Home         Autoren         Newsletter         Kontakt         Impressum

 

Christian Schilcher, Mascha Will-Zocholl (Hrsg.):
Arbeitswelten in Bewegung. Arbeit, Technik und Organisation in der »nachindustriellen Gesellschaft«

ISBN: 3531192094
Erscheinungsjahr: 2012
VS Verlag für Sozialwissenschaften

Wollen Sie dieses Buch kaufen? Klicken Sie hier!

Moderne Arbeit
        


 
ür die Veränderungen der Arbeitswelt werden die verschiedensten Bezeichnungen bemüht: Von der nachindustriellen Gesellschaft ist dann etwa die Rede oder von der Dienstleistungs-, Informations- bis hin zur Wissensgesellschaft. Und die dem Wandel zugrunde liegenden Prozesse werden mit Globalisierung, Technisierung, Informatisierung, Flexibilisierung oder Standardisierung beschrieben. Doch wie genau haben sich Arbeit und Gesellschaft verändert? Bei genauerem Hinsehen, wird klar, dass sich die verschiedenen Erklärungsansätze lediglich darin einig sind, dass Information und Wissen immer mehr in den Mittelpunkt jeglicher Wertschöpfung rücken. Darüber hinaus scheinen die unterschiedlichen Etikettierungen unserer – wie auch immer – gewandelten Arbeitswelt und Gesellschaft nie die ganze Wahrheit zu beschreiben.

Schlagworte wie Posttaylorismus, postindustrielle Gesellschaft oder Wissensgesellschaft beschreiben also immer nur einen einzelnen Aspekt, ohne die Veränderungen erschöpfend zu fassen. Christian Schilcher und Mascha Will-Zocholl machen es sich daher in dem von ihnen herausgegebenen Band Arbeitswelten in Bewegung. Arbeit, Technik und Organisation in der »nachindustriellen Gesellschaft« zur Aufgabe, die Vielschichtigkeit, Ambivalenz und Widersprüchlichkeit der sich wandelnden Arbeitswelt auf den Grund zu gehen. Denn es ist eben nicht so, dass ein Kapitalismus durch einen anderen Kapitalismus abgelöst wird, sondern die Autoren der Beiträge finden etwa »Prozesse der Informatisierung und Formalisierung von Wissen und der Aufwertung von Erfahrungswissen«, ebenso sind Standardisierung ebenso wie Flexibilisierung zu beobachten und nicht zuletzt verändern sich Arbeitsorganisation, Karrieremöglichkeiten und Qualifikation von Wissensarbeitern als auch von Einfacharbeitern.

In drei thematischen Blöcken zeichnet das Buch ein Bild von den gegenwärtigen Entwicklungen. »Standardisierung und Wissen« nennt sich der erste Teil, der sich dem Spannungsfeld aus zunehmender Informatisierung von Wissen, Technikeinsatz und Standardisierung von Prozessen einerseits und dem Bedeutungsgewinn von Erfahrung und implizitem Wissen andererseits widmet. So wird hier etwa die Frage gestellt, warum Informatisierung zugleich mit einer steigenden Bedeutung von Wissensarbeit einhergeht und als Erklärung Vermittlungs- und Übersetzungserfordernisse diskutiert: Damit Wissen überhaupt produktiv funktionsfähig gemacht werden kann, muss zwischen der informatorisch abgebildeten Modellwelt und der Realität sowie zwischen materialen Prozessen und Wertprozessen vermittelt werden.
Ein zweiter Beitrag in diesem Themenblock wirft einen Blick auf Innovationsarbeit und befasst sich insbesondere mit dem Widerspruch, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt im Rahmen von Innovation, einer ihrem Wesen nach beweglichen und verändernden Arbeitsform, zu einer nicht intendierten Stillstellung führen. Anhand eines Beispiels aus dem Maschinenbau zeigt die Autorin, wie Standardisierungsprozesse zum Innovationshindernis werden können und diskutiert allgemein die Folgen von Standardisierung.

Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht der Fakt, dass die Umgestaltung von Arbeit eng mit der Technisierung verknüpft ist. Der Einsatz von Technik in Unternehmen hat stark strukturierende Wirkungen, was oftmals unterschätzt wird. Auch ergeben sich durch den Technikeinsatz immer wieder Folgen, die ursprünglich nicht bezweckt waren. Offenbar ist es schwierig, die Perspektiven und Erwartungen von Softwareentwicklern, Anwendern und Kunden sinnvoll unter einen Hut zu bekommen. Der erste Beitrag dieses zweiten Teils stellt daher die Frage, wie Software entsteht und macht den Vorschlag, die Entstehung von Software als einen sprachlichen Übersetzungsprozess zu betrachten. Ein weiterer Beitrag hat das seit einiger Zeit in der IT-Fachwelt heiß diskutierte Thema der Service Oriented Architectures (SOA) zum Inhalt, das für ein Aufbrechen monolithischer IT-Systeme in Unternehmen und mehr Flexibilität steht. Wurden bisher rein technische Belange oder allenfalls betriebswirtschaftliche Fragen diskutiert, so fragt der Beitrag nach den organisatorischen und sozialen Veränderungen, die mit SOA einhergehen.

Der dritte Teil des Buches geht der Entwicklung nach, wonach sich Wissensarbeit immer weiter in projektförmigen Strukturen ausdehnt und neue Anforderungen und Belastungen für Höherqualifizierte bringt. Oftmals bleibt dabei der Blick auf Einfacharbeit unterbelichtet, die immer noch die Basis für Industrie und Dienstleistungssektor bildet. Doch auch in diesem Bereich sind höhere Qualifikationsanforderungen zu beobachten. Gefragt wird etwa, inwieweit Prozesse der Informatisierung und Globalisierung eine Standardisierung von Arbeit bringen. Zudem werden scheinbare Widersprüche beleuchtet, wie etwa die Einschränkung von Autonomie bei gleichzeitiger Ausweitung von Verantwortung. Der letzte Beitrag richtet sein Augenmerk auf das Feld der Einfacharbeit – ein Bereich der Erwerbsarbeit, der heute allzu oft unberücksichtigt bleibt, da das Rampenlicht alleinig auf die Wissensarbeit fällt.

Insgesamt ist Arbeitswelten in Bewegung ein lesenswerter Überblick der sich vollziehenden Änderungen von der industriellen Arbeit hin zu neueren Arbeitsformen der Dienstleistungs- und Wissensarbeit. Die Beiträge der Autorinnen und Autoren zeigen die vielschichtigen, keineswegs eindeutigen Prozesse des Wandels auf und bilden in ihrer Gesamtheit eine differenzierte Analyse der Arbeitsgesellschaft von heute.