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Gerhard Schulze:
Die beste aller Welten. Wohin bewegt sich die Gesellschaft im 21. Jahrhundert?

ISBN: 3596163854
Erscheinungsjahr: 2004
Fischer

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Der Weg ist das Ziel?
        


 
er deutsche Philosoph Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz glaubte, dass man die beste aller Welten immer schon vorfände. Einem Glaubensbekenntnis gleich gibt der Universalgelehrte seiner Überzeugung Ausdruck, dass eine von Gott eingerichtete Welt gar nicht anders als perfekt sein könne. Gerhard Schulze setzt dem entgegen, dass wir als Erben des Denkens der Aufklärung durch die Vorstellung geprägt sind, dass die beste aller Welten noch nicht verwirklicht sei. Gemeinhin besteht ein Grundkonsens, dass man die beste aller Welten immer nur suchen könne, ohne jemals dort anzukommen. Aber dies ist kein Grund, die Suche erst gar nicht zu beginnen: »Die beste aller Welten ist nicht erreichbar, aber immer erstrebenswert«, stellt Gerhard Schulze seinem Buch im Vorwort voran.

Und so ist die moderne Welt ständig in Bewegung, auf der Suche nach der besten aller Welten, ohne je anzukommen. Die ständige Suche verdrängt völlig den Aspekt der Ankunft und macht den Weg selbst zum Ziel. Ein Ende ist nicht abzusehen, soll es auch nicht sein, da es eher Angst macht, da Ankunft mit Stillstand gleichgesetzt wird.

Die Suche nach der besten aller Welten wird vor allem durch das Steigerungsspiel bestimmt, das durch einen stetigen Wandel geprägt ist, der linear verläuft. Wir stehen vor dem Phänomen, eine stabile Ordnung darin zu finden, dass die Gewissheit auf ständige Neuerung allgemein verbreitet ist. Was uns heute mehr überrascht, ist das Ausbleiben von Wandel als die Neuerung an sich. Alles hat nur so lange Bestand, bis etwas Besseres gefunden wird. Auch Probleme, die durch das steigerungslogische Denken auftreten, werden wiederum nur mit weiterem Fortschritt bekämpft.

Kann das Steigerungsspiel aber ewig fortdauern? Machen drei Radios im Haus glücklicher als eines, vermehrt die Anzahl der empfangbaren Fernsehkanäle die Zufriedenheit? Gerhard Schulze meint dazu, das Steigerungsspiel wird zwar weitergehen, zu machtvoll ist die ihm innewohnende Logik, gleichzeitig aber wird eine andere Idee, diejenige des Angekommen-Seins immer stärker an Bedeutung gewinnen. Die Menschen, meint Schulze, wird das vor neue Probleme stellen. Oft ist das Streben nach einem Ziel einfacher als das Erreichen des Ziels. Für diesen Übergang vom Steigerungsspiel zur »Kultur der Ankunft« zeichnet Schulze die Metapher des Übergangs vom Hausbauen zum Wohnen. Das Hausbauen lässt keine Unklarheit darüber aufkommen, was das Ziel ist, und dieses Ziel gibt Orientierung. Ist der Zeitpunkt gekommen, da das Haus fertig ist, steht man plötzlich vor einer unstrukturierten Situation, in der man seine Ziele selbst definieren muss.
Gerhard Schulze sieht daher einen Bedeutungszuwachs in Fragen der Kultur. Es gehe beispielsweise nicht länger darum, mehr und mehr Radios zu verkaufen, sondern um die Frage, was die Radios spielen.

»Die beste aller Welten« ist für Gerhard Schulze keine Zustandsbeschreibung unserer Welt, auch will er kein Zukunftsbild beschreiben. Den Titel versteht er als Konsens der westlichen Welt, als gemeinsamen Suchbegriff, und so sieht er keinen Grund für Pessimismus, wenn die beste aller Welten auch in naher Zukunft nicht verwirklicht sein wird.

Gerhard Schulzes Ausführungen sind nicht von Pessimismus getragen, er ist ein wachsamer und aufmerksamer Beobachter menschlicher Verhaltensweisen und weiß diese spannend mitzuteilen. Vielleicht mehr noch als seine Schlussfolgerungen machen seine Herleitungen und Gedankengänge den Lesegenuss aus. Diese originelle Diagnose einer Epoche besticht auch durch stilistisches Können und stellt Pflichtlektüre für alle dar, die an den Brüchen der westlichen modernen Welt interessiert sind.