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Michael S. Aßländer, Bernd Wagner (Hrsg.):
Philosophie der Arbeit. Texte von der Antike bis zur Gegenwart

ISBN: 3518298011
Erscheinungsjahr: 2017
Suhrkamp

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Nachdenken über Arbeit
        


 
igitalisierung, Roboter, Künstliche Intelligenz – vor allem technologische Entwicklungen sind es, die die Arbeitswelt derzeit drastisch verändern. Die Debatte über die Zukunft der Arbeit ist in vollem Gange. Dabei steht als große Befürchtung im Mittelpunkt, Maschinen werden nun endgültig den Menschen an dessen Arbeitsplatz ersetzen: So wie dies in den Fabriken mit manuellen Tätigkeiten gelang, geht es nun auch der Kopfarbeit an den Kragen. Immer mehr »smarte« Maschinen werden an Stelle von Menschen auch höherqualifizierte Jobs übernehmen. Man blicke nur in Richtung Journalismus, wo Maschinen bereits durchaus brauchbare Artikel schreiben. Was in der Debatte merkwürdigerweise fehlt, ist erstens der Gedanke, dass ebensowenig wie die Technik vom Himmel fällt, auch der Wandel nicht schicksalsgegeben, sondern gestaltbar ist. Und zweitens versäumt die Debatte, ein grundsätzliches Nachdenken über Arbeit anzustoßen: Wie viel wollen wir arbeiten? Was bedeutet uns Arbeit? Die Idee, dass mit den neuen Technologien auch eine Befreiung von Arbeit erreichbar ist, kommt vollends zu kurz.

In diese Lücke stößt das von Michael S. Aßländer und Bernd Wagner herausgegebene Buch Philosophie der Arbeit. Der Band stellt die »zentralen philosophischen Texte von der Antike bis zur Gegenwart mit dem Ziel zusammen, die Relevanz und Aktualität der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit aufzuzeigen.« Die Herausgeber möchten durch die ausgewählten Texte »einen vielgestaltigen Fundus unterschiedlicher Haltungen, Perspektiven und Deutungsoptionen zur Arbeit« bereitstellen und »Arbeit gerade auch von philosophischer Seite stärker in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskussionen und Reflexionen« stellen. Durch den weiten historischen Bogen gelingt es zusätzlich, das Nachdenken über die Zukunft der Arbeit auf einen festen Boden zu stellen, denn dies bleibt ohne Blick in die Vergangenheit hohl.

In sechs Kapiteln versammelt der Band Texte bekannter Denker zum Thema Arbeit und zeichnet den Bedeutungswandel von Arbeit im Laufe der Zeit nach. In der Antike herrschte eine negative Sicht auf »Erwerbsarbeit« vor, als moralisch verwerflich galt Arbeit, die dem reinen Gelderwerb galt. Hesiod und Aristoteles zeigen, dass es bei der erfolgreichen Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes neben körperlicher Arbeit auch um Fragen der richtigen Erziehung oder der gerechten Behandlung des Gesindes geht. Im Mittelalter gilt Arbeit als gerechte Strafe Gottes für den Sündenfall des Menschen. So mahnt etwa Berthold von Regensburg zu redlicher Arbeit, jeder Einzelne habe sein Schicksal zu tragen. Auch für Luther ist Arbeitspflicht »göttliches Gebot«. Zwar sieht auch Thomas Morus in Utopia Arbeit als Pflicht gegenüber der Gemeinschaft, doch löst er sich in seinem utopischen Gesellschaftsentwurf teilweise von den Arbeitsvorstellungen des Mittelalters. Der mittelalterliche Wahrheitsanspruch der Kirche verliert in der Aufklärung an Bedeutung, wodurch die gesellschaftliche Ordnung veränderbar wird. Für John Locke wird Arbeit Rechtsgrund für den Eigentumserwerb. Für Locke ebenso wie für David Hume und Adam Smith bildet das Streben nach Wohlstand den Anreiz zur Arbeit. Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts werden Erwerbsarbeit und »Arbeitspflicht« des Bürgers zum Normalzustand. Georg Friedrich Wilhelm Hegel erkennt, dass Arbeit stets neue Arbeit erzeugt, weil sie auf die Produktion und den Erwerb neuer Dinge gerichtet ist. Hegel etabliert zudem ein Verständnis geistiger Tätigkeit als Arbeit. Paul Lafargue erkennt angesichts immer besserer Maschinen und Fertigungstechnologien das Problem der Überproduktion und wirft mit seiner Provokation des »Rechts auf Faulheit« seinen Schatten voraus: Denn brandaktuell ist die Frage: Was tun, wenn die (Erwerbs-)Arbeit ausgeht? Karl Marx wiederum macht die »Arbeiterfrage« zu einem der zentralen politischen Themen des 19. Jahrhunderts. Die Moderne ist gekennzeichnet durch Schlagworte wie »Arbeitsbeziehungen«, »Arbeitsorganisation« oder »Arbeitsmotivation«. Die moderne Erwerbsgesellschaft ist unfähig zur Muße und der moderne Mensch von einer Sehnsucht nach Arbeit getrieben, so die Diagnose von Bertrand Russell oder Hannah Arendt. Oswald von Nell-Breuning zeigt auf, dass eine Effizienzzunahme der geleisteten Arbeit nicht zu einer Arbeitszeitreduktion führt. Jean Fourastié und Daniel Bell sehen in der Entwicklung zu einer »post-industriellen« Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft einen Weg, Vollbeschäftigung, dem Ideal des modernen Gesellschaftsmodells, zu erhalten. Weil sich aber Fourastiés »große Hoffnung« nicht erfüllt, wird Arbeit in der Gegenwart zu einem »Luxusgegenstand«, der nicht mehr für alle gleichermaßen verfügbar ist. Zugespitzt argumentiert André Gorz, man müsse sich die Arbeit verdienen. Hans Lenk sieht im Zentrum der Umgestaltung der an Erwerbsarbeit orientierten Arbeitsgesellschaft Eigenarbeit, also selbstbestimmtes Engagement. In der Gegenwart taugt Arbeit immer weniger als zentraler Lebensinhalt. Dieser Akzentverschiebung trägt schließlich Dieter Thomä mit seinem Beitrag über »Work-life balance« Rechnung.

Insgesamt zeichnen die von Aßländer und Wagner klug ausgewählten Texte ein detailreiches Bild der bereits Jahrhunderte andauernden Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit. Obgleich der Auswahl ein Text gut angestanden hätte, der in den Blick nimmt, was heute vorranging unter den Nägeln brennt – die Umwälzungen durch die technologische Entwicklung –, so wird das gegenwärtige Nachdenken über Arbeit durchaus bereichert durch das breite Spektrum der Texte, die den Blick auf die Vielgestaltigkeit des Themas weiten, andere Perspektiven einbringen und insgesamt für mehr Nüchternheit und Ausgewogenheit sorgen.