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Bernhard von Mutius (Hrsg.):
Die andere Intelligenz. Wie wir morgen denken werden

ISBN: 3608940855
Erscheinungsjahr: 2004
Klett-Cotta

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  Ökonomie für jede Lebenslage

Denken als Trockenübung
        


 
ls Motto stellt Bernhard von Mutius seiner Textsammlung ein Zitat von Joseph Beuys voran: »Vor der Frage: Was können wir tun? muß der Frage nachgegangen werden: Wie müssen wir denken?« In unserer Zeit, die von Unsicherheiten und komplexen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen geprägt ist, kommt es immer stärker darauf an, das Denken neu zu durchdenken – gleichermaßen als Trockenübung zur anschließenden Handlung. Nur wenn wir das Denken neu lernen, seien wir imstande, die Probleme des 21. Jahrhunderts zu meistern.

Denn Bernhard von Mutius, Sozialwissenschaftler und Philosoph, beklagt: »Je mehr wir wissen, desto weniger scheinen wir weiter-zu-wissen.« Der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft sowie die Verfügbarkeit neuer Informationstechnologien haben uns zwar eine Vielzahl neuer Wissensquellen beschert – sind wir aber deshalb klüger geworden? Den geistigen Gütern und intellektuellen Ressourcen kommt eine neue und bestimmende Rolle zu. Dennoch meint Bernhard von Mutius einen Zeitgeist zu vernehmen, der wenig Raum für Querdenker mit unorthodoxen Ideen und Vorschlägen lässt.

Macht man sich jedoch die Mühe, sich etwas umzusehen und kratzt ein wenig an der Oberfläche, findet man in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen sehr wohl interessante und fruchtbare Denkansätze, die dazu beitragen, die komplexen sozialen Entwicklungen zu verstehen und handhaben zu können. So wird man etwa in den Kognitionswissenschaften, der Komplexitätsforschung, der Hirnforschung, der Systemtheorie, der systemischen Theorie und Beratung, in neueren philosophischen, ökonomischen und kulturwissenschaftlichen Arbeiten sowie der Kunst und Literatur fündig.

Der vorliegende Band unternimmt den Versuch, die diversen Ansätze, die zumeist nur vereinzelt wahrgenommen werden, interdisziplinär in einen Zusammenhang sowie mit den Aufgaben aus Wirtschaft und Gesellschaft in Verbindung zu bringen. Welche Muster sind den verschiedenen Denkansätzen gemeinsam? Wie kann durch ein Überschreiten der Disziplingrenzen das Alltagsdenken bereichert werden? Als Ziel formuliert von Mutius, dass die Beantwortung dieser Fragen einen neuen Kenntnisstand markieren soll, hinter den die Diskurse unserer Zeit nicht mehr zurückfallen sollten.

Der Physiker und Sozialwissenschaftler Günter Küppers bereitet mit seinem Beitrag den Boden für alle nachfolgenden Artikel, indem er sich mit grundsätzlichen Fragen über unser Verhältnis zu Wissen und Wissenschaft auseinandersetzt: Er plädiert für einen neuen Umgang mit Wissenschaft und Technik. Der Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft stelle neue Anforderungen an die Wissenschaft, da es heute weniger um die Aufklärung fundamentaler Gesetzmäßigkeiten in Natur und Gesellschaft ginge, sondern die Wissenschaft würde immer mehr gefordert, für Probleme der Gesellschaft konkrete Lösungen anzubieten.

Ernst Peter Fischer, Physiker, Biologe und Wissenschaftshistoriker, will die Genetik heute als Geisteswissenschaft verstanden wissen, um die zentralen Fragen, die sich ihr stellen, beantworten zu können. Um also herauszufinden, wie Gene die Entwicklung steuern, muss der »naturwissenschaftliche Zaun übersprungen« werden.

Der Psychiater, Psychoanalytiker und systemische Familientherapeut Fritz B. Simon vertritt die These, dass psychiatrische Begriffe wie »Depression« oder »Manie« wirtschaftliche Prozesse nicht nur sinnbildlich beschreiben können.

Der ZEIT-Wirtschaftsredakteur Uwe Jean Heuser tritt dafür ein, die Vorstellung des Menschen als homo oeconomicus, wie dies etwa Reinhard Selten bei Erforschung seiner Spieltheorie propagiert hatte, durch jene eines homo oeconomicus humanus zu ersetzen. Der Mensch verhält sich nun einmal nicht gemäß den Annahmen, die Ökonomen ihren Theorien zugrunde legen. Er maximiert nicht in jeder Situation seinen Eigennutz, schätzt Situationen falsch ein, macht unbewusst Fehler oder nimmt Verluste bewusst in Kauf. Die Verhaltensökonomie trägt dem Rechnung und geht von einem Menschen aus, der nach einer eigenen Rationalität vorgeht.

Dies ist nur eine kleine Auswahl von Beiträgen des Bandes. Die genannten sowie eine Vielzahl weiterer Autoren aus den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen beschreiben neue Dankansätze, die einen Startpunkt bilden sollen, um mit den wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen der heutigen Zeit Schritt halten zu können.

Da niemand diese Fragen allein zu beantworten vermag, hat Bernhard von Mutius durch das Zusammenbringen von Experten aus unterschiedlichen Disziplinen einen wertvollen Beitrag in diese Richtung unternommen. Dabei sind die Artikel, die in dem Band zusammengefasst sind, in Charakter und Stil sehr unterschiedlich, was auch so gewollt ist. Es geht dem Herausgeber nicht um das Herstellen einer äußeren Gleichförmigkeit, sondern um die Suche nach Berührungspunkten oder Überschneidungen der Denkansätze.

Jeder einzelne der in dem Buch versammelten Artikel kann als ein Mosaiksteinchen aufgefasst werden, die alle zusammen ein großes Bild einer neuen Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den Problemen unserer Zeit zeichnen. Ein intelligentes Buch über die Intelligenz und der Versuch einer Annäherung an einen anderen Umgang mit Wissen und Nichtwissen.