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Sönke Nissen, Franz Winterer:
Die Deutschland GmbH. Wie wir unser Land konsequent auf Kurs bringen

ISBN: 3832310630
Erscheinungsjahr: 2004
REDLINE WIRTSCHAFT bei ueberreuter

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enn auch der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland auf sich warten lässt, zumindest Ratgeber für den Weg aus der Krise haben Hochkonjunktur.

Die beiden Kaufleute Sönke Nissen und Franz Winterer wollen Deutschland mit der Idee, das Land wie eine mittelständische GmbH zu führen, auf Vordermann bringen. Was im Mittelstand funktioniert, soll auch Deutschland wieder auf Erfolgskurs bringen: konsequente Bürgerorientierung, ein strenges Budgetprinzip, persönliche Verantwortlichkeit der politischen Führung, Nachhaltigkeit als Staatsziel.

Da der deutsche Mittelstand über Jahrzehnte den kontinuierlichen Wandel und die erforderlichen Anpassungsprozesse gemeistert hat und bis heute das Rückgrat der deutschen Wirtschaft darstellt, soll nach Meinung der Autoren die Übertragung dessen Stärken und Vorzüge auf das Unternehmen Deutschland zum wirtschaftlichen Aufschwung führen.

Die Autoren fordern, dass sich der Staat auf seine Kernkompetenzen zurückziehen und mehr Verantwortung an den Bürger zurückgeben soll. Damit werden die Menschen die Erkenntnis haben, dass sie selbst der Staat sind und mit dieser Identifikation wird Zufriedenheit und konstruktives Miteinander zurückkehren: wie in jedem gut geführten mittelständischen Unternehmen.

Die Ratschläge im Buch sind geprägt durch den Erfahrungsschatz der Autoren und vereinen die Perspektive der Führung eines mittelständischen Unternehmens mit der Kenntnis der Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Sönke Nissen ist Partner bei ECC Kohtes Klewes GmbH in Berlin, einer Kommunikations- und Politikberatung. Franz Winterer ist geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis Temming Holding GmbH in Glückstadt, einem Hersteller von Recycling-Papieren.

Anlass zum Schreiben des Ratgebers, erklären sie, war die Unzufriedenheit über den Zustand des Landes sowie die fehlende Perspektive für unsere Gesellschaft, vor allem für die jüngere Generation. Und da sich die beiden Kaufleute nicht mit dem Status Quo abfinden und außerdem einen Beitrag zum Kurswechsel von Deutschland leisten wollen, kam ihnen die Idee für das Buch.

Die Deutschland GmbH startet mit einer Bestandsaufnahme der Probleme des Landes. Nissen und Winterer befinden, dass der deutsche Schuh an drei Stellen drückt: auf dem Gebiet der Finanzen, der Märkte und der Führung. Zusammenfassend wird eine Liste von zehn Gründen dargestellt, warum das Land ein Sanierungsfall geworden ist.

Die Beschreibung der deutschen Lage gelingt sehr plakativ, wenn auch die Form der Darstellung zumindest gewöhnungsbedürftig ist: verpackt in einen inneren Monolog eines – angeblich – typisch deutschen Angestellten, der sich einen Tag lang Gedanken über Renten, Unternehmen, Steuern oder die Zukunft der Arbeit macht. Den ganzen Tag über wird er von Hiobsbotschaften aus Zeitung, Radio und Fernsehen begleitet und wirkt ob der schlechten Nachrichten, die Deutschland am Rand des Untergangs zeichnen, zunehmend frustriert.

Das Ergebnis der Analyse liefert nichts wesentlich Neues: Da das Land mehr ausgibt als es einnimmt und dabei in unproduktive Sektoren unverhältnismäßig viel investiert, vor allem, um die sozialen Sicherungssysteme auf einem hohen Niveau zu halten, fehlt die Kraft, in die Zukunft zu investieren. Außerdem subventioniert Deutschland veraltete Produkte und Dienstleistungen, die Bürger als Kunden sind unzufrieden, viele Unternehmen verlassen den Standort Deutschland. Die Regulierungsdichte ist unerreicht und das Land verliert zunehmend den Anschluss an den internationalen Wettbewerb. Deutschland wird ohne Zielformulierung geführt, es fehlt an Instrumenten und Mechanismen zur konsequenten Umsetzung. Kurz: die Führung hat den Menschen aus den Augen verloren.

Im Anschluss an die Problemdefinition wird das Konzept des Mittelstands erklärt, wobei anhand ausgewählter Beispiele die Erfolgskriterien deutscher mittelständischer Unternehmen beschrieben werden. Dieser Abschnitt des Buches wirft die Frage auf, ob die genannten Charakteristika, wie zum Beispiel langfristige Erfolgssicherung, verantwortungsvolles Haushalten, Effizienz, klare Ziele und Visionen, spezifisch für den Mittelstand sind oder ob diese Eigenschaften nicht für jedes erfolgreich agierende Unternehmen notwendig sind. Es kommt der Verdacht auf, dass die Autoren hier zu stark von den Beispielunternehmen auf die Gesamtheit der Mittelstandsunternehmen schließen.

Auch im dritten Teil des Buches behelfen sich die Autoren der schon eingangs gewählten Darstellungsweise: sie beschreiben einen fiktiven Tag einer Unternehmerin, Mutter und Ehefrau im Jahr 2009. Vom Honigbrötchen zum Frühstück bis zum Glas Wein am Abend wird dem Leser anhand von Gedanken, Unterhaltungen und Beobachtungen die Vision von Deutschland nahe gebracht.

Im vierten Teil des Buches werden die Ziele, Prinzipien und Strategien einer Deutschland GmbH vorgestellt sowie die wichtigsten Stellschrauben in den Handlungsfeldern Finanzen, Märkte und Führung benannt, die zu verändern sind, um einen Kurswechsel bewirken zu können.

Den Autoren ist mit dem vorliegenden Buch bestimmt eine sehr plakative Bestandsaufnahme der Schwierigkeiten des Patienten Deutschland gelungen, wenn auch die Analyse der Probleme etwas flach bleibt. Ist es wirklich realistisch, dass die Spielregeln eines Mittelstandsunternehmens eins zu eins auch für ein Mammutunternehmen wie Deutschland gelten können? Eine Diskussion, wo die Rezepte eventuell abzuwandeln und anzupassen sind, bleiben die Autoren dem Leser schuldig. Der Staat funktioniert nun einmal nicht nach streng ökonomischen Gesichtspunkten, nicht jede Leistung, die er erbringt, kann nach reinen Rentabilitätsbetrachtungen beurteilt werden. Auch scheint die Gleichsetzung von Mitarbeitern und Einwohnern nur beschränkt sinnvoll.

Nissen und Winterer beklagen ein Fehlen des gesunden Menschenverstandes in der Führungsriege des Unternehmens Deutschland. Mit den im Buch vorgeschlagenen Ideen ginge es in Windeseile wieder bergauf, versprechen die Autoren. Dass die wahren Hürden oft eher in der Umsetzung der Lösungen liegen, wird mit keinem Wort erwähnt. Noch so gute Ideen helfen nicht weiter, wenn man bei der Durchführung auf verkrustete Strukturen und über Jahre hinweg erworbene Privilegien stößt, die sich nicht ohne Widerstand wieder abschaffen lassen. Die Ideen der Autoren klingen allesamt einleuchtend, aber kein Politiker ist in der glücklichen Lage, auf der grünen Wiese Reformen vorzuschlagen und umzusetzen. Hier liegt der eigentliche Knackpunkt, eine Diskussion dieses Dilemmas würde Neues bringen und tatsächlich Hilfestellung bieten, wird von den Autoren aber elegant umschifft. Klar – sie müssen ihre schönen Ideen ja auch nicht einem Praxistest unterziehen.

Insgesamt stellt das Buch die aktuellen Probleme Deutschlands kurz und prägnant sowie leicht nachvollziehbar dar. Oft fehlt aber Tiefe und eine gewisse Differenziertheit. Viele Themen werden nur angerissen, ohne sie eingehend zu diskutieren und die spezifischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Die vorgeschlagenen Lösungswege sind nicht neu, man hat sie längst gehört. Damit das Buch wirklich Wert besäße und Hilfestellung zur Gesundung Deutschlands geben könnte, fehlen Vorschläge, wie die politischen Zwänge überwunden und die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Umsetzung der Maßnahmen hergestellt werden können. Wer einen schnellen Überblick über die Probleme von heute bekommen möchte, ist allerdings bestens bedient.