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Philip E. Tetlock, Dan Gardner:
Superforecasting. Die Kunst der richtigen Prognose

ISBN: 3100800249
Erscheinungsjahr: 2016
S. Fischer

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mmer wieder stellen sich Prognosen als falsch heraus. Die Zukunft, die zum Zeitpunkt der Überprüfung der Prognose bereits Gegenwart ist, will sich einfach nicht an die Voraussagen von Experten halten. Dabei erfahren wir in den meisten Fällen gar nicht von fehlgeschlagenen Blicken in die Zukunft, denn die meisten Prognosen müssen niemals einer Überprüfung standhalten. Und wählt der Prognostiker nur einen ausreichend langen Prognosehorizont, wird es ohnehin schwierig mit der Kontrolle. Der oftmals fehlende Realitätscheck ist umso erstaunlicher, als der Mensch es einfach nicht lassen kann, in die Zukunft zu blicken und Voraussagen zu treffen.

Noch erstaunlicher ist unsere Faszination mit Prognosen, hält man sich die Arbeit des Psychologen Philip E. Tetlock vor Augen, der über einen Zeitraum von zwanzig Jahren Expertenprognosen überprüfte. Der Wissenschaftler fand heraus, dass Experten im Schnitt keine besseren Prognosen abgaben als jemand, der zufällig geraten hatte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, verstehen es diese Leute einfach gut, sich als Propheten zu verkaufen, sie treten selbstbewusst auf, erzählen eine überzeugende Geschichte und stehen deshalb vor der Kamera. »Die Vorhersagen von gestern sind ein alter Hut, weshalb sich Experten nur selten an der Wirklichkeit messen lassen müssen.«

Doch haben Tetlocks Untersuchungen auch gezeigt, dass – zumindest kurzfristig – sehr wohl ein Blick in die Zukunft möglich ist. Zusammen mit dem kanadischen Journalisten Dan Gardner beschreibt er in Superforecasting ausführlich, was das Geheimnis korrekter Prognosen ist. Der Wissenschaftler erklärt, dass einige Menschen viel besser darin sind, richtige Vorhersagen zu treffen als andere. Allerdings – und dies ist die wichtige Aussage des Buches – liegt dieser Unterschied nicht begründet in einem besonderen Talent, über das die einen verfügen und die anderen nicht. Denn, so Tetlock, die Prognosen zu treffen, die sich als richtig herausstellen, ist eine Fähigkeit, die man üben und ständig verbessern kann.

Seine Erkenntnisse gewinnt er aus einer zweiten Untersuchung, dem Good Judgment Project, in dem Tausende von Freiwilligen Prognosen über die Zukunft erstellten: wie sich der Goldpreis entwickelt, ob auf der koreanischen Halbinsel ein Krieg droht, ob der Nikkei-Index auf über 9500 Punkte steigt und über viele andere komplexe globale Zusammenhänge. Bald schon stellte sich eine kleine Gruppe von Teilnehmern als klar überlegen heraus. Die Ergebnisse dieser Superprognostiker waren durchgängig beeindruckend. Dabei handelte es sich keineswegs um Experten mit Zugang zu Geheiminformationen. Die Gruppe der Superprognostiker hatte nicht mehr zur Verfügung als eine Internetverbindung und ihre grauen Gehirnzellen und bestand aus Fabrikarbeitern ebenso wie Professoren. Bei aller Unterschiedlichkeit konnte Philip Tetlock jedoch Persönlichkeitsmerkmale finden, die den Superprognostikern gemeinsam sind.

Sie sind aufgeschlossen, nehmen Informationen gierig auf, sind gewillt bei neuer Informationslage frühere Voraussagen zu überdenken, und haben die Fähigkeit, Inhalte unterschiedlicher Quellen zusammenzufassen. Vor allem aber ist es, was Tetlock ein »Growth Mindset« nennt, das jemanden zum Superprognostiker macht: eine Mischung aus Entschlossenheit, Selbstreflexion und dem Willen, aus den eigenen Fehlern zu lernen. Die besten Superprognostiker waren nicht daran interessiert, ob sie Recht hatten oder nicht, sondern sie wollten wissen, warum sie mit ihrer Prognose richtig oder falsch lagen. Immerzu wollen sie dazulernen und besser werden.

Es ist also vor allem die richtige Haltung, die die Fähigkeit zur korrekten Prognose ausmacht. Weil also grundsätzlich jeder das Zeug zum Superprognostiker hat, ist das Buch durchaus als Anleitung und Orientierungshilfe zu gebrauchen. Als hilfreich erweisen sich dabei die im Anhang aufgelisteten »Zehn Gebote der guten Prognose«. Aber auch wer nicht selbst zum Superprognostiker werden möchte, für den ist die Lektüre durchaus lohnend – spätestens wenn demnächst wieder ein »Experte« in den Medien im Brustton der Überzeugung Voraussagen über die Zukunft trifft.