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Von der Nische zum Massenphänomen: Nutzung digitaler Spiele im wirtschaftlichen Umfeld
Video- und Computerspiele treten aus ihrer Nische heraus und mausern sich zum Massenphänomen. Auch im wirtschaftlichen Umfeld werden Spiele und Spielmechanismen heute vielfältig eingesetzt: von »Serious Games« mit klarer Ausrichtung auf Bildung und Lernen bis hin zum Einsatz von Spielen entliehenen Mechanismen in Angeboten des Web 2.0. Sowohl die Interaktion mit dem Unternehmen als auch mit dem Produkt selbst können durch Spielmechanismen stark aufgewertet und mitunter sogar zum Kaufargument werden.

        


 
espielt wurde schon immer: Alles begann evolutionär mit Spielen zum Training der körperlichen Fitness und zum Erlernen überlebenswichtiger Fähigkeiten (z.B. Jagdtechniken). Im Zuge der Sesshaftigkeit und eines steigenden Zivilisierungsgrades wurden Spiele in Form von Brett-, Würfel- oder Kartenspielen und auch (Ball-)Sportarten als Zeitvertreib im Freundes- und Familienkreis zum Hobby oder auch zur Profession.

Die Entwicklung klassischer Spiele verlief also vom körperlichen und mentalen Training über den reinen Zeitvertreib hin zur berufsmäßigen Ausübung einer Sportart oder einzelnen Spielen wie z.B. Poker.

Computer- und Videospiele hingegen haben die Entwicklungsstufen der klassischen Spiele seit ihrer Entstehung in einer anderen Reihenfolge durchlaufen:
Von eher weniger erwünschten Freizeitprojekten von Experten auf den ersten Mainframe-Computern in Universitäten (um 1950), über den ersten Pong-Automaten (1972), bis zu den modernen Spielekonsolen und Gaming-PCs von heute, stand stets der Unterhaltungsfaktor im Vordergrund. Erst in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren – besonders im asiatischen Raum und eher schleppend in Amerika und Europa – hat sich eine Riege professioneller »Gamer« gebildet, die mit dem Spielen von Computer- und Videospielen im Rahmen professionell organisierter Ligen, Turniere oder gar Weltmeisterschaften ihren Lebensunterhalt bestreiten kann.

Wirklich wahrnehmbar für die breite Öffentlichkeit ist die – im Vergleich mit der Evolution klassischer Spiele – letzte noch fehlende Entwicklung im Bereich der digitalen Spiele hin zu Bildungs- und Ertüchtigungszwecken erst seit der Markteinführung der letzten Konsolengeneration von Nintendo (Wii und DS). Zunehmend wird in digitalen Spielen der Unterhaltungsfaktor zu Gunsten anderer Zwecke auf den zweiten Rang verwiesen. So hat sich z.B. das Training und der Erhalt der mentalen Fitness durch Spiele wie Dr. Kawashimas Gehirnjogging (Nintendo DS) und die Förderung der körperlichen Fitness z.B. mittels Wii Fit (Nintendo Wii) zu einem deutlichen Trend entwickelt.

Die »Generation Gaming«
Gemeinhin wird die »Generation Gaming« als diejenigen, die während des Aufkommens und der Massenverbreitung der dritten Konsolengeneration sowie IBM PCs und Amiga 500 aufgewachsen sind (also in etwa die Jahrgänge Anfang der Siebziger) definiert. Sie waren damit die Ersten, deren Kindheit maßgeblich durch die breite Verfügbarkeit von Video- und Computerspielen geprägt wurde.

Für diese Generation stellt das Spielen von Videospielen etwas völlig Selbstverständliches dar, da es Teil ihrer Kindheit war und häufig auch im Erwachsenenalter noch fester Bestandteil des persönlichen Unterhaltungsprogrammes ist.

Diese »Generation Gaming« geht heute auf die 40 zu und bildet lediglich die Spitze des Eisberges. Für alle nachfolgenden Generationen wurde Gaming immer selbstverständlicher und auch aus vorangehenden Generationen konnten sich viele Menschen aus Eigenantrieb oder durch ihre Kinder für das Thema Gaming begeistern.

Gaming ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ein akzeptiertes Massenphänomen, das aus dem alltäglichen Leben vieler Millionen Menschen nicht mehr wegzudenken ist. Auch in der Öffentlichkeit sorgt es mittlerweile für keine Verwunderung mehr, wenn neue Spiele beworben werden wie sonst nur der neueste Kino-Blockbuster.

Etwa 40 Prozent der Bevölkerung Deutschlands zwischen 14 und 64 Jahren – rund 20 Millionen Menschen – spielen Computer- und Videospiele zumindest gelegentlich. Betrachtet man die Zielgruppe der Gamer etwas genauer, so fällt zunächst auf, dass die gerne bemühten Klischees vom Gamer als pubertierendem Spieler von First Person Shootern völlig unzutreffend sind. Diese bilden vielmehr eine Minderheit, wenn man die Gesamtheit der Spieler von Computer- und Videospielen betrachtet.

Circa 65 Prozent der Gamer in Deutschland fallen in die Kategorie der so genannten »Casual Gamer« – also Gelegenheitsspieler. Nur bei 35 Prozent der Gamer handelt es sich um Gewohnheits- oder Intensivspieler, die so genannten »Core Gamer«.

Worin unterscheiden sich diese Zielgruppen? »Casual Gamer« zeichnen sich dadurch aus, dass sie eher einfach zu erlernende und kurzweilige Spiele bevorzugen, die zu einem beliebigen Zeitpunkt unterbrochen werden können und eher günstig zu erwerben sind. Gelegenheitsspieler spielen bevorzugt am PC, da dieser häufig ohnehin zu Arbeitszwecken im Haushalt vorhanden ist und damit keine extra Hardware-Anschaffung zum Spielen getätigt werden muss. In den letzten Jahren zeigt sich aber auch im Konsolenbereich ein immer stärker werdender Trend zu Casual Games: So war zunächst die Sony Playstation 2 mit Spielen wie Buzz und den Singstar- und Guitar Hero-Serien sehr erfolgreich. Nintendo löste bald darauf mit seinen intuitiv steuerbaren Systemen Nintendo Wii und Nintendo DS einen regelrechten Hype aus und eroberte den Markt im Sturm.

Die Gruppe der »Casual Gamer« besteht zum überwiegenden Teil aus Frauen (rund 60 Prozent) und der durchschnittliche »Casual Gamer« ist um die 40 Jahre alt.

»Core Gamer« bevorzugen im Unterschied zum »Casual Gamer« komplexere und oft auf kompetitives Spielen ausgelegte Games, die eine gewisse »Einarbeitung« erfordern und die häufig über Zeiträume von mehreren Stunden am Stück gespielt werden. Entsprechend ihrer höheren Komplexität und auch Qualität haben diese Spiele auch einen höheren Preis (bis zu 65 Euro) als eher an »Casual Gamer« gerichtete Spiele. »Core Gamer« sind auf so gut wie jeder Spieleplattform vertreten, sei es PC, Konsole oder Handheld und spielen nahezu alles, zum Zeitvertreib auch mal Casual Games. »Core Gamer« rekrutieren sich überwiegend aus dem jüngeren Altersspektrum im Alter um die 30 und darunter und sind überwiegend männlich.

Auch immer mehr ältere Menschen entdecken Games für sich: Laut der Studie ACTA 2007 spielt bereits jeder fünfte der 50-64-Jährigen in Deutschland. Dieser Trend wird sich vermutlich nicht zuletzt aufgrund immer leichterer und zugänglicherer Bedienung (z.B. Steuerung durch Bewegungssensoren) und auch durch Spiele, die auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind (z.B. Dr. Kawashimas Gehirnjogging), weiter fortsetzen.

Gaming in der Mitte der Gesellschaft
Wenn Gaming sich also derartiger Popularität erfreut, besteht die Möglichkeit dies für andere Branchen als die der Spieleherstellung selbst nutzbar zu machen? Und wenn ja, wie?

Zur Erläuterung von Möglichkeiten werden im Folgenden einige Beispiele aufgezeigt, wie Games und insbesondere Spielmechanismen im Unternehmenskontext eingesetzt werden können. Durch den Einsatz und das Lernen von Games können im wirtschaftlichen Umfeld insbesondere drei Vorteile erreicht werden:

:: »Interaktives Storytelling«
Spiele eignen sich durch das Erzählen von Geschichten, an denen der Spieler (inter)aktiv teilnehmen kann, ideal zur Vermittlung nahezu beliebiger Inhalte. Der Spieler wird in die »Story« eingebunden und treibt diese durch eigenes Handeln voran. Er »erlebt« die im Spiel präsentierten Inhalte unter wesentlich höherer Aufmerksamkeit, als dies bei anderen Medien der Fall wäre.

:: Vermittlung komplexer Sachverhalte und Lernformen
Ein weiterer Vorteil der Interaktivität von Games ist nicht nur, dass der Nutzer aktiv einbezogen wird und selbst handelt, sondern auch die verständliche Vermittlung komplexer Sachverhalte über eine intuitive Nutzerführung und einen entsprechenden Aufbau des Spieles. Da der Spieler mit dem Ziel zu gewinnen an ein Spiel herangeht und darauf eingestellt ist, dass mehr oder weniger komplexe Regeln und Zusammenhänge über Sieg oder Niederlage entscheiden, besteht ein starker Anreiz diese schnell zu erlernen. Die unmittelbare Anwendung des Erlernten und die sich einstellenden Erfolgserlebnisse durch eigenes Experimentieren in einem virtuellen komplexen System ohne reales Risiko fördern dieses Verhalten weiter.

:: Nutzereinbeziehung (»User Involvement«)
Spiele sprechen nicht nur die Kreativität des Spielers zur Lösung von Problemen an, sondern können darüber hinaus auch seine gestalterische Kreativität ansprechen. Beispiel hierfür wäre die Möglichkeit zur Erstellung eigener Karten bzw. Herausforderungen (»Maps«⁄»Levels«) oder zur Erzeugung optisch angepasster eigener Gegenstände und »Avatare« zur Selbstdarstellung. Bietet ein Spiel derartige Möglichkeiten und belohnt es deren Nutzung sogar, so animiert es seine Nutzer zu erhöhter Interaktion mit dem Spiel selbst, der Community und dem Entwickler des Spieles. Der Spieler erhält durch sein Engagement und durch für die Community sichtbare Belohnungen einen gewissen »Status«. So werden Bindungseffekte realisiert.

Spiele und Spielmechanismen finden bereits Anwendung in einer Vielzahl von Branchen und erfüllen die verschiedensten Zwecke. Die hier betrachteten Branchen haben selbst keine Berührungspunkte mit der klassischen Gamingindustrie, die direkt an der Herstellung der Spiele beteiligt ist.

Betrachten wir einige bereits umgesetzte und auch hypothetische Beispiele:

Branchenübergreifende Anwendungsfelder
:: Klassische Werbung
Studienergebnisse legen nahe, dass sowohl der Grad an Aufmerksamkeit bei der Betrachtung, als auch die Erinnerungswirkung der Werbung in Games wesentlich höher ist als bei eher passiven Medien wie TV, Print oder Radio. So ergab eine Studie von Nielsen, die 2008 im Auftrag eines großen In-Game-Advertising Unternehmens durchgeführt wurde, dass 82 Prozent der Spieler Games mit Werbung ebenso unterhaltsam fanden wie ohne Werbung, und dass sich nach dem Spielen von Games mit In-Game Werbung eine Erhöhung der positiven Wahrnehmung der im Spiel beworbenen Marken um durchschnittlich 61 Prozent ergab.

Die zunehmende Integration von dynamischen Werbeflächen in Spielen, die über das Internet stetig mit neuer⁄anderer Werbung bespielt werden kann, trägt diesem Trend Rechnung.

Es wird vermutet, dass Werbung in Spielen darüber hinaus wesentlich mehr Menschen erreicht als bisher angenommen, da bei Games (ähnlich wie bei Printmedien) nicht einbezogen wird, dass mehr Menschen ein Spiel spielen als Kopien verkauft wurden. Da Spieler häufig mit mehreren Personen vor einem Gerät spielen oder Spiele verleihen und privat weiterverkaufen, kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der durch die Werbung im Spiel erreichten Personen wesentlich höher ist als bisher angenommen.

Unabhängig von der jeweiligen Branche eignen sich an die jeweilige Marke angepasste, kostenlose Spiele sehr gut, um vergleichsweise hohe Conversion Rates bei potenziellen Kunden zu erreichen. Die Nutzer des Spiels nehmen das Spiel als willkommenes Geschenk an und involvieren sich deutlich stärker ins Thema, als sie es beispielsweise bei der klassischen, passiv konsumierten TV-Werbung tun – dank der Anreize von High Scores oder sonstigen Spielmechanismen. So gibt es nun auch erste Angebote für so genannte »Brand Connected Games«, d.h. Spiele, die entsprechend dem Kontext der jeweiligen Marke maßgeschneidert entwickelt werden. Der Anbieter Henscho Group beispielsweise entwickelt solche Brand Connected Games im Kontext der Kundenmarke unter anderem für iPhones⁄iPodTouch. Die Kombination aus spezifischer Zielgruppe des Endgeräts (iPhone) und maßgeschneidertem Spiel sorgt so für eine hohe Werbewirksamkeit.

Weiteres Beispiel: Google steigt mit Google adsense for games in den Markt für die Platzierung von Werbung in Videospielen (In-Game Advertising) ein.

:: Marketing
Spielmechanismen allein eignen sich aus Marketingsicht hervorragend, um Konsumenten zu irrationalem Verhalten zu verführen und können bei begrenztem Marketingbudget wesentlich stärkere und berechenbarere Effekte erzielen als klassische Marketingmaßnahmen.

Man betrachte folgendes fiktives Beispiel von Gabe Zichermann, CEO von RMBR New York, das auf der »gamehotel 2008 show & conference« angeregt wurde:
Eine Bank will mehr Kunden gewinnen. Statt aber eine klassische Marketing-Kampagne durchzuführen, programmiert sie ihre Bankautomaten so um, dass diese zufällig und in seltenen Fällen eine 100-Euro-Note zu viel herausgeben, begleitet von einer »Sie haben gewonnen!«-Meldung. Der langweilige Vorgang des Geldabhebens wird damit in ein Glücksspiel verwandelt.

Die Resultate sollten recht vorhersagbar sein: Einige werden die Bank wechseln, an den Glücksautomaten wird mit Sicherheit mehr Geld abgehoben (auch von Nicht-Kunden) und einige Wenige werden versuchen, ihre Gewinnchancen zu erhöhen, indem sie möglichst oft kleine Beträge abheben. Für die Bank lohnt sich diese Maßnahme auf jeden Fall: Sie gewinnt neue Kunden und erzielt höhere Umsätze durch Abhebegebühren.
Zichermann: »If I design a compelling game, I can predict you are going to do irrational things.« (»Wenn ich ein ansprechendes Spiel entwickle, dann kann ich vorhersagen, dass Du irrationale Dinge tun wirst«). Keine noch so clevere Marketing-Kampagne könne diese Sicherheit bringen.

:: Recruiting
Spiele können einen wichtigen Beitrag zur effizienteren Identifizierung von Talenten für Unternehmen leisten und durch einen interaktiven Einblick in Anforderungen und Tätigkeitsfelder des jeweiligen Berufes beim Nachwuchs Interesse wecken.

Die US Army setzt das umstrittene Spiel Americas Army ein. Es versetzt die Spieler in die Rolle eines US Soldaten und lässt ihn virtuell die Grundausbildung eines Soldaten und teambasierte Missionen durchlaufen. Großen Wert legt das Spiel auf die Vermittlung eines Kameradschaftsgefühls und der Werte der US Army im Allgemeinen, um Jugendliche für eine Karriere in der Armee zu begeistern.

Das bekannteste der vier von L’Oreal eingesetzten Recruiting Games ist ESTRAT. Dieses zur Identifizierung und Rekrutierung von Talenten an Hochschulen entworfene Spiel, versetzt ein Team aus Spielern an die Spitze eines virtuellen Kosmetikkonzerns, das von der Verkaufsstrategie bis zu Forschung und Entwicklung alle Bereiche des Unternehmens steuert. Mehrere tausend Teams von internationalen Hochschulen konkurrieren dabei mit ihren virtuellen Unternehmen online. L’Oreal bekommt durch die dem Spiel zugrundeliegenden Punktevergabemechanismen und das Nachverfolgen der Spielerentscheidungen einen guten Überblick über die Fähigkeiten der Kandidaten. Den Gewinnern winken ein Vorstellungstermin bei L’Oreal in Paris und Stellenangebote.

Das Lernspiel Techforce verfolgt das Ziel, durch Gewährung eines Einblicks in die Berufsfelder und Anforderungen der Berufe im Umfeld der Metall- und Elektroindustrie, Schüler für eine Ausbildung zu begeistern. Die Spieler konstruieren im Verlauf des Spiels virtuell sämtliche Komponenten für den Bau eines futuristischen Fahrzeugs, mit dem sie abschließend an einem Rennen gegen andere Teams teilnehmen.

:: (Fort-)Bildung und Training
Eine durch digitale Spiele unterstützte Lehre könnte als Argument für Studierende dienen, sich dort zu bewerben, wo Spiele im Lehrbetrieb eingesetzt werden, da diese zu einem großen Studienerfolg beitragen.

Im Bereich Weiterbildung im Unternehmen, gerade für den Management-Nachwuchs, kann durch Simulationen oder wirtschaftliche Spiele mit menschlichen Mitspielern⁄Konkurrenten der Aufbau von Management-Kompetenz gezielt gefördert werden. Der Einsatz von Games im Lernumfeld kann eine Reihe von Vorteilen bieten:
Der Spieler trifft Entscheidungen und erfährt unmittelbar deren Konsequenzen – er kann in einem sicheren Umfeld experimentieren, sein eigenes Können und dessen Grenzen sowie das dem Lernstoff zugrunde liegende (komplexe) System erforschen. Die Simulation realer Situationen ermöglicht die Übertragung des im Spiel Erfahrenen auf die Realität und umgekehrt.
Durch Belohnungen fördern Spiele die Motivation. Der Spieler baut eine positive Einstellung gegenüber der Überwindung von Schwierigkeiten auf und das Spiel fördert den eigenen Glauben daran Ziele erreichen zu können.
Der gesteigerte Lern- und Prüfungserfolg von Studenten, die Spiele zur Vertiefung des Gelernten nutzen gegenüber denen, die dies nicht tun, bestätigt sich in den Ergebnissen einer Studie1. So ergab die Untersuchung, dass Kurse, die Spiele im Lernbetrieb einsetzten, im Durchschnitt signifikant bessere Noten erzielten als solche, die keine Spiele einsetzten. Dabei ergaben sich keine signifikanten Unterschiede im Prüfungserfolg zwischen Männern und Frauen oder zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Lediglich bezüglich des Alters ergaben sich Unterschiede. So erzielten Studenten unter 40 signifikant bessere Ergebnisse als Studenten im Alter von 41 oder höher. Dies wurde darauf zurückgeführt, dass jüngere Studenten mit Technologie und in einer durch Technologie erweiterten Umgebung aufgewachsen sind und ihnen die in Games auftretenden interaktiven Lernprozesse vertraut sind. Studenten älter als 40 lernen schlicht besser durch die eher passiven, ihnen aus ihrer Jugend vertrauten klassischen Methoden.

Branchen-Beispiele
:: Automotive
In Hondas letzter Generation von Hybridautomobilen ist in die Anzeigetafel des Wagens eine Art Minispiel integriert, das sparsames und klimaschonendes Fahren fördern soll.
So erscheinen in der Anzeigetafel des Wagens bei sparsamer Fahrt zunächst kahle Äste, die sich mit der Zeit mit Blättern füllen und schließlich Blüten austreiben. Ist ein Nutzer über die Lebenszeit des Fahrzeugs stets klimaschonend gefahren, so bekommt er eine Trophäe angezeigt. Selbstverständlich sanktioniert das System im Gegenzug verschwenderisches Fahren umgehend mit dem Verwelken von Blättern etc.

Unternehmen wie BMW und VW nutzen Videospiele zur Bewerbung ihrer Automobile (BMW M3 Challenge und Mission Scirocco The Game). Die Darstellung der Fahrzeuge in nahezu beliebigem Kontext ermöglicht dem Automobilbauer sein Fahrzeug mit einem gewissen Image »aufzuladen«. Durch das virtuelle Erleben des Fahrzeugs wird dem Spieler bereits ein Vorgeschmack auf dessen reale Fahreigenschaften vermittelt.

:: Healthcare
Bei Re-Mission bekämpfen krebskranke Kinder virtuelle Krebszellen in einem Videogame und lernen im gleichen Zuge etwas über die Wirkung und Sinnhaftigkeit von Medikamenten und Therapien. Studien belegen, dass sie besser auf die Chemotherapie ansprechen, ihre Medikamente regelmäßiger nehmen und neue Kraft schöpfen.

Raucher-Entwöhnung muss neuerdings nicht mehr mit der trockenen Lektüre eines Ratgebers oder via Nikotinpflaster erfolgen, sondern kann nun auch mit dem Nintendo DS über eine interaktive Umsetzung des weitbekannten Buches Endlich Nichtraucher! von Allen Carr in Angriff genommen werden.

Spielmechanismen könnten sich auch hervorragend zur Motivationsförderung etwa im Reha-Umfeld eignen. Das altbekannte Fitnessrad oder Laufband kann durch Koppelung mit virtuellen Welten (Fahrt durch einen virtuellen Park o.ä.) sogar Spielspaß bieten: Warum keine Fitnessgeräte-Highscoreliste und Preise für die Besten einführen? Die aus dem Wettbewerb entstehende häufigere Nutzung der Geräte könnte zu früheren Entlassungen und damit Kosteneinsparungen führen.

:: Seniorenheime
Eine Kette von Seniorenheimen in den USA setzt auf Wii Sports und veranstaltet landesweite Wii-Bowling-Turniere. Dies dient sowohl als spaßige Abwechslung vom Alltag für die Bewohner der Seniorenheim-Kette, als auch der Kette selbst, die das Turnier als Marketing-Tool effektiv über eine eigene Website und diverse Internet-Videos in Szene setzt.

Auch in Deutschland ist Wii Bowling bereits in den Seniorenheimen angekommen, allerdings zunächst nur im Rahmen einer Initiative namens »Senioren an die Konsole!« zweier Studenten der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München.

:: Web 2.0
Besonders im Sektor Web 2.0 lässt sich eine Vielzahl von »Game-Mechanics« als Erfolgstreiber identifizieren: »Sammeln«, »Rückmeldung & Status«, »Hindernisse und Ressourcen«, »Dynamische Anpassung«, »Personalisierung«, »Soziale Interaktion & Wettbewerb«, »Schnelle Spiele und Spiele in Spielen«, »Zufall und Glück«, »Belohnungen«, »Zuschauer« – all diese Spielmechanismen lassen sich in Web 2.0 Communities wiederfinden:

Nutzer von StudiVZ oder Facebook sammeln Freunde oder Kontakte, erhalten von diesen Rückmeldungen zu eingestellten Fotos oder Kommentaren auf der Pinnwand, pflegen ihre sozialen Kontakte durch Interaktion und knüpfen neue.
Nutzer erhalten für die regelmäßige Nutzung oder Erstellung von Beiträgen auf einer Internetseite Belohnungen in Form von Punkten und erzeugen damit virtuellen Status, der ihnen bestimmte Vorteile wie z.B. erweiterte Nutzungsrechte einräumt und darüber auch Wettbewerb mit anderen Mitgliedern erzeugt.
Durch Avatare in Online-Communites erhalten die Nutzer die Möglichkeit, ihr Erscheinungsbild und ihre persönliche Seite zu personalisieren und sich selbst darzustellen.
Es findet ein virtueller GPS-basierter Austausch von Strecken und Wettkampf zwischen Joggern, Radfahrern und Inlinern (z.B. Fraunhofer Pervasive Gaming) statt.

All diese auch in vielen Games anzutreffenden Mechanismen tragen dazu bei, dass Nutzer das jeweilige Angebot häufiger nutzen, um voran zu kommen und ihren Status in der Community zu verbessern oder zu halten. Daraus resultieren nicht zu unterschätzende (Kunden-)Bindungseffekte, da der Nutzer beim Wechsel der Community wieder komplett von vorne beginnen müsste. Es erwächst folglich auch ein Anreiz Freunde und Bekannte dafür zu gewinnen, bei dem selbst genutzten Dienst Mitglied zu werden.

:: Event- und Messeveranstalter
Denkbar ist die Nutzung von Gebäuden und Arealen in Leerlaufzeiten für »Pervasive-Games« – also Spiele, die nicht am Computer⁄Fernseher gespielt werden, sondern die die Spieler über bspw. spezielle Brillen in einem realen Umfeld in das Spiel eintauchen lassen.

Insbesondere für Museen und Ausstellungen kann sich auch der Einsatz von »Augumented Reality« – also eine durch virtuelle Elemente erweiterte Realität – als lohnend erweisen. Ein gutes Beispiel hierfür liefert das Kärntner Landesmuseum. Hier wird der Besucher mit einem Handheld-Gerät mit Kamera und Display ausgestattet, welches den Museumsbesuch zu einem völlig neuen, interaktiven Erlebnis macht . So erhält der Besucher bei einem Exponat eine Aufgabe, die er z.B. durch Auffinden und Fotografieren eines bestimmten anderen Exponates lösen muss, oder aber er wird animiert virtuell durch eine Art Minigame ein ausgestelltes Instrument zu spielen.

:: Finanzsektor
Obwohl nicht wirklich dem Finanzsektor entsprungen, soll hier dennoch auf ein Beispiel eingegangen werden, das in dieser oder anderer Form sehr gut in selbigen passen würde: Bei BANKQUEST handelt es sich um ein Handheld-Videospiel für Kinder, in dem sie mit einer Spielfigur Abenteuer in einer mittelalterlichen Abenteuerwelt bestehen und Monster bekämpfen müssen.
Das Spiel ist in ein Sparschwein in Form eines mittelalterlichen Turmes integriert. Wird der Turm mit Geld gefüllt, wird dieses in eine Währung im Spiel umgerechnet, für die sich das Kind virtuelle Ausrüstungsgegenstände für seine Spielfigur kaufen kann. Das Kind spart Geld und kann es dennoch (wenn auch nur virtuell) ausgeben.

Dies könnte in dieser oder anderer Form (z.B. Onlinespiel, das den Kontostand als Spielwährung darstellt) eine interessante Möglichkeit für Banken sein, Kinder und Jugendliche als Kunden zu gewinnen und für deren Eltern den Mehrwert liefern, dass ihre Kinder zum Sparen angehalten werden.

Einsatz von Spielen vs. Spielmechanismen
Videospiele und Spielmechanismen bieten, wie durch die genannten Beispiele verdeutlicht, eine Vielzahl an Möglichkeiten. Ob und wie diese letztendlich in einem Unternehmen Anwendung finden können, hängt von dem individuellen Unternehmen, den angebotenen Produkten und den Bedürfnissen seiner Kunden ab.

Die Nutzung von Videospielen für unternehmerische Zwecke lässt sich grob in zwei Gruppen unterteilen: Nutzung von Spielen an sich und Nutzung von Spielmechanismen. Die Entscheidung für die Nutzung von Spielmechanismen oder Spielen selbst hängt letzten Endes von den durch sie zu erreichenden Zielen und ihren individuellen Stärken ab, auf die im Folgenden detaillierter eingegangen wird.

Die Nutzung vollwertiger Spiele ist sicher nicht für jedes Unternehmen von Interesse. Dies liegt nicht zuletzt im Entwicklungsaufwand der Spiele begründet. Potenziell lohnenswert ist der Einsatz von vollwertigen Spielen insbesondere dann, wenn das Unternehmen damit folgende Zwecke verfolgt:

:: Kommunikation komplexer Funktionen oder Sachverhalte und ihrer Vorzüge
Digitale Spiele bieten aufgrund ihrer inhärenten Eignung zur Vermittlung komplexer Inhalte durch multimediale Stories eine ideale Basis zur Kommunikation von Produktfunktionen. Dies geschieht durch geschickte Platzierung des Produktes im Rahmen der Story und der erfolgsbedingenden Spielmechanismen. Diese können die Kunden/Spieler schrittweise und unter hoher Aufmerksamkeit an die Vorzüge eines Produktes, eines bestimmten Verhaltens oder einer bestimmten Behandlung heranführen. Der Erfolg ist am größten, wenn das Verständnis dieser Vorzüge als elementare Voraussetzung für den Erfolg im Spiel positioniert werden kann.

:: Gezielte Ansprache eines Publikums unter 40 Jahren und gezielter Aufbau eines Produkt- oder Firmen-Images
Die Wahrnehmung des Produktes⁄Unternehmens in einem Spiel erfolgt unter weitaus höherer Aufmerksamkeit des Nutzers als dies bei klassischen und eher passiven Formaten wie Radio, TV oder Zeitschriften der Fall ist, da Videospiele eigenes Handeln des Spielers erfordern. Spiele bieten darüber hinaus die Möglichkeit, das Produkt oder Unternehmen in einem nahezu beliebigen Kontext zu präsentieren und eignen sich somit gut zum gezielten Aufbau eines bestimmten Images und damit zur Unterstützung der Marketingaktivitäten des Unternehmens.
Alternativ besteht die kostengünstigere Möglichkeit Produktwerbung in aktuelle Videospiele zu integrieren, die vom Inhalt her zum Unternehmen passen.
So kann etwa in ein Fußballspiel der neue »Weltmeisterschaftsball« als nutzbarer Gegenstand platziert (»Product Placement«) oder der neueste Fußballschuh über virtuelle Bandenwerbung beworben werden.

:: Effektive Rekrutierung, Einarbeitung oder Weiterbildung von (neuen) Mitarbeitern
Der Trend zum Einsatz von so genannten »Serious Games« zu Recruiting- und Trainingszwecken, besonders für neu eingestellte Mitarbeiter (z.B. L‘Oreal, McDonalds, McKinsey), aber auch an Universitäten zur Förderung des Lernerfolges, fasst zunehmend Fuß und erzielt durch Studien belegte Lernerfolge. Spiele bieten in diesem Bereich vor allem den Vorteil, dass sie die Spieler in einem virtuellen und damit risikobefreiten Umfeld an komplexe Sachverhalte und Arbeitsabläufe heranführen und – durch die Möglichkeit in diesem komplexen System zu experimentieren – sein tiefer gehendes Interesse wecken können. Der Lernerfolg lässt sich durch den Einsatz von Games signifikant steigern. Insbesondere eignen sie sich auch zum Selbststudium, was gerade bei größeren Unternehmen zu Kosteneinsparungen beitragen kann.

Gegenüber dem Einsatz von Spielen lässt sich auch nur der Einsatz von Spielmechanismen – ohne ein konkretes Spiel – dazu nutzen, positive Effekte zu erzielen, indem etwas anderem der »Charakter« eines Spieles verliehen wird, wie dies heute bereits bei vielen Web 2.0 Angeboten zu beobachten ist.
Es hat sich gezeigt, dass die Einführung von Spielmechanismen zu einer höheren Nutzerbeteiligung – und damit einer stärkeren Bindung des Nutzers an das jeweilige Angebot – beitragen kann.

:: Erreichen einer stärkeren Frequentierung des Internetauftritts durch den Kunden
Die Integration von Spielmechanismen ist vor allem in »Web Communities« wie MySpace, Facebook, oder StudiVZ verbreitet, um eine höhere Nutzungsfrequenz der Mitglieder und längeres Verweilen auf dem Angebot zu erreichen, etwa durch Sammeln (von Freunden⁄Kontakten), Feedback (zu eingestellten Fotos oder dergleichen) oder die Anzeige eines Status (Messen mit anderen Mitgliedern). Durch die Implementierung von Spielmechanismen beginnen die Nutzer bei entsprechenden Anreizen (z.B. statuserzeugenden Belohnungen) häufig unweigerlich das Angebot zu nutzen als sei es ein Spiel.

Insgesamt sind im Bereich Webportale solche Spielmechanismen für Unternehmen von großem Nutzen, die eine häufige Nutzung des Angebots und für alle Teilnehmer insgesamt nützliche Aktivitäten belohnen, wie das Schreiben von Beiträgen. Wird hierdurch noch zusätzlich das Erlangen eines gewissen Status innerhalb der Community ermöglicht, führt dies zu höheren Barrieren zum Wechsel, da andernorts wieder als »Niemand« oder bei »Null« angefangen werden müsste.

:: Förderung von positivem Verhalten
Hierbei kann positives Verhalten im Sinne des Kunden (Förderung eines bestimmten Verhaltens ist für den Kunden ein Mehrwert des Produktes) oder im Sinne des Unternehmens (der Kunde wird zu einem Verhalten im Sinne des Unternehmens angeregt) gefördert werden.

Als Beispiele zu nennen wären der Einsatz von Spielmechanismen zur Förderung der Patientengenesung und zur Reduzierung der Aufenthaltszeit im Gesundheitswesen und damit der Behandlungskosten, die Schonung der Umwelt durch Belohnung einer sparsamen Fahrweise im Automobil durch z.B. Einblendung von Blumen o.ä., das Setzen eines Anreizes, regelmäßig zu joggen und die körperliche Fitness zu erhalten und zu steigern durch Erzeugung von Wettbewerb, das Setzen eines Anreizes, Geld zu sparen für Kinder durch »Übersetzung« von realem Geld in virtuelle Währung (ohne, dass dieses tatsächlich real ausgegeben wird) oder die Förderung von positivem Verhalten im Sinne des Unternehmens am Arbeitsplatz (z.B. Pünklichkeit⁄Sauberkeit o.ä. wird mit Punkten belohnt, die für etwas eingelöst werden können).

Wichtig hierbei ist vor allem, dass auf positives Verhalten unmittelbar auch positives Feedback und ein spürbar positiver Effekt für den Handelnden eintritt. Im Optimalfall ist dieser Effekt nicht einmaliger Natur, sondern verleitet den Nutzer zur Wiederholung.

Was Spiele und Spielmechanismen mitbringen, ist letzen Endes ein gewisser Spaßfaktor, der den Nutzer motiviert, weiter zu machen bzw. zurück zu kehren. Wenn ein Unternehmen derartiges Verhalten für seine Zwecke nutzen kann, dann ist es seinen Zielen in der Interaktion mit bestehenden oder potenziellen Kunden meist einen großen Schritt näher gekommen. Und auch wenn »Spaß« weit davon entfernt ist, ein unmittelbar greifbares und sofort umsetzbares Konzept zu sein, so bergen Spiele dennoch erhebliches Potenzial, das die Mühe wert ist, sich mit dessen Erzeugung näher zu befassen. Insbesondere Unternehmen, für die eine bindende Schnittstelle zu ihren Kunden unabdingbar ist und die effektive Möglichkeiten des Marketings, Recruitings und generell der Kommunikation mit dem Kunden suchen, sollten die Nutzung von Games und⁄oder Game Mechanics als Mittel zum Erreichen dieser Ziele in Erwägung ziehen.

Es sollte also nicht nur auf Seiten der direkt an Herstellung und Vertrieb von Video- und Computerspielen Beteiligten darüber nachgedacht werden, wie und in welcher Form Spiele oder Spielmechanismen gewinnbringend eingesetzt werden können. Auch Branchen, die bisher keinen direkten Kontakt mit dem Format Videospiele hatten, sollten prüfen, ob sich eines oder mehrere der hier genannten Beispiele auf ihr individuelles Geschäft übertragen lassen und Spiele und Spielmechanismen in ihrem individuellen Umfeld geeignet sind, um die eigenen Kunden und potenzielle Bewerber effektiver anzusprechen.  

 

1 Pamela M. Kato, Steve W. Cole, Andrew S. Bradlyn and Brad H. Pollock: A Video Game Improves Behavioral Outcomes in Adolescents and Young Adults With Cancer: A Randomized Trial, in: PEDIATRICS, Vol. 122, No. 2, August 2008

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