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Eric D. Beinhocker:
Die Entstehung des Wohlstands. Wie Evolution die Wirtschaft antreibt

ISBN: 3636030868
Erscheinungsjahr: 2007
mi-Fachverlag

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Wohlstand ist Wissen
        


 
tellen Sie sich vor, Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie, und Adam Smith, Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre, treffen aufeinander. Die beiden Wissenschaftler beschäftigten sich zeit ihres Lebens mit zwei Hauptfragen der Menschheit - Woher kommen wir? Wie finden und mehren wir unser Auskommen? - und fanden die wohl bekanntesten Antworten darauf. Charles Darwin schrieb über die Entstehung der Arten und Adam Smith forschte über den Wohlstand der Nationen. Was wäre zu erwarten, brächte man die beiden Wissenschaftler, die auf ihrem Gebiet jeweils Bahnbrechendes geleistet haben, zusammen? Eric D. Beinhocker unternimmt eben dieses Gedankenexperiment in seinem Buch Die Entstehung des Wohlstands, in dem er ausführt, wie Evolution die Wirtschaft antreibt.

Beinhocker, Senior Fellow am McKinsey Global Institute, dem Thinktank des Beratungsunternehmens, räumt auf mit einigen Grundannahmen der Wirtschaftswissenschaften: Das Modell des Homo oeconomicus erweist sich ebenso als Fiktion wie das klassische Gleichgewichtsmodell der Ökonomie. Solche Modelle vermögen keine befriedigenden Erklärungen zu geben in einer Welt, die komplex und unberechenbar ist. Beinhocker plädiert also dafür, die Rechnung endlich mit dem wahren Wesen des Menschen zu machen. Dieser handelt nämlich nie vollkommen rational und verfügt auch kaum jemals über alle denkbaren Informationen, um Entscheidungen zu treffen. Auch die Welt, in der der Modellmensch handelt, hat wenig mit der Realität zu tun: Unternehmen arbeiten stets mit optimaler Effizienz, die Mengen sind im Markt stets optimal verteilt, es gibt weder Kapazitätsengpässe noch Überproduktion und so weiter.

Beinhocker glaubt nicht an die Berechenbarkeit ökonomischer Zukunft. Seiner Meinung nach sind jene Wirtschaftswissenschafter, die wirtschaftliche Zusammenhänge in Formeln und Gleichungen pressen wollen, um Entscheidungen berechenbar und nachvollziehbar zu machen, auf dem Holzweg. Denn: »Die menschliche Vernunft ist so gut wie außerstande, in einem komplexen System wie der Wirtschaft Vorhersagen zu machen, die über einen begrenzten Zeitrahmen hinausgehen.« Weil nach Beinhocker die Ökonomie kein Gleichgewichts-, sondern ein Ungleichgewichtssystem ist, noch dazu offen und dynamisch. Und die Akteure basieren ihre Entscheidungen zwar auf unvollständige Informationen, sind dafür aber lern- und anpassungsfähig.

Auf dieser Basis kann man eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Selbst bei noch so umfassender Information sei jede wirtschaftliche Entscheidung letztlich nichts anderes als Versuch und Irrtum. Und genau hier findet die Überschneidung mit der Evolution statt. Auf die Wirtschaft übertragen kann die Evolution als eine Formel für Innovation verstanden werden: durch Ausprobieren werden neue Entwürfe erzeugt und so Probleme gelöst. Kaum etwas läuft planmäßig in der Wirtschaftswelt. Optionen werden identifiziert, ausgewählt und ausprobiert. Wenn sie sich bewähren, werden sie weiterverfolgt. Produkte oder Geschäftsmodelle, die sich als erfolgreich herausstellen, haben sich letztlich im Evolutionsprozess am Markt gegen andere behauptet.

Auch die Unterscheidung von offenen und geschlossenen Systemen, die bis heute konsequent ignoriert wird, ist Beinhocker wichtig. Wäre die Wirtschaft tatsächlich ein geschlossenes Gleichgewichtssystem, dann gäbe es keine spontane Selbstorganisation. Solche Systeme erzeugen keine komplexen Muster und sie bringen nichts Neuartiges hervor. Daher wird in einem geschlossenen Gleichgewichtssystem auch Wohlstand nicht neu erzeugt, sondern das Ausmaß an Wohlstand ist von Beginn an fest vorgegeben. Der Wohlstand kann verteilt werden, aber die Wirtschaft kann in diesem System keinen neuen Wohlstand erzeugen. Genau das aber macht sich Beinhocker zur Aufgabe seines Buches: zu erklären, wie Wohlstand entsteht. Nicht von ungefähr kommt der Titel seines Buches: Er kombiniert darin die Titel von Darwins und Smith' Hauptwerken: Die Entstehung der Arten beziehungsweise Der Wohlstand der Nationen.

Für Beinhocker ist Wissen der Ursprung des Wohlstands. Und er geht noch einen Schritt weiter: »Wohlstand ist Wissen, und sein Ursprung ist Evolution.« Evolution produziert Ordnung und diese Ordnung besteht aus Informationen, nämlich Bauplänen, die sich vervielfältigen lassen. Der eigentlich kühne Schritt an Beinhockers These ist der, dass er Innovation in den Mittelpunkt seines Wirtschaftsmodells stellt. Die klassische Wirtschaftslehre klammerte Innovation stets aus. Ein weiteres großes Verdienst von Beinhockers Buch ist es, dass er bei der Kritik an den wirklichkeitsfremden Grundannahmen der klassischen Wirtschaftswissenschaft nicht stehen bleibt. Er wagt sich darüber hinaus und entwickelt ein neues Verständnis von Wirtschaft, in dem Komplexität nicht ignoriert wird.

Beinhockers Ausführungen faszinieren, weil sie richtungweisend sind. Er beschreibt anspruchsvoll, aber dennoch verständlich Wirtschaft als komplexes, adaptives System, das von einem Gleichgewicht meilenweit entfernt ist. Die wirklichkeitsnahe Abbildung der Welt erlaubt auch die Ableitung von Handlungsanweisungen. Da wir ökonomische Vorgänge nicht vollständig steuern können, empfiehlt sich Risikostreuung durch Variation. Der Möglichkeitsraum denkbarer Entwürfe sollte optimal ausgeschöpft werden, um möglichst viele Entwürfe in den Evolutionsprozess zu schicken. Weil die Evolution weder vorhergesagt noch dirigiert werden kann, wäre es fatal, alle Anstrengungen auf ein Produkt oder auf eine Strategie zu konzentrieren. Für Unternehmen geht es nun darum, ihre Organisation möglichst evolutionstauglich zu gestalten. Wohlstand und ökonomischer Erfolg sind daher mehr als ein glücklicher Zufall. Man müsse nur um die Dynamik der Evolution Bescheid wissen und sich diese zunutze machen.