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Hartmut Seifert, Olaf Struck (Hrsg.):
Arbeitsmarkt und Sozialpolitik. Kontroversen um Effizienz und soziale Sicherheit

ISBN: 3531163043
Erscheinungsjahr: 2008
Vs Verlag

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Vom Nutzen der Sozialpolitik
        


 
ie Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ist gefordert: Flexibilität und Mobilität nehmen auf den modernen Arbeitsmärkten fortwährend zu. Inwieweit sich aus diesen neuen Anforderungen an die Menschen für sie Chancen und Risiken ergeben, hängt zu einem großen Teil von der politischen Gestaltung ab. Die Politik strebt mit ihren Maßnahmen nach größtmöglicher nationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die jüngeren Entwicklungen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zeigen, dass nur zu oft eine kurzfristige ökonomische Effizienz das Ergebnis politischer Handlungen ist und dass die Risiken einer schnellen Marktanpassung zunehmend auf die Erwerbsbevölkerung abgeschoben werden. Der Ruf nach Selbstvorsorge und Eigenverantwortung geht nicht immer mit einer Zunahme von Autonomie einher.

Da es immer schwieriger wird, zugleich Flexibilität und Effizienz sowie Autonomie, Wohlfahrt und Sicherheit für möglichst viele Menschen zu erhöhen, steigen die Anforderungen an die Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Der von Hartmut Seifert, Leiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans Böckler Stiftung, und Olaf Struck, Oberassistent für Soziologie im Arbeitsbereich Wirtschafts- und Sozialstrukturanalyse an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, herausgegebene Band Arbeitsmarkt und Sozialpolitik versammelt eine Auswahl von Aufsätzen, die Wege zu mehr Effizienz und Sicherheit bei der Gestaltung flexibler Arbeitsmärkte aufzeigen. Die Sammlung der Texte nimmt nicht für sich in Anspruch, ein geschlossenes Konzept für eine neue Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vorzulegen, sondern möchte Analysepotentiale für die Begegnung der neuen Herausforderungen bieten.

Der erste Teil des Sammelbandes betrachtet Nutzen, Kosten und Akzeptanz der sozialpolitischen Arbeitsmarktgestaltung.
So stellt etwa Günther Schmid in seinem Essay die Frage nach dem Mehrwert der Arbeitsmarktpolitik. Er hält ein Plädoyer für eine lebenslauforientierte Arbeitsmarktpolitik durch die Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Beschäftigungsversicherung: nicht nur das Einkommensrisiko bei Arbeitslosigkeit, sondern auch die Einkommensrisiken bei kritischen Übergängen im Lebenslauf seien abzusichern. Dadurch würde nicht nur die ökonomische Wohlfahrt steigen, auch den sozialpolitischen Zielen einer größeren Selbstbestimmung und einer balancierten Gestaltung von Lebens- und Arbeitswelt könnte man näher kommen.
Die beiden Herausgeber Hartmut Seifert und Olaf Struck diskutieren in ihrem Beitrag die Wirkungen der Flexibilisierungen des Arbeitsmarktes auf die soziale Sicherheit und gehen dabei von der Annahme aus, dass dynamische Arbeitsmärkte Flexibilität benötigen. Gleichzeitig erfordern aber die dadurch aufgeworfenen neuen sozialen Risiken eine neue soziale Sicherungspolitik. Denn nicht Flexibilität an sich ist das Problem, sondern vielmehr ein unproduktiver Umgang mit den Unsicherheiten.

Der zweite Teil befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmärkten und Sozialpolitik und richtet einen gezielten Blick auf einzelne Gruppen und institutionelle Regelungen.
Anne Hacket untersucht Risiken und Chancen von Betriebsstabilität und -mobilität anhand von Einkommensverläufen und kommt zum Schluss, dass hauptsächlich die Kontextbedingungen dafür verantwortlich sind, ob Chancen oder Risiken dominieren: Handelt es sich um ost- oder westdeutsche Arbeitsmärkte? Ist die Mobilität freiwillig verursacht oder geschieht der Betriebswechsel unfreiwillig?
Katrin Baltes und Andrea Hense gehen der Frage nach den Weiterbildungschancen auf flexiblen Arbeitsmärkten nach. Sie untersuchen in ihrem Beitrag inwieweit die aktuelle Platzierung am Arbeitsmarkt (Normalarbeitsverhältnis, atypisch beschäftigt oder arbeitslos) die berufliche Weiterbildung und darüber die zukünftigen Beschäftigungsmöglichkeiten beeinflusst.
Zudem werden im zweiten Teil unter anderem die Widersprüche thematisiert, welche sich daraus ergeben, dass bei fast allen Reformen der Wandel der Geschlechterbeziehungen ignoriert wurde: Zielkonflikte seien vorprogrammiert angesichts der Forderung nach individualisierter Lebensgestaltung auf dem Arbeitsmarkt und dem gleichzeitig weiterhin im Raum stehenden Ernährer-Hausfrau-Modell im Bereich der Kindererziehung. Schließlich werden die Hartz-Reformen kritisiert als Synonym für Verunsicherung.

Der dritte Teil des Bandes zeichnet die unterschiedlichen Wege nach, die verschiedene Länder Europas in der Umsetzung von »Flexicurity« gegangen sind. So geht etwa Claudia Bogedan dem Erfolg Dänemarks auf die Spur, wo einerseits eine Reduktion von Arbeitslosigkeit gelang, andererseits die scheinbar widersprüchlichen Anforderungen nach Flexibilität und Sicherheit im Arbeitsmarkt vereint wurden.
Der abschließende Beitrag behandelt die Auswirkungen der Europäischen Beschäftigungsstrategie in Deutschland, Frankreich und Italien.

Insgesamt bietet der Band eine interessante Diskussion der sozial- und arbeitsmarktpolitischen Voraussetzungen für das Funktionieren flexibler Arbeitsmärkte. Dass die Arbeitsmärkte flexibler werden, daran besteht kein Zweifel. Ein großes Verdienst der hier gesammelten Essays ist es, dass sie darüber hinausgehen, diesen Fakt zu beklagen. Die zunehmende Flexibilität ist durchaus Basis für einen allgemeinen Wohlfahrtsgewinn sowie Autonomiegewinne für möglichst viele Menschen. Voraussetzung ist allerdings eine wirksame Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Damit eine solche nicht länger hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt, dafür gibt der Band zahlreiche Denkanstöße.