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Alltagshelden – Ein neuer Blick auf Agenten der Veränderung
Was tun, wenn altbewährte Strategien neue Probleme nicht mehr lösen? Dann wird es Zeit für einen Perspektivenwechsel und die Suche nach anderen Alternativen. So gesehen bedeutet Führung nichts anderes als die Auswahl passender Lösungswege. Und dies jeden Tag von Neuem.

        


 
eldengeschichten aller Kulturen folgen dem gleichen Schema. Immer versucht der Held zunächst die gestellte Aufgabe mit gewohnten Mitteln zu lösen. Dann gerät er in eine existentielle Krise, in der es um Leben und Tod geht. Festhalten an Gewohntem könnte ihn sterben lassen – er muss sich dem Neuen öffnen. Dann kehrt der Held entweder als geläuterter Sieger heim oder er scheitert vollständig und verliert sein Leben.

Das gleiche Muster ist bei allen Lernprozessen zu beobachten, bei denen es um mehr als nur um das Verfeinern und Variieren gewohnter Kompetenzen geht. Persönliche, aber auch institutionelle Krisen können häufig als solche Lernprozesse gedeutet werden.
Meist wird erst nachträglich deutlich, dass die mit solchen Lernprozessen verbundenen »Schmerzen« (als Konsequenz eines anfänglichen »Nicht-Loslassen-Wollen«) unumgänglich waren.

Die Stationen des Heldenweges
:: Alltag. Normale Aufgaben, die in gewohnter Kompetenz mit gewohnten Lösungswegen (Lösungen erster Ordnung) bewältigt werden können.

:: Der Ruf des Schicksals (»Wir müssen uns verändern, um zu überleben«) wird gehört und angenommen.

:: Der Held macht sich auf den Weg als Agent der Veränderung.

:: Er stößt auf erste Schwierigkeiten und versucht die Schwierigkeiten mit gewohnten Strategien zu bewältigen (Lösungen erster Ordnung). Zu seiner Überraschung erlebt er Rückschläge und Misserfolge.

:: Der Held zieht sich zurück, um neue Kräfte zu sammeln. Er bekommt Unterstützung von hilfreichen Kräften, die es »gut mit ihm meinen«, aber selbst nur Variationen der gewohnten Lösungswege vorschlagen. Der Held erlebt offenen und verdeckten Widerstand.

:: Existenzielle Krise: Die alten Lösungen erster Ordnung funktionieren nicht mehr, der Held scheitert, weil er kein Repertoire hat, das der neuen Situation angemessen ist.

:: Das Erleben des Scheiterns und die offene Auseinandersetzung mit den Widerständen helfen dem Helden, sich einer neuen Haltung zu öffnen (Lösungen zweiter Ordnung), die die Lösung und Rettung bringt.

:: Der Held macht sich auf den Rückweg und versteht nachträglich die »eigentliche« Aufgabe und den Veränderungsprozess, an dem er beteiligt war.

:: Ein großes Siegesfest wird gefeiert. (»Wir überlebten!«)

:: Der Alltag kehrt wieder ein (bis zum nächsten »Ruf des Schicksals«).

(nach Rolf Balling, Wilhelm Backhausen und anderen)

Lösungen erster Ordnung
Um Abweichungen vom gewünschten Zustand zu beheben, werden zunächst bewährte, »logische« Strategien zur Problemlösung gewählt, die sich direkt auf die Schwierigkeit beziehen. Diese Strategien kommen aus der Erfahrung und sind in der Praxis bisher immer erfolgreich.

In der Regel wird bei Lösungen erster Ordnung versucht, WENN-DANN Beziehungen zu erzeugen: Wenn wir frieren, dann versuchen wir dies durch Wärmezufuhr zu regulieren (heizen).

Falls sich die Maßnahme als nicht ausreichend erweist, wird dann mehr desselben getan, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen (noch mehr heizen). Eine Krise bahnt sich an, denn auch noch so große Anstrengung scheint nicht zum gewünschten Ergebnis zu führen.

Lösungen zweiter Ordnung
Die letztendlich dann erfolgreiche Maßnahme konzentriert sich in erster Linie nicht auf die Schwierigkeit selbst, sondern auf den Prozess (Automatismus) der bisher üblichen Lösungsfindung. In der Krise entsteht das Bewusstsein, dass man mit den bisherigen Lösungsansätzen nicht weitergekommen ist. Nun sind auch andere Möglichkeiten es wert, »ausprobiert« zu werden.

Die zu lösende Situation wird in einen neuen weiteren Rahmen gestellt (»das kann man ja auch ganz anders sehen«). Plötzlich erscheinen vorher undenkbare Alternativen als realistisch und werden umgesetzt.

Das Problem der richtigen Entscheidung
Die Paradoxie des Managements (des Helden) besteht darin, dass Manager nur Unentscheidbares entscheiden können, weil das Entscheidbare ja bereits entschieden ist. Organisationen sind in der Regel perfekt, das Entscheidbare in Form von Anweisungen, zertifizierten Prozessen und betrieblicher Übung (das machen wir hier immer so) zu regeln. Dafür braucht es keine Führung und schon gar keine Helden!

Manager, die Alltagshelden sind, treffen also ständig unentscheidbare Entscheidungen. Sie entscheiden sich für ein Vorgehen, obwohl sie nicht mit Sicherheit wissen, welche ihnen vorliegende Alternative richtig und welche falsch ist. Vielleicht sind sogar alle richtig oder alles ist falsch! Ein Dilemma für Manager, die nur in WENN-DANN Relationen denken...

Das führt unsere Helden in die existenzielle Krise: Wenn sie weiter nach der »wahren« Entscheidung suchen!

Eine neue Sicht auf das Thema Verantwortung
So betrachtet, wird Führung zum aktiven Risikomanagement. Manager wählen unter den bestehenden Alternativen allein nur die passende aus. Diese wird nicht dadurch gekennzeichnet, weil dies die Beste ist, sondern weil die Führungskraft sie dafür hält. Das Risiko das nun entsteht, weil einerseits entschieden werden muss (sonst herrscht Stillstand) und andererseits jede Entscheidung eigentlich nicht zu entscheiden ist, muss der Held allein tragen. Dies ist echte Führungsverantwortung!

Die Paradoxie der Veränderung
Personen, aber auch Organisationen, die häufig den Kreislauf (den Heldenweg) bestanden haben, werden trotzdem in der nächsten existenziellen Krise kaum weniger gebeutelt.
Warum? Weil die Tendenz besteht, die gewonnene Erkenntnis (den Sieg) jetzt als einzige Alternative übernommen zu haben. Jetzt wissen die Manager ja wie es geht! Ihre Entscheidung war also richtig und nicht nur passend! Sie können also wieder bequem in den üblichen WENN-DANN Relationen an die nächste Situation herangehen!

Veränderung geschieht immer am Rande des Chaos
Fast alles wird in Frage gestellt: Woran soll man sich nur halten?

Führungskräfte, die Ihre Rolle professionell ausfüllen, handeln in einer Haltung seemännischer Gelassenheit, die aus einer – in vielen Krisen gewonnenen – inneren Sicherheit und dem gewonnenen Erfahrungswissen über Prozessmanagement herrührt.

Sie agieren wie jeder gute Kapitän vor einem heranziehenden Sturm: wach, konzentriert und ruhig bereiten sie sich vor. Sie wissen: ihr Erfahrungswissen hilft ihnen, auch diesen Sturm professionell zu überstehen, obwohl Sie bei Beginn des ersten Seemanövers noch nicht wissen, was konkret in den nächsten Stunden zu entscheiden sein wird.