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Wolf Lotter:
Verschwendung. Wirtschaft braucht Überfluss - die guten Seiten des Verschwendens

ISBN: 3446400354
Erscheinungsjahr: 2006
Hanser

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Keine Verschwendung, keine Zukunft
        


 
ürtel enger schnallen, sparen und Kosten senken: so lautet das Gebot der Stunde. Überfluss sei schlecht, so die verbreitete Meinung. Knappheit regiert das Leben.

In seinem neuen Buch Verschwendung formuliert Wolf Lotter, Wirtschaftsjournalist und Mitbegründer von brand eins, die These, dass eine solche Sichtweise jeder menschlichen Natur und wirtschaftlichen Realität widerspreche. Der verbreiteten »Geiz ist geil«-Rhetorik setzt er den Appell des Verschwendens entgegen. Verschwendung sei gut, da sie den Boden für Innovationen bereite und produktiv sei. Der Mensch will aus dem Vollen schöpfen, Kultur sei nie auf Knappheit oder Verzicht ausgerichtet und die Wirtschaft braucht den Überfluss, um Produkte zu schaffen. Verschwendung ist unerlässlich für eine funktionierende Marktwirtschaft, denn nur sie sorgt dafür, dass investiert und das Rädchen am Laufen gehalten wird, das heißt Arbeitsplätze geschaffen und Produkte hergestellt werden. Geiz und Sparsamkeit wirken wie eine Zwangsjacke, während Vielfalt und Verschwendung für Befreiung sorgen.

Seinen Ausführungen legt Wolf Lotter einen Verschwendungsbegriff zugrunde, der nichts damit zu tun hat, Geld beim Fenster hinaus zu werfen, nicht Vergeudung ist gemeint, denn diese verbraucht nur, ohne Neues zu schaffen. Verschwendung ist für Lotter eine Tugend und bedeutet das freie Spiel der Ideen, Mut zum Risiko und zum Neuen. Spar- und Reformprogramme seien eine Vergeudung von Energie und Kraft, weil das Ziel bloß sei, alles so zu erhalten, wie es ist. Besser wäre es, mit Verschwendung die Übel der Zeit an der Wurzel zu packen, denn Verschwendung sei die Kraft hinter dem Kapitalismus, dem einzigen Wirtschaftssystem, das sich immer wieder neu erfindet, Neues schafft und Altes hinter sich lässt.

Heute, meint der Autor, zählen die Welt der Industrie und ihre Denkweise zur Welt von gestern. Staat, Unternehmen und Bürger haben das jedoch großteils noch nicht erkannt und halten an den alten Denkmustern fest. Die moderne Welt der Vielfalt ist mit der alten Übersichtlichkeit aber nicht mehr in den Griff zu bekommen. Die Welt sei keine Einheit und Vereinfachung nicht das passende Rezept. Die Vielfalt ist oft irritierend, aber letztendlich unausweichlich, auch wäre es dumm, die Augen vor den verschiedenen Möglichkeiten zu verschließen. Mit der Komplexität müssen wir leben. Und Komplexität zieht unausweichlich Verschwendung nach sich.

Auch eine Antwort auf die Frage nach Anstand und Moral, welche stets fällt, wenn es um Verschwendung geht, bleibt Wolf Lotter nicht schuldig. Der Autor verweist auf die Geschichte, die belegt, dass sich vor Beginn des industriellen Zeitalters eine solche Frage nicht ergeben hätte: so war etwa das Jahr durch Feste strukturiert, Geben war in allen Kulturen Grundlage von Beziehungen. Heute hingegen gelte die industrielle Einheitsidee, puritanischer Geiz tritt an die Stelle der alten Traditionen. Wolf Lotter sieht sogar die Grundwerte des Sozialen gefährdet: denn wo Verschwendung herrscht, tun sich nicht nur neue Möglichkeiten für den Verschwender auf, sondern es fällt immer auch reichlich für andere ab.

Wolf Lotter liefert in seinem Buch eine Reihe von Einsichten abseits der ausgetretenen Pfade. Wie immer ist der Autor für intelligente Gedanken gut, die uns neue Perspektiven auf die Welt der Wirtschaft eröffnen. Wer jedoch Wolf Lotters Artikel aus brand eins kennt, wird vielleicht etwas enttäuscht sein: etwas langatmig und konstruiert wirkt das Buch an manchen Stellen. Nichtsdestotrotz: Die in Verschwendung versammelten Argumente sind längst überfällig, und Wolf Lotter trägt sie mit großer Kenntnis der Zusammenhänge und nicht zuletzt Humor vor.