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Horst W. Opaschowski:
Deutschland 2020. Wie wir morgen leben – Prognosen der Wissenschaft

ISBN: 3531149407
Erscheinungsjahr: 2006
VS Verlag

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Die Zukunft beginnt jetzt
        


 
rognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.« Dieses Mark Twain, Niels Bohr oder auch mal Kurt Tucholsky zugeschriebene Bonmot drückt treffend aus, dass Vorhersagen über die Zukunft ein kompliziertes Geschäft sind. Ob die Vorhersagen nun eintreffen oder sich als falsch herausstellen, das kann oft erst Jahre später herausgefunden werden. Und oftmals spricht dann niemand mehr darüber. Bis dahin muss jeder selbst entscheiden, ob den Prognosen zu glauben ist oder nicht.

Horst W. Opaschowski, wissenschaftlicher Leiter des B.A.T Freizeit-Forschungsinstituts, wagt einen ausführlichen Blick in die Zukunft. Von ihm, dem unermüdlichen Freizeitforscher, der für sich in Anspruch nimmt, 1983 den Begriff »Erlebnisgesellschaft« erfunden zu haben, ist einiges zu erwarten. In seinem Buch Deutschland 2020. Wie wir morgen leben – Prognosen der Wissenschaft setzt er sich auf mehr als 500 Seiten mit dem Leben der Deutschen am Beginn des 21. Jahrunderts auseinander, analysiert die gegenwärtige Situation und beschreibt ein Zukunftsszenario. Opaschowksi gibt Antworten auf die Fragen »Wo stehen wir heute?« und »Was kommt morgen auf uns zu?«. Ob das entworfene Zukunftsbild sich am Ende nun als richtig oder falsch herausstellen wird – ohne eine Idee von der Zukunft können wir weder planen noch uns in der Gegenwart orientieren.

Von zahlreichen anderen eher dem Science Fiction Genre zurechenbaren Publikationen der Zukunftsforschungsliteratur setzt sich Opaschowskis Buch wohltuend ab, indem er Abstand nimmt von reißerischen Aussagen. Er ist vorsichtig mit seinen Interpretationen und basiert Aussagen stets auf Umfragedaten von Meinungsforschungsinstituten oder des B.A.T Freizeit-Forschungsinstituts. Freilich ist auch der Zeithorizont äußerst vorsichtig gewählt.

Für Opaschowski hat die Zukunft Deutschlands zwei Gesichter und demgemäß zeichnet der Autor in seinem Buch jeweils ein Risiko- und ein Chancenprofil für Deutschland im Jahre 2020: Auf der einen Seite ist ein schnelles Ende der Strukturkrise keineswegs abzusehen. Denken die Deutschen an die Zukunft, dann machen ihnen hauptsächlich Arbeitslosigkeit, Gesundheitsvorsorge, Kriminalität und Terrorismus Sorgen. Dass der Sozialstatt kippt, meinen 43 Prozent der Bevölkerung und für eine Mehrheit der Deutschen ist klar, dass es in Zukunft schwieriger wird, den Wohlstand aufrecht zu erhalten. Da die Bundesbürger den Eindruck haben, dass sie ärmer werden und an Lebensqualität einbüßen und zusätzlich die Angst vor Kriminalität und Terrorismus hinzukommt, treten andere Probleme in den Hintergrund, die objektiv zwar vorhanden sind, subjektiv aber weniger Probleme bereiten: Umweltbelastung, Bildungskrise, die Ausbreitung von Aids oder SARS interessieren weniger.
Die Frage nach Wohlstand und Lebensqualität rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und wird neu gestellt: Ging es früher um ein Haben-Wollen, verschiebt sich der Akzent heute zum Nicht-Verlieren-Wollen.

Auf der anderen Seite aber verändert sich das Verständnis vom Staat grundlegend. Die Deutschen vertrauen mehr und mehr auf Eigenleistung statt auf staatliche Leistungen und verabschieden sich vom Obrigkeitsstaat als Macher, Versorger und Verteiler. Der einzelne Bürger fühlt sich für den Schutz vor den Risiken des Lebens wie Krankheit, Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit selbst verantwortlich und vertrauen nicht länger auf die Fürsorgeleistungen des Staates. Das erreichte Wohlstands- und Wohlfahrtsniveau wollen die Menschen aus eigener Kraft halten. Deutschland wird zur Leistungsgesellschaft. Insbesondere für die junge Generation bilden Leistung und Lebensgenuss keine Gegensätze mehr. Die Leistungsorientierunng in der Gesellschaft nimmt zu und es setzt sich sowohl im Berufsleben als auch im privaten Bereich die Anschauung durch: Soziale Anerkennung verdient, wer im Leben etwas leistet. Schon lange nicht mehr hat sich die Jugend dermaßen stark durch Leistung definiert wie dies heute der Fall ist. Dabei ist die neue Leistungslust nicht an die Erwerbsarbeit gebunden, sondern kann in allen Lebensbereichen erbracht werden.

Die Bürger erkennen, dass der Staat keine Ausgabemaschine ist und keine sozialen Wohltaten zu verteilen hat. Eine aktive Beteiligung der Bürger ist gefordert, neue Formen der direkten Demokratie entwickeln sich, während die repräsentative Demokratie an Bedeutung verliert.

Eine aktivere und verantwortungsvollere Rolle ist auch im Bereich des Konsums zu beobachten. Konsumverzicht wird zwar auch in Zukunft kein Thema sein, das Diktat des Immer-Mehr der achtziger Jahre ist aber auch passé: Umso wichtiger wird vom deutschen Konsumenten die Werthaltigkeit des Konsums genommen. Und Konsum wird auch nicht länger mit »Passivität« gleichgesetzt. Es geht in Zukunft wieder stärker darum, sein Leben selbst aktiv zu gestalten und die Initiative zu ergreifen. Eigeninitiative löst die Konsumhaltung ab.

Horst W. Opaschowski stellt stets den Menschen in den Mittelpunkt seiner Analysen. Er geht nicht nur der Frage, wie wir leben werden, sondern auch jener, wie wir leben wollen nach. Denn von einem ist der Freizeitforscher fest überzeugt: Wir haben es selbst in der Hand, wie wir die Zukunft leben wollen.

Es kann konstatiert werden: die Welt ist im Wandel. Opaschowskis Ausführungen machen aber deutlich, so krisenhaft übergangszeiten auch erlebt werden, immer bergen diese auch Chancen. So regt Deutschland 2020 zweifellos zum Nachdenken an. Die Analysen sind gründlich und stützen sich stets auf umfangreiches Datenmaterial. Der Untertitel des Buches »Prognosen der Wissenschaft« mag vielleicht etwas hoch gegriffen sein, nichtsdestotrotz hält man mit Opaschowskis Buch einen ansehnlichen Fundus an Trendberichten in Händen, der fast alle Lebensbereiche abdeckt: vom Konsum über Arbeit, Medien, Bildung bis hin zum Sport.