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Management by Options. Denken in Optionen oder: Der richtige Umgang mit Zielen
Ist ein an Zielen orientiertes Entscheidungsverhalten in unserer schnelllebigen Welt noch zeitgemäß? Ist es nicht so, dass ein formalisierter Zielbildungsprozess uns dazu verdammt, den Entwicklungen immer hinterherzulaufen? Das Starren auf Ziele verbaut nur allzu oft den Blick auf die wahren Chancen, die zum Erfolg führen. Ein »Management by Options« hingegen spürt Chancen auf, um Optionen aufzubauen und im geeigneten Moment zuzuschlagen. So bleiben Unternehmen jederzeit flexibel und minimieren dabei noch ihr Risiko.

        


 
n einer zunehmend komplexer werdenden Welt verlieren starre Zielbildungsrituale im Sinne eines klassischen Management by Objectives mehr und mehr an Sinn. Was sind das für Ziele, wenn sie, noch bevor sie vollends kommuniziert und akzeptiert worden sind, bereits nicht mehr voll umfänglich gelten? Wofür sind Zielscheiben gut, die ständig woanders hingehängt werden? Das führt zu einem unergiebigen Zickzackkurs, wobei Ziele zu einer Art Fata Morgana degenerieren, Erfolg zu einem großen Teil vom Zufall bestimmt wird und enorme Ressourcen vergeudet werden.

Management by Options hingegen rückt eine Options-Denke in den Vordergrund und macht diese explizit. Dabei kommen neuere Ansätze zu einem Chancenmanagement und die generellen Zweifel an einer überzogenen Ziel-Orientierung hinzu. Das (Entscheidungs-)Verhalten von Managern, aber auch von einzelnen (Privat-)Personen, die auf Erfolg aus sind, ist in einer überaus komplexen und dynamischen Welt wie der, in der wir heute leben und agieren, viel zu träge und inflexibel, wenn es an den herkömmlichen Ziel(bildungs-)prozessen festhält. Management by Objectives (Zielmanagement), wie es allerorts in den Lehrbüchern beschrieben ist, und wie es auch in den Unternehmen (noch) gemeinhin propagiert wird, genügt schon lange nicht mehr den Anforderungen unserer »flexiblen« Zeit. Dies haben die Menschen erkannt und sie verhalten sich, wenn man genau hinschaut, längst ganz anders, als es (noch) in den Lehrbüchern steht, als es (noch) die Erfolgsgurus verkünden und als es formal in den Unternehmen (noch) ritualisiert ist.

Menschen wollen sich ausleben – im geschäftlichen⁄beruflichen wie auch im privaten Bereich – und dadurch aktiv ihrem Leben einen Sinn geben: Sie wollen – auch wenn das im Einzelfall noch so bescheiden sein mag – ihre Chancen nutzen. Menschen sind bereit, dafür bestimmte, begrenzte Vorleistungen – einfach auch mal »ins Blaue« hinein – zu erbringen, wenn sie damit eine Option auf besagte Chancen erlangen. Dabei spielen Ziele im herkömmlichen Sinne keine Rolle. Ziele, die man sich irgendwann einmal gesetzt hat oder die durch irgendwen oktroyiert worden sind, stehen einer konsequenten Chancennutzung eher im Wege, als dass sie den Erfolg befördern könnten. Management by Options hingegen animiert, unablässig Chancen aufzuspüren, kleine Vorleistungen zu erbringen, um an entsprechende Optionen heran zu kommen, und wenn sich die aktuelle Situation insgesamt vorteilhaft entwickelt, wird der Optionshalter die Option ausüben, um schließlich den Nutzen aus der betreffenden Chance zu realisieren. Andernfalls lässt er die Option verfallen... oder hält sie weiter, bis gegebenenfalls die Konstellationen günstiger sind.

Den Zielen hinterherlaufen
Dies ist ein gänzlich anderes Verhaltens- und Erfolgsparadigma, als es die überkommene Ziel-Methode vorsieht. Im Rahmen der Ziel-Methode wird ein Ziel gesetzt und das wird dann auf Biegen und Brechen, mit voller Kraft, angesteuert. Wenn man das Ziel verfehlt hat, dann wird ein Schuldiger gesucht. Wenn man das Ziel erreicht hat, dann lässt man sich feiern, und zwar egal, ob es zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch sinnvoll ist, dieses Ziel realisiert zu haben, da die Rahmenbedingungen möglicherweise inzwischen bereits komplett andere sind. Außerdem werden bei allzu rigider Ausrichtung auf ein Ziel sich plötzlich auftuende Chancen möglicherweise gar nicht wahrgenommen und außer Acht gelassen.

Bei der Options-Methode werden indes lediglich Optionen aufgebaut. Der Einsatz an Vorleistungen ist ungleich geringer, da es nicht gleich mit Volldampf aufs Ganze geht. Dadurch lassen sich auch die verfügbaren Mittel besser dosieren und viel besser streuen. Sehr vielfältige Optionen lassen sich zugleich aufmachen, die dann im weiteren Verlauf virtuos miteinander kombiniert werden können. Das Misserfolgsrisiko wird so erheblich reduziert. Erst wenn eigentlich nichts mehr dazwischen kommen kann und wenn die übrigen Konstellationen weiterhin günstig sind und wenn die vermeintliche Chance immer noch relevant und erstrebenswert scheint, erst dann wird zugeschlagen und der (volle) »Basispreis« entrichtet, um die Chance nun tatsächlich realisieren zu können. Der Entscheider hält sich also sehr lange – mit relativ kleinem Aufwand – immer mehrere Optionen offen, bleibt bis »zuletzt« (kurz vor der eigentlichen Entscheidung) flexibel, minimiert dadurch das jeder Entscheidung inhärente Risiko und optimiert zugleich tendenziell sein Ergebnis; in einfach gelagerten Fällen lässt sich dies sogar mathematisch belegen. Was dann schließlich sein wird, wurde jedenfalls nicht durch ein Ziel (vor-)bestimmt, sondern hängt vielmehr von den sich bietenden Chancen, von den eingeleiteten bzw. erbrachten Vorleistungen des Entscheiders und letztlich von dessen Sensibilität und Geistesgegenwart ab.

Das klassische Erfolgskonzept besteht ja darin, eine Kette von Zielen vorzugeben, an der man sich dann entlang hangelt, bis man das anvisierte Ziel über diese Unterziele etappenweise erreicht hat. In unserer heutigen komplex vernetzten und volatilen Zeit funktioniert dieses unilineare Konzept aber nicht mehr. Bis in einem Unternehmen die Ziele der Geschäftsleitung durch die Hierarchie kommuniziert und von den ausführenden Mitarbeitern verstanden und akzeptiert worden sind, bis also die Ziele überhaupt Wirkung zeigen können, hat sich die Welt um uns herum natürlich weiter gedreht. Man steuert also methodenbedingt chronisch der realen Entwicklung hinterher. Die Welt wartet nicht und richtet sich leider nicht nach unseren Zielen.

Umsetzen von Chancen
Bei Lichte betrachtet ist das Setzen von Zielen, das zur Zeit (noch) die Führungstechniken beherrscht, reichlich unproduktiv und grenzt an Hybris, indem man unterstellt, dass die Vorgabe von Zielen den Erfolg befördern könnte. Niemand kann wissen, wohin letztlich der Zug fährt. Manager tun aber so, als wüssten sie es, und glauben, dass sie dafür bezahlt werden. Aber wie viele Schlachten sind schon verloren gegangen, weil die Strategie nicht stimmte, die Taktik nicht aufging, die Ziele und⁄oder der Zeitpunkt schlecht gewählt waren. Die Heere sind mit Mann und Maus untergegangen. Alles Helden! Das Setzen von Zielen ist »nur« eine Frage der Phantasie, der Kreativität und der Rhetorik. Und eine Frage der Macht. Wer die Macht hat, der nimmt sich heraus zu sagen, wo es lang geht. Wenn man aber Erfolg haben will, ohne dass man zum (toten) Helden wird, ist es cleverer, wenn man, anstatt sich Ziele zu setzen, seine Optionen klug managt.

Das hat dann mit Hybris nichts zu tun, das ist kein von der Realebene losgelöstes, abstraktes Metahandeln, sondern das geschickte Ausnutzen des asymmetrischen Chancen-Risiko-Profils dieses speziellen Konstrukts. Management by Options ist mithin eine Technik des Chancenmanagements. Das Managen von Optionen geschieht stets in direktem und bewusstem Bezug zur operativen Realität und sichert im Rahmen der jeweiligen kontingenten Möglichkeiten in einem ungewissen und volatilen Kontext die Wahrung und letztlich die erfolgreiche Umsetzung der sich eröffnenden Chancen.

Heutzutage muss man, will man Erfolg sichern, stets mehrere Eisen zugleich im Feuer haben, auf mehreren Klavieren zugleich spielen, auf mehreren Hochzeiten zugleich tanzen und mit möglichst vielen Bällen zugleich jonglieren. Nur wer seine Optionen clever managt, der hat Aussicht auf Erfolg, wobei sich im Vorhinein kaum sagen lässt, was konkret den Erfolg ausmachen wird. Aber: Erfolg ist besser als kein Erfolg. Und: Erfolg ist Erfolg! So simpel ist das!

Besonders deutlich wird die Überlegenheit der Options-Methode im Falle von Krisen oder bei einer eingetretenen Katastrophe. In einer Krise – und... Krise ist eigentlich immer! – spielen Ziele keine Rolle. Selbstverständlich hat man das Ziel, möglichst schnell und ungeschoren aus der Krise herauszukommen, aber das ist trivial. Entscheidend sind jedoch die (kurzfristig) verfügbaren Optionen und wie man diese aktiviert, kombiniert und managt. Dies gilt auch bei persönlichen Krisen. Auch in solchen Fällen muss man sich zuerst über seine Optionen klar werden und dann kann man weiter vorgehen.

Optionen als Führungskonstrukt
Um zur Options-Methode umsteigen zu können, muss man zuerst das neue Konstrukt (»Optionen« statt »Ziele«), das dem neuen Paradigma zugrunde liegt, verstehen. Die Ziel-Methode wurde uns von klein auf vermittelt und steckt deshalb tief in uns. Man kann daher auch nicht einfach einen Hebel umlegen, sondern muss allmählich in die Welt der Optionen überwechseln. Man redet immer weniger über Ziele und immer mehr über Optionen. Letztlich sollte man das Wort »Ziel« ganz vermeiden. Das kommt einem am Anfang komisch vor, aber man merkt, dass es geht. Damit gelingt der Schwenk zur neuen Methode. Anstelle von Zielvereinbarungen führt man dann Gespräche über den Bestand von Optionen oder über Optionen, die sich anbieten. Optionen eignen sich durchaus als neues Führungskonstrukt.

Die Empfehlung, in den Unternehmungen wie auch bei Entscheidungen im privaten Umfeld vom tradierten und weitgehend internalisierten Zielmanagement abzugehen und stattdessen auf ein Options-Management umzusteigen, bedeutet eine Revolution, die insbesondere in den Unternehmen gewaltige, bislang durch offizielle Zielvorgaben unterdrückte (Erfolgs-)Potenziale freisetzen wird. Alle Mitarbeiter nutzen ihre Potenziale, schöpfen ihre Optionen aus. Sie schwärmen aus – ohne durch Zielvorgaben eingeengt zu sein, und versuchen, Kontakte zu machen und Geschäfte anzubahnen. Unternehmen (für Einzelpersonen gilt das analog), die sich auf das Management by Options einlassen, werden einen Großteil ihrer bisherigen Behäbigkeit verlieren und fortan ausgesprochen wendig und agil auftreten (können). Damit erlangen diese Unternehmen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil vor ihrer Konkurrenz, die ihre Prozesse etwa noch mit Hilfe von Zielen – wie ehedem – managt.

Management by Options führt zu etwas mehr Chaos, dafür hat man aber eine Führungsmethode, die adäquater für unsere heutige schnelllebige Situation ist. Der Komplexität wird nicht primär mit Komplexitätsreduktion begegnet, vielmehr wird der Komplexität mit den »Optionen« (anstelle der »Ziele«) ein Konstrukt mit einer etwas komplexeren Struktur entgegengestellt. Management by Options ist flexibler und weniger bürokratisch. Man kann auf formale Budgets verzichten und damit gibt es im herkömmlichen Sinne auch kein Controlling mehr, was aber nicht heißen soll, dass man sich nicht auch weiterhin mit der Zukunft auseinandersetzen muss. Die Beschäftigung mit der Zukunft geschieht aber nicht mehr mit Hilfe formaler Budgets und finaler Vorgaben, sondern mit Hilfe von Prognosen, Folgeabschätzungen unserer Entscheidungen (oder Nicht-Entscheidungen) und mit What-If-Simulationen. In diese Richtung geht auch die Beyond Budgeting-Bewegung, die u. a. empfiehlt, mit »flexiblen Zielen« zu führen. Damit ist man in der Tat schon sehr nahe an der Options-Methode dran.

Es gibt Autoren, die sagen, dass uns gegenüber die Menschen in China und Indien (und in anderen Schwellenländern der Erde) einen fundamentalen, nicht aufholbaren Vorteil haben, denn sie sind von Kindesbeinen an trainiert, mit einem größeren Quantum an Chaos zurecht zu kommen. In unserer globalen, volatilen Welt ist das in jedem Fall ein gewaltiger Vorteil. Wenn man das versteht, dann ahnt man auch, weshalb kleine und mittelgroße Unternehmen oft den Großkonzernen überlegen sind. Es sind nicht nur die kürzeren Entscheidungs- und die direkteren Kommunikationswege, sondern man hält sich in den KMUs nicht mit den weitgehend brotlosen Zielritualen auf, sondern managt schlicht seine Optionen und versucht, auf diese Art an den nächsten Auftrag zu gelangen. Auch Einzelpersonen haben weder Zeit noch den Nerv, sich in Metahandlungen der Ziele-Welt zu ergehen.

Wer erfolgreich sein will, kann sich mit langwierigen strategischen Überlegungen nicht aufhalten. Es bringt ihm aber auch nichts, darüber zu lamentieren, wenn er ein angepeiltes Ziel nicht erreicht hat. Darauf nimmt die Welt keine Rücksicht. Jeder Einzelne von uns muss sich im Rahmen seiner kontingenten Möglichkeiten, im Rahmen seiner Optionen, seinen eigenen Weg zum Erfolg und Glück bahnen. Das gilt in gleicher Weise für interagierende Gruppen und mithin für große Organisationen.  

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