eit Peter F. Drucker in den 1950er Jahren seinen Führungsansatz des »Management by Objectives« entwickelte, gibt es kaum noch ein Unternehmen, das nicht dieser Methode folgt. Die Führung mit Zielen hat sich als Standard herausgebildet – ein größerer Siegeszug ist kaum denkbar. Visionen, Strategien und Ziele werden definiert und sodann sämtliche Kraft darauf gerichtet, unter Einsatz entsprechender Ressourcen eben diese Ziele zu verfolgen – komme, was wolle! Die Methode basiert darauf, Realität abzugrenzen, Zukunft handhabbar zu machen. Denn Abweichungen zwischen tatsächlichen Werten und den Plangrößen lassen sich darstellen und analysieren, um künftig Planabweichungen zu vermeiden. Die festgelegten Ziele geben Orientierung und Struktur, sie richten das gemeinsame Handeln auf eine Richtung aus.

Doch sind Ziele überhaupt geeignete Orientierungspunkte in einer Welt, in der das einzig Beständige der anhaltende Wandel ist? Unternehmen agieren in einem Umfeld, das stets dynamischer und komplexer wird. Nicht nur ist heute eine extreme Kundenorientierung gefragt, weil Konsumenten individuelle Lösungen nachfragen und sich kaum noch mit 08⁄15-Angeboten zufrieden geben. Auch ist die Wirtschaft äußerst vernetzt und globalisiert. Technologie lässt Kommunikation, Nachrichten und Finanzströme in Windeseile um den Erdball zirkulieren. Es gibt keinen Halt mehr, alles ist mit allem verschränkt. Mit diesen neuen Bedingungen müssen Menschen und Unternehmen Schritt halten – dabei sind Organisation, Unternehmenskultur, Methoden und vor allem der Mensch längst nicht so weit. Mit den Herangehensweisen von gestern versuchen wir in dieser überkomplexen Welt von heute erfolgreich zu sein. Aber ist dies nicht zum Scheitern verurteilt? Läuft man mit den alten Methoden der Wirklichkeit nicht immer hinterher? Engt der Blick auf Ziele nicht viel zu stark ein und benötigen Unternehmen nicht mehr Flexibilität?

Wolfgang Vieweg legt in seinem Buch Free Odysseus nachvollziehbar dar, dass der herkömmliche Weg nicht länger passend ist und schlägt stattdessen ein »Management by Options« vor. Denn den »gefährlichen Sirenen von heute lässt sich nicht brachial mit Wachs in den Ohren und gefesselt an den Mast standhalten, wie dies einst Odysseus tat. Der Komplexität und Unsicherheit gilt es nicht zu trotzen, vielmehr muss man sich vom Mast der Zielrituale losbinden und sich wach und geschmeidig auf das Spiel mit den betörenden Sirenen einlassen.« Statt Komplexität zu reduzieren, Ziele zu managen und vermeintlichen Erfolgsrezepten zu folgen braucht es heute andere Wege, um erfolgreich zu sein – und zu bleiben. Für den Hochschulprofessor und Unternehmensberater Vieweg liegt die Lösung im Denken in Optionen.

Vorrangig geht es in Unternehmen um Gefahren und Risiken, hingegen fristen Chancen und Optionen oftmals ein Schattendasein. Weil es aber in einer unsicheren und komplexen Welt nötig ist, sich zu öffnen, in Möglichkeitsräumen zu agieren und ständig kreative Anpassungen und Optimierungen vorzunehmen, kann Unternehmensführung künftig nur ein Management von Optionen und Chancen bedeuten. Sich vom festgelegten Ordnungsrahmen zu trennen, mag unbequem sein, aber das Denken in Optionen ist erfolgversprechender.

Wolfgang Vieweg führt ausführlich aus, wie Optionen erkannt und wie die geeigneten Optionen ausgewählt werden. Er beschreibt die Ressourcen, die eingesetzt werden müssen, um die Option zu nutzen. Auch die Wahl des richtigen Zeitpunkts, das Handeln selbst und das Überprüfen der Wirkung sind Gegenstand seines Buches. Zudem geht Vieweg darauf ein, wie Optionen das Handlungsfeld künftig ausweiten. Spielräume werden größer, Unternehmen können sich durch Optionsmanagement aus den Fesseln der äußern Umstände befreien. Erfolgreiche Führung bedeutet, jederzeit Möglichkeiten und Optionen erfolgreich zu nutzen. Wie dies gelingen kann, führt der Autor nachvollziehbar aus. Wolfgang Vieweg erläutert seinen Managementansatz mit Hilfe einer Menge von Beispielen, wirft auch Blicke auf Nachbardisziplinen wie die Psychologie und Philosophie. Free Odysseus regt zum Nachdenken an und ist Pflichtlektüre für alle, die das Gefühl nicht loswerden, hinter ihren Zielen nur noch herzulaufen.