat der Betroffene Macht, lässt man ihn durch Wirklichkeitsverschiebungen und -aufweichungen aller Art ins Leere laufen. Der Versuch, Gültigkeit herzustellen oder über die Treibsandphänomene zu sprechen, wird mit diffusem Unverständnis beantwortet.

Derjenige, der Klarheit für die Erfüllung seiner Aufgaben in einer Organisation benötigt, noch mehr aber derjenige, der sie braucht, um sich selbst zu organisieren, sich wohl und sicher zu fühlen, sitzt am kurzen Hebel. Er spürt die Lähmung, die nicht unbedingt von Einzelnen, sondern von den Wirklichkeitsgewohnheiten eines Systems ausgehen kann. Und er versucht zunächst konstruktiv, dann aber zunehmend fordernd, empört, verachtend oder gewaltsam Gehör zu finden, Wirkung zu erzielen oder Solidarität anzumahnen. Dabei gerät er zunehmend aus der Balance und gibt anderen berechtigten Anlass an seinem Stil Anstoß zu nehmen, anstatt auf sein Anliegen einzugehen. Gibt er dann entnervt auf, geht nicht selten dem System die Balance verloren und es findet sich ein anderer, der in die Rolle des Zugpferdes von Klarheit und Nachhaltigkeit eingeladen wird. Wenn derjenige anbeißt, kann das Ganze von vorne losgehen.

Ein klassisches Medienunternehmen mit öffentlicher Alimentierung über Jahrzehnte hinweg musste sich plötzlich am freien Markt bewähren. Da man sich auf der Basis der gewohnten Mentalität dem nicht gewachsen sah, wurde ein »tougher« Manager aus der Industrie zum Vorstandsvorsitzenden berufen. Für die anstehenden Reformen wurden Unterstützung, weitreichende Befugnisse, ausreichend Finanzmittel und die Solidarität bei harten Einschnitten zugesagt. Nach einem Jahr macht der »neue Besen« einen völlig zerzausten Eindruck. Im Vertauen auf alle Versprechungen hatte er knackige neue Realitäten schaffen wollen. Niemand widersprach, doch versanken alle Vorstöße im Treibsand – auch bei den Vorstandskollegen, die ihn berufen hatten. Zunehmend hart und unbequem nach außen hin, litt er innerlich immer mehr, ohne es sich eingestehen zu können. Bis ihn einige Eklats, bei denen er sich in seiner Gequältheit aufbegehrend »daneben benahm«, aus der Bahn warfen. Er wurde als Fehlbesetzung abberufen und ein Anderer ähnlichen Kalibers wurde bestellt. Dieser lernte allerdings schnell und engagierte sich nicht mehr als Andere auch mitzogen. Da die Außenrealität für den notwendigen Leidensdruck sorgte, konnte er immer wieder durch sinnvolle Vorschläge beeindrucken, ohne sich für mehr stark zu machen als von Anderen mitgetragen wurde. Dies mobilisierte dann doch die Fähigkeiten vieler Mitarbeiter und Kollegen zu neuen Klarheiten und Festlegungen. So ließ sich Einiges umstrukturieren und in der Unternehmenskultur umgestalten. Persönliche Gelassenheit, Listigkeit und die Bereitschaft, den Untergang des Unternehmens nicht auf Kosten des eigenen Untergangs verhindern zu wollen, waren hier hilfreiche Einstellungen.

Treibsandsysteme brauchen zumindest bei Anforderungen an Vitalität und Profil eine entsprechende Ergänzung. Die Kunst besteht darin, diese Ergänzung zu bieten indem man revolutionär Neues umsetzt, sofern man die Macht dazu wirklich in Händen hat. Oder man findet nach evolutionärem Vorbild eine maßvolle Kombination von breiter Ankoppelung und klärenden Initiativen. Der Paradoxie der oberflächlichen Zusagen, die im Handeln unterlaufen werden, kann gelegentlich mit einer Gegenparadoxie der Initiativen und ihrer gleichzeitigen Infragestellung lösend begegnet werden. Die Familientherapie hat diesbezüglich interessante Vorgehensweisen entwickelt. Allerdings ist zu beachten, dass Familien Schicksalsgemeinschaften sind, die so oder so erhalten bleiben. Unternehmen sind Kontraktgemeinschaften, die sich auflösen können. Oft genug ist eine notwendige Änderung des Wirklichkeitsstils nicht rechtzeitig zu bewirken, so dass die Lebensfähigkeit des Systems unwiederbringlich zerstört ist, bis die Schlüsselfiguren genügend von der Krise betroffen sind und substanzielle Änderungen möglich werden.

Fiktive Wirklichkeiten
Unter dem Stichwort fiktive Wirklichkeiten sollen einige Erfahrungen mit Systemen zusammengetragen werden, in denen Fakten, Visionen und Fiktionen nicht angemessen unterschieden werden. Die dramatischen Entwicklungen z.B. am neuen Markt zeigen die Folgen solcher Verwischungen. Aber auch in einem mittlerweile notleidenden klassischen Industriekonzern gab es erstaunliche Beispiele für solche »Aquaplaningeffekte«. Hier war die Bodenhaftung zur Realität verlorengegangen, während die Manager an dem kurbelten, was sie für das Lenkrad hielten.

Die Situation: Es sollte aus einer veralteten Technologie- und Managementmentalität heraus ein dringend notwendiger Aufbruch geschafft werden. Man holte sich Manager mit kühnen Ideen, die sich nicht damit begnügen wollten, aufzuholen, sondern die gleich den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen wollten. Teure und in jeder Hinsicht unkonventionelle Berater sollten dabei helfen, nicht von der Schwerkraft der Tradition und den Wirklichkeitsgewohnheiten der Leistungsträger eingefangen zu werden. Kühne Pläne entstanden am Reißbrett. Wer modern und beim »Turn around« dabei sein wollte, war genötigt, Wünschenswertes auch für machbar zu halten, wenn er nicht als Bedenkenträger zum alten Eisen gerechnet werden sollte. Dass das Unternehmen in vielerlei Hinsicht nicht reif war, solche Pläne umzusetzen, wurde ausgeblendet. In immer mehr gesprochenen Sätzen ersetze das Wort »muss« die Wörter »ist« und »kann«. Einwände wurden damit entkräftet, dass man sich die Wirklichkeit, für die sie standen wegen ihrer katastrophalen Folgen nicht leisten könne – frei nach dem Prinzip: »Und so schließt er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.«

Statt einer realistischen Einschätzung der Ressource Managementkompetenz und entsprechender Planung, wie schnell dort Entwicklungen möglich sein könnten, wurde der Personalchef damit beauftragt, durch ein modernes Schulungsprogramm die nötige Qualifikation bereitzustellen. Dass gerade die Schlüsselfiguren, bei denen intensive Schulung am ehesten hätte effektiv sein können, gleichzeitig in anderen Zusammenhängen mehrfach verplant wurden, fiel mangels Abgleich der Initiativen untereinander und mit der realen Verfügbarkeit nicht auf. Vorrangig sollten auch gerade die Führungskräfte, die man nicht als Träger der Innovation ansah, geschult werden; wobei ausgeblendet wurde, dass diese nach wie vor die Umsatzerwirtschaftung trugen. Dass den Führungskräften eine solche Schulung einen Qualifikationssprung erbringen würde und dass diese Menschen dafür geeignet und motiviert seien, wurde unterstellt, da es dazu keine annehmbaren Alternativen zu geben schien. Bedenken wurden mit Hinweisen auf eine, mit dem Einkommen dieser Leute assoziierten Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ausgeräumt. Das Institut für Systemische Beratung erarbeite zusammen mit dem Personalchef ein Bildungskonzept für den Aufbau einer Konzernakademie. Hierbei war der schwierigste Part, realistische Dimensionen bei allem Mut zum Aufbruch und bei aller Bereitschaft, »Geld in die Hand zu nehmen«, zu vertreten. Schließlich wurde ein Konzept eingereicht, welches Maßnahmenbündel und Entwicklungsschritte für zwei große Zeiträume von fünf und zehn Jahren enthielt. Zu unserer Verblüffung wurde dieses Konzept zwar vom Vorstand gebilligt, war aber zuvor vom Personalchef in den Zeitrahmen ein und zwei Jahre »transponiert« worden. Unseren entsetzten Einwänden wurde damit begegnet, dass das realistische Konzept beim Planungshorizont des Vorstandes keine Chance gehabt hätte. Natürlich würde niemand ernsthaft erwarten, dass alles so realisiert würde. Man müsse aber davon ausgehen, um so im Geschäft zu bleiben.

In diesem sicher extremen Beispiel werden wie so oft die Vertreter von Maß und Realisierbarkeit in eine schwierige Lage gebracht. Bestehen sie auf Solidität, geraten sie in die Bremserecke und werden durch »visionärere Geister« ersetzt. Gerade aber »solide Denker« hätten Konzepte, bei denen Visionen mit Realitäten verbunden werden. Sie kommen dann jedoch nicht zum Zug.

Beugen sie sich andernfalls den sich gegenseitig bestärkenden Fiktionen, so werden sie unglaubwürdig, haben dann aber eine Chance, mitzuwirken. Die weniger guten Konzepte der »Fiktionenfraktion« sind ja weder für das Unternehmen noch für den Dienstleister die bessere Lösung. Ein schwieriger Kompromiss zwischen wirkungslosem Anstand und fragwürdigem Mitwirken ist zu finden. In Zeiten der Hochkonjunktur von Fiktionen werden diejenigen, die sich der Fiktion verweigert haben, nicht in ihrem Engagement gewürdigt. Systeme mit fiktiven Wirklichkeitsgewohnheiten prüfen auch nicht, was sich bewährt hat und was nicht. Sonst würde nach Nichtbewährung der Wirklichkeitsvorstellungen Korrektur erfolgen. Und es würden die, die realistischer waren, nachträglich zu Ansehen kommen und neuen Einfluss auf weitere Entwicklungen erhalten. Stattdessen wird das Scheitern der Wirklichkeitsvorstellungen und das Verfehlen der Ziele ohne ernsthafte Einsichten hingenommen und die selben Verantwortlichen werden mit neuen Versuchen betraut. Da die Zeche oft genug nicht von denen, die sie zu verantworten hätten, bezahlt werden muss, gibt es auch keine Notwendigkeit für dringend erforderliche Lernprozesse oder Neubesetzungen. Seltsamerweise scheint trotz solch widersinniger Erscheinung eine Weiterentwicklung der Systeme möglich zu sein, was wiederum für Kompromisse spricht. Sicher ist es hilfreich, bewusste Kompromisse zu machen, damit im Bewusstheit verbleibt, was kompromittiert wurde und was bei nächster Gelegenheit besser gestaltet werden kann.

Nicht befriedigend erklärt ist das Phänomen, dass Organisationen ihren eigenen Wirklichkeitsstil relativ unabhängig von den persönlichen Stilen der aktuell handelnden Schlüsselfiguren entwickeln und fortschreiben. So kann es sehr schwierig sein, fiktive Wirklichkeiten neu zu fassen, obwohl jeder Einzelne der Beteiligten persönlich auf seinen sonstigen Lebensbühnen einen durchaus angemessenen Realitätskontakt hat. Es scheint, als würden die Handelnden im Kulturkontext der Organisation sich gegenseitig in Trance bringen und stabilisieren. Als würde Jeder dem Anderen Anlass zur Beibehaltung eines fiktiven Wirklichkeitsbezuges geben, selbst wenn jeder Einzelne für sich diesen Mechanismus durchschaut, ja sogar daran leidet. Der Transfer der Vernunft kann innerhalb der Persönlichkeit schwierig sein. Beispielsweise schildert ein hochqualifizierter Personalchef, dass es ihm gelingt, »zuhause in der Badewanne« den Kopf wieder klar zu bekommen und Vorsätze für vernünftiges Handeln zu fassen. Doch schon nach zwei bis drei Situationen im Unternehmen scheint das dort geltende System unvermeidbar, ja sogar notwendig oder gar plausibel zu sein. Die genauen Übergänge und Wirkkräfte beschreibt er als ihm selbst unerklärlich. Zumindest macht dies deutlich, dass Sorgfalt auf die Entwicklung einer solchen Kultur verwandt werden sollte, die von vornherein einen Nährboden für realitätstaugliche und konfrontierbare Wirklichkeitsstile bietet.