Immer wieder wird Wirtschaft als eigene Sphäre dargestellt und vom »restlichen Leben« getrennt. Dabei begleitet Wirtschaften jeden Lebensvorgang. Auch das Wirtschaften selbst ist Leben. Wirtschaften ist daher ein Beitrag zu und Ausdruck von gesellschaftlicher Kultur. Dabei geht es immer auch um die Frage: Wie wollen wir leben?
an sagt oft, dass die Zusammenhänge so komplex sind, dass man sich mit dem gesunden Menschenverstand kein hinreichendes Urteil mehr bilden kann. Das ist sicher im Einzelfall berechtigt, doch darf das ein Grund sein, den Kompass für eigene Orientierung und Verantwortung aus der Hand zu legen? Aus genügend Abstand kann jeder, der zwei und zwei zusammenzählen kann, merken, was stimmen kann und was nicht. Wenn Anleger am Finanzmarkt 10 Prozent Rendite erhalten und für 5 Prozent Kredit aufnehmen können, dann muss irgendjemand die Zeche bezahlen. Das mag über Gesellschaftsbereiche oder über Zeit hinweg über komplizierte Mechanismen gespielt werden, doch am Ende bleiben einfache Zusammenhänge gültig. Oder: Wenn beim Börsenhandel mit Grundnahrungsmitteln neuerdings Milliarden verdient werden von Anlegern, die realwirtschaftlich mit Nahrung nichts zu tun haben, ist klar, dass dies irgendwie durch die Endpreise auf die Nahrungsmittel gedeckt werden muss. Dass ein Zusammenhang dazu besteht, dass sich immer weniger Bedürftige solche Nahrungsmittel leisten können, ist offensichtlich. Und, dass das Dazwischen nicht nur mit ethisch verantwortbarem Wirtschaften zu tun hat, auch. Davon können noch so viele Schleiertänze der Erklärung der Marktfunktionen von Handel nicht ablenken. Entscheidend ist, ob die Beschreibung von Zusammenhängen der Rechtfertigung oder einer korrigierenden Rahmensetzung dienen soll. Dies ist eine Frage der Werte.
Sei aufmerksam und verfolge die Zusammenhänge!
Komplexe Zusammenhänge machen es nicht leicht, Realitäten anzuerkennen. Dazu kommen die Tricks von bezahlten Illusionisten aller Art. Hygienisch abgepackte Hähnchenfilets im Kühlregal lassen vergessen, dass es sich um Tiere handelt. Romantische Bilder von Wiesen und Bauernhöfen verschleiern, dass mit Antibiotika gedopte Hühner in ihren dreißig Tagen Leben kein Tageslicht sehen. Antibiotika-Resistenzen kosten jedes Jahr allein in Deutschland tausende Menschen das Leben. Wenn bei uns nur noch Hähnchenfilets und -schenkel angeboten werden, hat das damit zu tun, dass die heimischen Fleischmärkte in Afrika mit importiertem Hühnerklein ruiniert werden. Kuschelreklame aus dem Schokoladenparadies lässt außen vor, dass Kinder für Kakaoplantagen geraubt und versklavt werden.
Geldrenditen lassen vergessen, dass echter Mehrwert irgendwie, irgendwo von irgendwem real erwirtschaftet werden muss. Durch Einstreichen dieser Renditen sind wir mitverantwortlich, auch wenn es eine Bank oder Versicherung für uns erledigt. Aus Beteiligung an und Mitverantwortung für Wirtschaft gibt es kein Entrinnen. Verantworten heißt mit Antworten leben. Antworten sind nicht einfach, nicht schnell und nicht durchgehend überzeugend zu finden. Doch ist schon ein Anfang gemacht, wenn wir die richtigen Fragen im Auge behalten.
Hierfür sollen solch einfache Zusammenhänge aufgezeigt und Maßstäbe benannt werden. Sie sollen helfen, sich nicht in Kompliziertheit zu verlieren und sich nicht durch Rechtfertigungssysteme blenden zu lassen, sondern immer wieder zu einfachen Positionen und Zusammenhängen zurückzukehren, um von dort unwegsames Gelände neu zu vermessen.
Geld ist kein Wertgegenstand, sondern ein Gestaltungsmittel
Geld ist nicht gut oder schlecht. Es kommt darauf an, was man damit macht.
Marktwirtschaft und Geldwirtschaft sind tolle Erfindungen. Geld ist das geniale Mittel, um Wirtschaften flexibel zu machen, um über Zeit und Raum hinweg Werte übertragen zu können, ohne mit materiellen Dingen hantieren zu müssen. Geld ist ein ideales Tauschmittel, umso mehr, wenn nur eine Zahl übermittelt werden muss. Das macht flexibel, kann aber vergessen lassen, dass letztlich reale Dinge dahinter stehen. Wenn nicht, dient es zum »Schein«tausch. Da kann man gleich Monopoly spielen. Im richtigen Leben hängt der Wert von Geld am Vertrauen, dass man es jederzeit wieder in konkrete »Lebensmittel« eintauschen kann. Dieses Vertrauen ist an Erfahrung und an das Vertrauen in Autoritäten gebunden.
Mit Geld umgehen zu lernen, ist bei uns notwendig, um gut leben zu können. Denn Geld ist ein wichtiges Mittel zur Lebensgestaltung. Und je besser man gestalten und dabei auch Geld nutzen kann, umso mehr Freiheit erlangt man persönlich und gesellschaftlich. Werden die realen Dinge (wie Güter und Dienstleistungen) mit Geld bewertet, entstehen Preise. Hohe Preise können deutlich machen, dass diese Dinge knapp sind und daher besonders klug eingesetzt werden sollten. Wenn Preise das abbilden, sind sie eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Dinge sinnvoll verteilt werden können.
Diejenigen sollen auf sie Zugriff haben, die damit etwas Sinnvolles tun können und wollen. Was sinnvoll ist, sieht jeder anders und muss daher diskutiert werden. Leider werden oft wertvolle Dinge, wie Trinkwasser, saubere Luft, gesunde Böden oder Zeit für einander fälschlich als beliebig vorhanden betrachtet und haben deshalb niedrige Preise. Viele Dinge haben hohe Preise, weil sie begehrt sind, obwohl ihr Wert fraglich ist. Dummerweise lernen Menschen leicht zu glauben, dass teuer und wertvoll bzw. billig und wertlos zusammengehören.
Bei der Verteilung von Gütern und Geld muss in einer humanen Gesellschaft einerseits an die gedacht werden, die zur Erzeugung weiterer Güter beitragen, also die, die üblicherweise als Leistungsträger betrachtet und gewürdigt werden. Ohne sie gibt es nicht lange etwas zu verteilen. Andererseits wird an die gedacht, die zur Gesellschaft gehören und noch nicht oder nicht mehr oder unter den gegenwärtigen Bedingungen überhaupt nur sehr wenig beitragen können. »Die Kultur einer Gesellschaft erkennst Du daran, wie mit Kindern, Alten und Schwachen umgegangen wird«, sagt ein russisches Sprichwort.
Bei der Frage der Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft richtet sich der Blick also zunächst auf die ersten, bei der Humanität auf die zweiten. Doch: Ohne gesunde Gesellschaft auf Dauer keine menschliche Leistung. Ohne Humanität ist gesunde Gesellschaft genauso wenig möglich wie ohne Leistung. Ohne Humanität beraubt sich Leistung auf Dauer seiner Existenzgrundlage. Leistung und Humanität können nicht einseitig geklärt werden, und sollten daher auch nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Wirtschaft ist überall!
Es gibt auch nicht die Wirtschaft und den Rest der Gesellschaft, sondern alle Lebensgestaltung kann und sollte auch unter Wirtschaftsgesichtpunkten betrachtet werden. Jeder Lebensvorgang hat mit Erzeugen und Verbrauchen, jede Beziehung hat mit Geben und Nehmen zu tun und kann irgendwie gerechnet werden. Doch gibt es viele Maßeinheiten, in denen gerechnet werden kann und viele Währungen neben denen, die man auf die Bank tragen kann. Daher sollten auch viele Währungen beim Erzeugen und Verbrauchen oder beim Geben und Nehmen berücksichtigt werden, auch solche, für die es nicht die üblichen Preisschilder gibt wie z.B. Kreativität, Aufmerksamkeit, Hingabe und Würdigung, Solidarität, Treue, Engagement oder Mut.
Alles wird bewirtschaftet und muss irgendwo seinen Ausgleich finden. Auch Großzügige und Mildtätige brauchen etwas zurück. Und wenn dies auch nur darin besteht, sich damit selbst verwirklichen zu dürfen und von anderen so gesehen zu werden. Ohne andere geht es nicht. Man kann guten Gewissens von Beziehungsökonomie sprechen. Wer das verteufelt, muss einmal überlegen, welche seiner »zwischenmenschlichen Geschäfte« unter der Ladentheke abgewickelt werden.
Ökonomie ist ein elementarer Bestandteil jeder Lebensgestaltung. Aber woran erkennt man Ökonomie? Da hat sich leider ein Missverständnis eingeschlichen und verfestigt. Es wird nämlich alles, was mit Geld zu tun hat, als ökonomisch bezeichnet. Dann ist jeder Glücksspieler und jeder Straßenräuber, jeder Nashornabschlachter und jeder Organhändler, jeder Holzbaron und jeder Mafioso auch ein Ökonom. Kann man so betrachten. Dann ist alles gleich gültig. Oder man ist nicht gleichgültig und behält Werte hinter und neben dem Geld im Auge.
Ökonomie hat erstmal ganz allgemein mit Schaffung von Mehrwert(en) zu tun. Mehrwerte erkennt man daran, dass sie irgendwie dem menschlichen Wohlergehen dienen. Da haben wir natürlich zwei große Diskussionsfelder aufgemacht. Wann ist ein Mehrwert entstanden und was heißt Wohlergehen? Und wessen Wohlergehen ist gemeint? Keiner kennt letztlich die moralisch sauberen oder richtigen Antworten, aber es gibt doch eine Reihe von Überlegungen, die helfen können, situativ Antworten zu finden, zu unterscheiden, was für menschliche Gesellschaften einen Unterschied macht.
Mehrwert in Geld erkennt man daran, wenn etwas hergestellt oder erworben und dann verkauft wird und mehr Gelderlös erbringt als für alle Bestandteile bezahlt werden musste. Ein solcher Mehrwert kann auch durch Plünderung von Ressourcen, Missbrauch von Marktmacht, Verführung von und Betrug am Kunden oder Abkassieren von Zuschüssen erlangt werden. Wären ohne Ausbeutung und Missbrauch nicht viele Produkte schlicht unökonomisch? Sie würden sich nicht wirklich rechnen und müssten eigentlich eingestellt werden.
Ob erzielbarer Geldmehrwert auf Wirtschaftlichkeit verweist, hängt davon ab, was in die Rechnung eingeht. Müsste man die dabei verbrauchten Ressourcen nicht so kalkulieren, dass ihre Quellen nicht substantiell geschädigt werden? Müsste man menschliche Leistungen und gesellschaftliche Vorteile nicht so kalkulieren, dass sie erhalten, ja gepflegt werden können? Dann würden sich viele Erzeugnisse schlicht als Verlustbringer darstellen.
Ökonomie als schöpferische Leistung bei Erhaltung der Ressourcen
Wirtschaft kommt von Hauswirtschaft zur planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs bzw. zur Bewirtung von Menschen. Ökonomie untersucht ihre Gesetztmäßigkeiten. Hier soll auf die Erzeugung von wirtschaftlichem Mehrwert abgehoben werden. Dann meint Wirtschaften das intelligente Zusammenfügen von Ressourcen und Faktoren zur Erzeugung eines Mehrwertes. Der »echte« Mehrwert entsteht durch schöpferische Leistung, dadurch dass nach dem Wirtschaftprozess mehr in der Welt ist als vorher da war. Echter Mehrwert repräsentiert also nicht die ins Erzeugnis eingegangenen Ressourcen, sondern das Mehr, das durch Synthese, durch schöpferisches Zusammenfügen von Elementen entsteht. Bei einer Flasche Mineralwasser, besteht der Mehrwert nicht im Wasser, sondern dessen Verfügbarmachung in einer Form und an einem Ort, an dem es nicht natürlich zur Verfügung steht. Ist Wasser knapp, dann müsste man seinen Verbrauch eigentlich gegenrechnen, es sei denn, es wird dafür gesorgt, dass sich die Wasserressourcen erneuern. So gesehen entsteht der Mehrwert landwirtschaftlicher Produktion eben durch die Produktionsverfahren, nicht durch Ausbeutung von Natur.
Ein eventueller Verlust an Bodenqualität, Wasserverbrauch etc. muss gegengerechnet werden, während Ressourcengewinn etwa durch Bodenpflege bei der Produktion den Mehrwert erhöht. Allein Ausbeutung von Ressourcen oder Nutzung von Möglichkeiten zum Gelderwerb ist in diesem Sinn nicht Wirtschaften, sondern mehr oder weniger vertretbare Plünderei. Dieses Wirtschaftverständnis ist zunächst klassisch, »zum Anfassen« und sicher nicht so leicht auf moderne Wirtschaftprozesse und Zusammenhänge zu beziehen, doch es soll ja auch eher Wert-Haltungen markieren als für heutiges Wirtschaften passende Modelle liefern.
Wirtschafts- und Gesellschaftskultur gehören zusammen
Auch das Wirtschaften selbst ist Leben bzw. Leben wird aus einer Perspektive, nämlich der wirtschaftlichen betrachtet. Betrachtet man das (Wirtschafts-)Leben einzelner, dann spricht man von Persönlichkeit und Lebenskultur. Es gilt aber auch für Gemeinschaften, dann spricht man von deren Kultur, etwa bei Familien, Vereinen, Unternehmen oder Glaubensgemeinschaften. Wirtschaften ist daher ein Beitrag zu und Ausdruck von gesellschaftlicher Kultur. Wirtschaften soll der menschlichen Wohlfahrt dienen. Ob und wie dies der Fall ist, gehört zur Auseinandersetzung mit Kultur.
Dabei geht es immer auch um die Frage: Wie wollen wir leben? Dabei fällt die Meinungsbildung beim Blick auf Produkte noch relativ leicht. Wollen wir Bodenminen, Pestizide oder Biotomaten? Schwerer fällt die Beurteilung, wenn es um die systemischen Zusammenhänge geht. Sind Bodenminen vertretbar, wenn sie militärischen Nutzen haben, aber tatsächlich viele Unschuldige danach töten oder verstümmeln? Sind Pestizide vertretbar, wenn sie zunächst Ernährungsprobleme lösen, langfristig aber die Biosphäre systematisch vergiften. Sind Biotomaten vertretbar, wenn sie zwar für wohlhabende Konsumenten gesund sind, aber bei der Produktion Habenichtse missbraucht und deren Ressourcen ausgebeutet werden?
Beurteilt man Wirtschaften, kann man nicht allein die Produkte berücksichtigen, sondern schaut besser auf die Strukturen und Kulturen, die sie schaffen. Wie ist Palmölwirtschaft zu betrachten, wenn das Produkt biologisch zu begrüßen ist, aber z.B. in Südamerika dazu führt, dass Bauern von mafiös organisierten Produzenten von ihren Feldern vertrieben oder gar ermordet werden? Es geht einerseits um Leben, das durch die Produkte selbst beeinflusst wird, andererseits um Leben, das durch das Wie des Wirtschaftens gestaltet wird. Wie geht es den Menschen beim Wirtschaften, im Berufsleben, als Teilnehmer an Wirtschaft? Nicht erst die sich epidemisch ausbreitenden gesundheitlichen Störungen heben diese Frage über die persönliche Betroffenheit hinaus. Arbeitsleben hat nicht nur Wirkungen auf das sonstige Leben, sondern ist selbst Leben, für viele sogar der entscheidende Teil.
Nur was erwirtschaftet wird, kann verteilt werden
Natürlich gibt es auch in der Freibeuter-Ökonomie Verteilungsprobleme. Doch wird da ja nur ein Deckbett hin und her gezogen. Deckt sich der eine zu üppig zu, liegt der andere ohne. Wird die Decke insgesamt zu klein, muss sie vergrößert werden. Erzeugung von Mehrwert und dessen gerechte Verteilung können nur zusammen nachhaltig Abhilfe schaffen. Über Anforderungen an wirkliche Mehrwerterbringung und dessen Verteilung muss gesellschaftlich gerungen werden. Das ist Aufgabe einer leistungsfähigen Politik. Traut sich diese nicht, den Privilegierten Vorgaben zu machen, Privilegien in Grenzen zu halten, um das Heer der Unterprivilegierten nicht zu vergrößern? Es gibt Studien, die zeigen, dass Volkswirtschaften insgesamt ärmer werden, wenn die Scheren zu weit aufgehen. Sich übermäßig zu bereichern, sägt am Ast wirtschaftlicher Gesundheit, letztlich auch der eigenen. Es geht also nicht um eine Neiddebatte, sondern um Vernunft für alle. Und wer sollte dabei im Zentrum des Interesses stehen? Die Konzerne?
Verfolgt man die Berichte in den Medien, könnte man denken, dass die Konzerne unsere Wirtschaft bestimmen. Doch ca. 70 Prozent der Wirtschaftsleistung in Deutschland werden nach wie vor im Mittelstand erbracht. Eine Schwächung der gesellschaftlichen Mitte schafft Ausgangsbedingungen für gesellschaftliche Entgleisungen. Der Philosoph Peter Sloterdijk meint, dass die Staatsverschuldung damit zu tun hat, dass nicht wirklich über Verteilung gestritten wird. Das, was für die Erhaltung von sozialem Frieden gebraucht wird, wird nicht den Reicheren genommen, sondern auf Pump finanziert. Eine Zeitbombe, ähnlich wie bei der Stromproduktion ohne gesicherte Entsorgung für Atomabfälle.
Zwei Phantasien behindern uns daran, mit der Lösung unserer Probleme auf dem Laufenden zu bleiben: Erstens, Geld arbeitet und kann an sich Mehrwert erzeugen, und zweitens, Wachstum wird die aufgehäuften Probleme lösen. So erkennt man aktuellen Klärungsbedarf nicht und fordert die Politik zu wenig. Stattdessen lassen wir uns mit vergleichsweise unwichtigen Themen unterhalten.
Humanes Wirtschaften will gelernt sein
Erzeugen wie Verbrauchen, Geben und Nehmen können uns gut oder schlecht gelingen und wollen daher gelernt sein. Wirtschaftlich leben will gelernt sein. Da hat jeder seine Entwicklungsaufgabe für sein eigenes Leben und die davon Betroffenen. Doch schafft die eigene Art zu wirtschaften auch Rahmenbedingungen für andere, je mehr man kann und je erfolgreicher man ist, umso mehr. Daher hat jeder auch Wirkungen auf andere, auf Strukturen und Kulturen. Werden sie nicht aktiv verantwortet, verfällt man ohne Schlechtigkeit der Banalität des Bösen. Wehrt man den Anfängen braucht es weniger Kraft, Mut und Können, seine Verantwortung wahrzunehmen.
Im Wie des Wirtschaftens lässt sich oft leichter wertorientiert handeln als im Was. Da kann man schon mal auf einen Zuschuss verzichten, wenn dieser unnötig oder ungerechtfertigt ist. Da kann man schon mal ein besseres Produkt kaufen, wenn Chance besteht, dass es nicht nur teurer ist. Da kann man schon mal 2. Klasse fahren, auch wenn 1. Klasse bezahlt würde. Da kann man schon mal zugeben, dass man nicht ausgelastet oder nicht wirksam eingesetzt ist, auch wenn dann Änderungen anstehen. Da kann man schon mal einen Arztbesuch oder ein nicht wirklich hilfreiches Medikament einsparen, auch wenn man leicht und kostenlos drankommt. Da kann man schon mal auskömmlich Löhne zahlen, wenn man auch mit prekären Beschäftigungen hinkäme. Da kann man schon mal aufrichtig darüber sprechen, was Arbeit besser, Arbeitsleben befriedigender machen würde, auch wenn man mit Druck zur Anpassung zwingen könnte. Da kann man schon mal Beteiligte extra würdigend erwähnen, auch wenn alle nur wie gewohnt auf die Helden schauen. Da kann man schon mal ein Problem abfangen oder einspringen, auch wenn man dazu nicht verpflichtet wäre.
Jeder hat Spielräume, auch die »Kleinen«, besonders wenn sie gemeinschaftlich agieren. Doch gilt das genauso für die »Großen«. Am Ganzen gemessen, sind auch sie »Kleine« und die meisten empfinden das auch so, wenn sie ehrlich sind. Alle sollten ihr Streben nach Leben in menschlicher Würde wach halten und sich um Kettenreaktionen des Guten bemühen. Der Lohn wird nicht unbedingt, bald und in großem Maßstab in Geld ausgezahlt, jedoch reichlich in anderen Währungen. Also auch in widrigen Umständen, bei Urteilsunsicherheit und ohne Drive aus dem Mainstream dürfen Inseln für bessere Varianten gefunden und vergrößert werden, auch dann, wenn es sich quantitativ gesehen um Tropfen auf den heißen Stein handelt.