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Warum fragen Sie nicht »Wozu?« – Teleologisches Denken im Unternehmensalltag
Naturwissenschaften versuchen, beobachtete Phänomene durch Kausalketten zu erklären. Die Frage nach dem Warum, nach der Ursache ist hier angebracht und auf Grund einer naturwissenschaftlichen Ausbildung und der Techniklastigkeit des Alltags sind viele Menschen dies so gewohnt. Im Unternehmensalltag vergessen wir dann allerdings die Frage nach dem Zweck zu stellen, die Frage nach dem Wozu.

        


 
rst die Frage »Wozu?« erlaubt es uns, zieltaugliche Mittel für die Erreichung unserer Unternehmensziele zu selektieren, und sie erlaubt es, dass Menschen ursächlich an dieser Erreichung beteiligt sind und gerne und freiwillig ihre Kompetenzen einbringen. Aufwendige Motivationsveranstaltungen in Hochseilgärten und Teambuilding-Events beim Rafting können Sie in Zukunft bleiben lassen – stellen Sie lieber die Frage »Wozu?«

»Wer fragt der führt«, ein altes Sprichwort, oft gehört in Schulungen zur Gesprächsführung und Rethorik. Und gefragt wird im Allgemeinen nach den fünf Ws: Was?, Wer?, Wann?, Warum? und Wieso? In Projektsitzungen und Reviewsitzungen hören wir es alltäglich: »Wer hat was wann warum und wieso nicht getan?« Eine Frage, sie spüren es schon, die Unmut hervorruft. Klingt sehr verdächtig nach Verhör, nach dem Suchen eines Schuldigen. Die Folgen sind ein Ausweichen, der Versuch eines Entkommens und eher eine Notlüge oder Ausrede zu erfinden, als selbst der Schuldige zu sein.

Wir sind es gewohnt, die Natur in Kausalketten zu verstehen. Wir denken in Ursache und darauf folgender Wirkung. Wir kennen die Gesetze der Mechanik, der Physik, der Chemie, und all der anderen Naturwissenschaften. Wenn wir einen Stein aus zwei Meter fallen lassen, können wir die Aufprallgeschwindigkeit bestimmen und berechnen. Wir kennen das Warum für die Aufprallgeschwindigkeit: nämlich Erdbeschleunigung und Höhe des Fallenlassens. Gegenstand der Naturwissenschaften sind Konstruktionsgesetze. Ebenso konstruieren wir im täglichen Leben Prozesse, die ein Resultat hervorbringen sollen. Als Beispiele aus dem Unternehmensalltag kennen wir Qualitätsprozesse zur Sicherstellung der Produktqualität, Kostenrechnungsprozesse, Customer-Relationship Prozesse, Entwicklungsprozesse oder auch Programme, die auf unseren Computern laufen und vieles andere mehr.

Im Zuge des Konstruierens wird allzu oft vergessen, worauf wir eigentlich aus sind, welcher Zweck eigentlich erfüllt werden soll. Und die dazu erforderliche Fragestellung ist die Frage nach dem »Wozu?«. Ein einfaches Beispiel: Ein Kind kommt weinend auf Sie zu. Sie fragen zunächst das Kind: »Warum weinst Du?«. Das Kind antwortet: »Weil mein Spielzug kaputt gegangen ist!«. Dann fragen Sie: »Wozu weinst Du?«, und die Antwort des Kindes lautet: »Damit ich ein neues bekomme!«.

Der Unterschied liegt in der Qualität der Antworten
»Warum?« fragt nach den Ursachen, fragt nach den kausalen Bedingungen in der Vergangenheit. Und Sie können auf die Antwort einer Warum-Frage sofort die nächste Warum-Frage stellen. In unserem Beispiel des weinenden Kindes: »Warum hast Du nicht besser aufgepasst?«, »Warum konnte das nur passieren?« usw. Und wir fragen im Allgemeinen solange nach dem Warum, bis wir die Kausalkette, die zum beobachteten Ereignis geführt hat, meinen zu verstehen, oder bis wir einfach nicht weiter fragen wollen. Im Firmenalltag wird solange nach dem Warum gefragt, bis ein Schuldiger oder eine Schuldige gefunden worden ist, oder man einfach den Umständen die Schuld gibt. Ein mühsames Unterfangen, das täglich Werte in Höhe von Milliarden Euro vernichtet!

»Wozu?« allerdings fragt nach der Zielgerichtetheit, fragt nach der Absicht. Auf Antworten von Wozu-Fragen kann man nicht weiter fragen. Man kann sich allerdings überlegen, ob das eingesetzte Mittel, in unserem Fall das Weinen des Kindes, geeignet erscheint, sein Ziel, nämlich ein neues Spielzeug zu bekommen, zu erreichen.

Die Frage »Wozu?« auf den Unternehmensalltag transformieren
Unternehmen erreichen dann angenehme Profitlagen, wenn Kunden gerne einkaufen und die Produkte und Dienstleistungen kostengünstig hergestellt werden können. Kunden kaufen dann gerne ein, wenn das Produkt bzw. die Dienstleistung dem Kunden hilft, in seinem Geschäft mit seinen Kunden besser zu sein, d.h. wenn durch den Einsatz des Produkts⁄der Dienstleistung ein bestimmter Zweck besonders gut erfüllt wird. Es ist nun Aufgabe von Sales, diesen Zweck beim Kunden herauszufinden. Und dies gelingt nur gut über die Frage »Wozu?«. Vorteilhafte Fragestellungen sind: »Was ist der Zweck dieses Produkts bei Ihren Kunden?«, »Welche Wirkung soll erzielt werden?«, »Was sind die kritischen Erfolgsparameter?«.

Auf die Frage »Wozu?« erhalten Sie Antworten, die es erlauben, Ihre Produkt⁄Dienstleistungsentwicklung zielgerichtet auf den Kundennutzen arbeiten zu lassen. Die Antworten auf die Frage »Warum?« erlauben dies im Allgemeinen nicht, da Sie folgende Antworten erhalten: »günstiger als der Mitbewerb«, »haben wir immer schon so gemacht«, »wir arbeiten gerne mit Ihnen«, »Sie sind ein verlässlicher Lieferant« usw. Also keine Antworten, die über die Zielgerichtetheit, über die kritischen Konstituenten des Produkts⁄der Dienstleistung Auskunft geben.

Wenn Sie nun durch Anwendung der Wozu-Frage den zu erzielenden Zweck verfügbar haben, so können Ihre Mitarbeiter als Experten Pläne entwerfen, die diesen Zweck im Produkt⁄der Dienstleistung herbeiführen. Die Aufgabe der Führungskraft ist es nun nicht, detaillierte Anordnungen für den Herstellungsprozess zu geben, sondern darauf zu achten, dass alle vorgeschlagenen und im Projektplan dargestellten Arbeitspakete und Abläufe auch wirklich zieltauglich sind. Dies wird in der Reviewsitzung wieder durch die Wozu-Frage sichergestellt. Jene Kollegen, die den Plan erstellt haben, werden gefragt, wozu denn jedes einzelne Arbeitspaket diene, ob es das richtige Mittel zum Zweck ist. Es ist Aufgabe des Mitarbeiters, dies zu erklären. Die Führungskraft sollte an dieser Stelle nicht unterbrechen, sondern nach Abschluss der Erklärung des Mitarbeiters die Zieltauglichkeit entweder bestätigen oder darstellen, welche Wirkung der dargestellte Plan aus seiner Sicht denn hätte. Dies regt bei allen Beteiligten einen Nachdenkprozess über die Zielgerichtetheit des gewählten Vorgehens aus. Auf diese Weise entstehen die nachhaltig zuverlässigsten und zieltauglichsten Projektpläne. Das Stellen der Warum-Frage erübrigt sich.

Das Stellen der Wozu-Frage, das teleologische Denken, nimmt den zu erreichenden Zweck als gedachten Zweck, quasi als Wirkung voraus und versteht die Ursache als Mittel zur Erzielung des Zwecks.

Führungskräfte in allen Hierarchieebenen sollten verstehen, dass Menschen gerne die Zukunft antizipieren, sei es bei der Urlaubsplanung für das nächste Jahr, oder wie sie ursächlich an der Erzielung von Kundennutzen durch Einbringen ihrer Kompetenzen beteiligt sein können. Beim Menschen gibt es das Phänomen des gleichzeitigen Nebeneinanderbestehens verschiedener Ziele. Es kann das eine zu Gunsten eines anderen aufgeschoben werden, aber es bleibt als Wert bestehen. Die Frage »Wozu?« generiert im Unternehmensalltag zu erreichende Zwecke, zum Beispiel die Erzielung von Kundennutzen, und transformiert diese in konkrete Ziele, nämlich in die Einbringung von bestimmten Kompetenzen der handelnden Personen als Mittel zur Zielerreichung. Wenn wir nun auf die Wozu-Frage vergessen, dann gelingt es auch nicht, dass die zu erreichenden Ziele von den Mitarbeitern erreicht werden wollen, weil sie ja den Zweck nicht erkennen können. Und es bleiben nur noch die privaten Ziele übrig. Wenn wir dies beobachten, sprechen wir von Demotivation, meinen allerdings Demotiviertheit für die Unternehmensziele.

Das Stellen der Frage »Wozu?« ist also das Mittel schlechthin, um Kundennutzen kostengünstig generieren zu können und um bei allen Mitarbeitern Motiviertheit für die Erreichung der Unternehmensziele auszulösen.