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Irmi Seidl, Angelika Zahrnt (Hrsg.):
Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft

ISBN: 3895188115
Erscheinungsjahr: 2010
Metropolis

 

Fred Luks:
Endlich im Endlichen oder: Warum die Rettung der Welt Ironie und Großzügigkeit erfordert

ISBN: 3895187046
Erscheinungsjahr: 2010
Metropolis

Nach dem Wachstum
        


 
och steht das Wachstumsziel im Zentrum allen politischen und wirtschaftlichen Denkens und Handelns. Ohne Wirtschaftswachstum gibt es keine Arbeitsplätze, keinen Wohlstand und die sozialen Sicherungssysteme gehen ihrem sicheren Ende entgegen – so die landläufige Meinung. Doch es mehren sich die Zeichen, die den Glauben an die Möglichkeit unbegrenzten Wirtschaftswachstums an sein Ende kommen sehen. Stimmen, welche nach alternativen Entwicklungspfaden rufen, sind zunehmend deutlich zu vernehmen. Und angesichts der Weltwirtschaftskrise, des Klimawandels und eines zunehmenden Bewusstseins, dass die Ressourcen zur Neige gehen, kann dies kaum verwundern. Immer mehr fällt ins Auge, dass die Menschheit über ihre Verhältnisse lebt: Würde sich die gesamte Welt Konsummuster und Lebensstil eines durchschnittlichen Europäers aneignen, so wären laut Berechnungen des World Wide Fund for Nature (WWF) drei Planeten vonnöten, um so weiterzumachen wie bisher; fünf Planeten bräuchten wir, wollten alle Menschen leben wie der durchschnittliche Nordamerikaner.

Dem unbedingten Glauben an das Wirtschaftswachstum als Garant unseres Wohlstands Skepsis entgegen zu bringen, hat daher nichts mit Sozialromantik zu tun und auch nicht mit einem grundsätzlichen Zweifel am marktwirtschaftlichen System. Es geht schlicht um die Einsicht, dass die fortwährende Expansion, der wir sämtliche Bereiche unseres Lebens verschrieben haben, und die Endlichkeit der Welt in einer unauflösbaren Spannung stehen.
Wie das Wachstumsdogma überkommen werden kann, damit befassen sich zwei Bücher des Metropolis Verlags.

Der von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt herausgegebene Sammelband Postwachstumsgesellschaft geht der Frage nach, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die nicht unter Wachstumsvorbehalt steht. Wie könnten Alters- und Gesundheitsversorgung, der Arbeitsmarkt, Konsum, Bildung, Finanzmärkte oder Unternehmen gestaltet werden? Die verschiedenen Beiträge des Bandes identifizieren und analysieren, worin die systemischen Zwänge für das Wirtschaftswachstum in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen bestehen und denken darüber nach, wie diese Bereiche wachstumsunabhängig umgestaltet werden könnten. Zwar sind viele der Vorschläge nicht neu, doch gibt der Band einen guten Überblick über die Gesellschaftsbereiche und Themen, welche es auf dem Weg in die Postwachstumsgesellschaft anzupacken gilt und diskutiert die bestehenden Zwänge sorgfältig.

So müssten etwa im Gesundheitsbereich die Anreize anders gesetzt, Eigenverantwortung der Patienten unterstützt und die Akzente im Gesundheitssystem von der Krankheit hin zur Gesundheit verlagert werden. Da sich auch die sozialen Unterschiede in einer Gesellschaft negativ auf die Gesundheit auswirken, muss in einer Postwachstumsgesellschaft die Schere zwischen Reich und Arm geschlossen werden, um das Gesundheitswesen zu entlasten. Vollbeschäftigung in der Postwachstumsgesellschaft soll durch Arbeitszeitverkürzung und einen Ausbau des Dienstleistungssektors erzielt werden. Im Bereich der Alterssicherungssysteme soll der doppelten Herausforderung von demografischer Alterung und wachstumsunabhängiger Ausgestaltung durch neue Zeitmodelle begegnet werden: Wenn die Grenzen zwischen bezahlter Arbeitszeit, diversen Formen unbezahlter Arbeitstätigkeiten und Freizeit fließend gestaltet werden, so ergibt sich eine größere Flexibilisierung zwischen Erwerbs- und Rentenalter. Neue Modelle der Lebensarbeitszeit würden den Generationenvertrag erneuern: Die einseitige Sicht auf Rentenzahlungen würde durch eine sozial-solidarische (nichtmonetäre) Perspektive ergänzt werden.

In einer gänzlich anderen Herangehensweise und Tonlage nähert sich Fred Luks mit seinem Buch Endlich im Endlichen dem Thema des nachhaltigen Wirtschaftens an. Der Autor stellt vor allem die Frage in den Mittelpunkt, wie über die Rettung der Welt gesprochen wird. Allzu verbissen und verkrampft verfolgen die Ökologen nach Luks’ Meinung die Verfolgung ihrer Ziele. Er hingegen empfiehlt in seiner aufgeweckt geschriebenen Streitschrift mehr Ironie und Großzügigkeit: Man müsse um die Umstrittenheit der eigenen Position wissen. Weil in der Nachhaltigkeitsdebatte mit einer Menge unsicherem Wissen hantiert wird und sich zudem jedermann den Begriff der Nachhaltigkeit zueigen macht, ist nur ein ironischer Zugang möglich.

Außerdem plädiert Luks dafür großzügig zu sein, um zu schrumpfen – und nicht zu sparen, um weiter zu wachsen. Eine positive gesellschaftliche Entwicklung wird stets mit Expansion gleichgesetzt – doch dies ist in einer endlichen Welt ein Ding der Unmöglichkeit. Daher sind auch Effizienzsteigerungen zur Nachhaltigkeitsförderung in ihrer Wirkung eng begrenzt. Dass das westliche Lebensmodell kein Zukunftsmodell sein kann, davon ist Fred Luks überzeugt. Aber der Weg zur Rettung der Welt kann nicht darüber führen, effizienter zu wirtschaften und den Gürtel enger zu schnallen. Endlich im Endlichen möchte er als Aufforderung verstanden wissen, endlich zu akzeptieren, dass wir in einer endlichen Welt leben und Nachhaltigkeit eine grundsätzliche Umorientierung fordert. Luks wirft einen unverbrauchten Blick auf die Nachhaltigkeitsdebatte und tritt für mehr Entspanntheit in der Debatte ein: Man sollte nicht nur auf die Probleme starren, sondern mehr auf das Ziel: eine schöne und gute Welt.