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Meinhard Miegel:
Exit. Wohlstand ohne Wachstum

ISBN: 3549073658
Erscheinungsjahr: 2010
Propyläen

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ie Finanz- und Wirtschaftskrise hat es ans Tageslicht befördert: große Teile der Welt hängen am Wirtschaftswachstum wie Alkoholiker an der Flasche. Die Wirtschaft muss immer weiter wachsen, eine Unterbrechung wäre ein Drama. Und wächst sie einmal nicht, werden Untergangsszenarien an die Wand gemalt und das Elend der Weltwirtschaftskrise muss als Vergleich herhalten. Um das Schlimmste abzuwenden, werden im Handumdrehen hehre Ziele geopfert: Umweltschutz, offene Märkte, ausgeglichene öffentliche Haushalte – all das kann warten, nun gilt es alle Bemühungen auf das Wirtschaftswachstum zu richten.

Dass das Auf und Ab der Wirtschaft normal ist, dass auf den Frühling ein Sommer und schließlich ein Herbst folgen muss, diese Einsicht geht den krisenentwöhnten Bevölkerungen vieler Länder vollkommen ab. Es darf immer nur bergauf gehen, alles andere ist unerträglich. Läuft die Wirtschaft einmal mit verminderter Kraft, gerät das gesamte Gemeinwesen in Schwierigkeiten. Aber warum eigentlich muss die Wirtschaft immer weiter wachsen? Haben wir nicht ein Niveau von Wohlstand erreicht, das es erlauben würde, mehr Augenmerk auf Lebensglück zu richten, Lebensgrundlagen nicht mehr um kurzzeitiger materieller Vorteile willen zu beschädigen? Viel zu selten werden solche Fragen gestellt, das Dogma des Wirtschaftswachstums hinterfragt. Meinhard Miegels Buch Exit schlägt daher exakt in die richtige Kerbe, wenn er unsere Welt des Höher, Schneller und Weiter auf den Prüfstand hebt und möglichen Alternativen nachgeht.

Was steckt hinter der Sichtweise, die Menschen behaupten lässt: »Ohne Wachstum ist alles nichts«? Lässt sich das Lebensglück durch materielle Güter ins Unermessliche steigern? Oder ist nicht irgendwann ein Maß an Wohlstand erreicht, das materielle Güter unbedeutender werden lässt? Haben die Menschen wenig, wie etwa in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, kann die erwirtschaftete Gütermenge tatsächlich als guter Gradmesser der Zufriedenheit gelten. So stieg nach 1945 die Lebenszufriedenheit der Menschen parallel zur Mehrung ihres Wohlstands. Um 1970 endete diese Entwicklung jedoch: Obwohl Bruttoinlandsprodukt und verfügbares Einkommen kontinuierlich anstiegen, steigerte sich nicht der Anteil der Zufriedenen an der Bevölkerung.

Für Miegel liegt der Schluss nahe: »Ist erst einmal ein gewisses materielles Niveau erreicht, rücken für die meisten Menschen andere Dinge in den Vordergrund.« Und tatsächlich existiert eine Vielzahl von Untersuchungen, die bestätigen, dass in reichen Ländern ein Anstieg der Ausstattung mit materiellen Gütern kaum noch einen Beitrag zur Steigerung des Lebensglücks leistet. Vor diesem Hintergrund mutet es schon merkwürdig an, dass Menschen dennoch weiter nach Wachstum streben, dass sie verbissen Lohnerhöhungen hinterherlaufen – wohlwissend, dass diese höchstens kurzfristig Zufriedenheitsgewinne bringen. Miegel sieht die Völker der frühindustrialisierten Länder in einem Rauschzustand: die Wachstumsorgie solle bloß nie enden, man fürchtet die Ernüchterung danach, den unweigerlichen Kater. Mit einem anhaltenden Geldfluss werde versucht, den Rausch immer weiter aufrechtzuerhalten. Deshalb heißt die Antwort auf alle Probleme heute: mehr Geld. Und mehr Geld bedeutet mehr Wachstum.

Immer mehr Geld und immer mehr Wachstum müssen aber in einer Welt endlicher Ressourcen zwangsläufig an Grenzen stoßen. Die Menschheit hat die Ressourcen der Erde – Luft, Wasser, Böden – bereits derart beansprucht, dass ein »Weiter so« keine Option ist. Der Richtungswechsel wird zur Überlebensfrage. Es gilt neue Ziele zu finden: Lebenssinn statt Einkommens- und Vermögensmehrung. Wohlstand muss in Zukunft anders definiert werden als die Mehrung materieller Güter – schlicht, weil es die Versorgungs- und Entsorgungskapazitäten unserer Erde nicht mehr hergeben.

Meinhard Miegel zeichnet ein Bild der Erneuerung, das ohne Raubbau an der Natur auskommt: Ein Bewusstseinswandel muss die Wende bringen. Das Zusammenleben der Menschen muss durch Ziele regiert werden, die sich nicht im zahlenmäßig gemessenen Sozialprodukt und Ressourcenverbrauch niederschlagen. Mehr Glück zu erreichen ohne Sozialprodukt, muss die Devise sein.

Der Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel leistet mit seinem Buch Exit einen wichtigen Beitrag zur Debatte über die Zukunft des Sozialstaats, die nur allzu oft lediglich an der Oberfläche kratzt, ohne das Wesentliche anzutasten. Exit hingegen stellt exakt die alles entscheidende Frage: Wie kann Wohlstand in Zukunft aussehen, ohne einem zerstörerischen Wachstum hinterherzulaufen? Miegel gibt Denkanstöße, sein Buch rüttelt auf und macht nachdenklich. Denn eine Debatte über die Grenzen des Wachstums ist überfällig oder wie Meinhard Miegel bekräftigt: »Die große Sause ist vorüber«.