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Wolfgang Kersting:
Verteidigung des Liberalismus

ISBN: 3867740739
Erscheinungsjahr: 2009
Murmann Verlag

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er Liberalismus hat heute einen schweren Stand; vielfältig sind die Vorwürfe, die er sich derzeit gefallen lassen muss: von der Zerstörung des globalen Finanzsystems über ein mangelndes Bewusstsein für soziale Fragen, die Ausbreitung von Individualismus und Egoismus, die Ungleichverteilung von Wohlstand bis hin zum Raubbau an der Natur und der Klimakatastrophe. Die Anklageschrift ist lang und das Misstrauen ist groß. Warum aber hat der Liberalismus heute mit solch schlechtem Ruf zu kämpfen, hat er doch lange Zeit stark dazu beigetragen, für Freiheit und Wohlstand zu sorgen?

Wolfgang Kersting, Professor für Philosophie in Kiel, nimmt sich dieser Fragen an und macht sich in seinem gleichnamigen Buch die Verteidigung des Liberalismus zur Aufgabe. Es besteht kein Zweifel: Für Kersting ist der Liberalismus das beste aller Ordnungssysteme des menschlichen Zusammenlebens. Jedoch in einem Punkt, so Kersting, hat der Liberalismus kläglich versagt: argumentationspolitisch. Liberalismus wird heute als negativ empfunden – und dies, so wird in Verteidigung des Liberalismus dargelegt, völlig zu Unrecht.

Für Kersting steht im Mittelpunkt des Liberalismus das Recht eines jeden Menschen auf die Freiheit, ein selbstverantwortliches Leben zu führen. Um diese Freiheit zu verwirklichen, bedarf es des Marktes. Dabei räumt Kersting sogleich mit der zumeist vorschnell vorgebrachten Gleichsetzung des Marktes mit Marktradikalismus auf. Es sei sehr wohl mit den Gedanken des Liberalismus vereinbar, den Markt gewissen Beschränkungen zu unterwerfen: Der Staat brauche einerseits rechtsstaatliche Regeln, um eine Wettbewerbskultur herbeizuführen, um Monopolbildungen und ökonomischen Machtmissbrauch zu verhindern. Andererseits brauche der Markt auch eine sozialstaatliche Ordnung, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Dabei versteht Wolfgang Kersting Chancengleichheit in einem denkbar engen Sinne und wendet sich gegen die Tendenz zum staatlichen Ausgleich jedweder Benachteiligung. Dieser »kompensatorische Egalitarismus« nehme den Menschen ihre Selbständigkeit, verwandle sie in »fordernde, erwartende und empfangende Wesen«.

In diesem Sinne sieht Wolfgang Kerstin die momentan stärkste Bedrohung für den Liberalismus von einem ausufernden Wohlfahrtsstaat ausgehen. Kersting zeichnet das Bild eines Staates, der ursprünglich nur für die Sicherheit der Bürger zuständig war und im Laufe der Zeit immer tiefer in die wirtschaftlichen Abläufe und gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen vordrang. Aber: »Ein für alles zuständiger Staat ist ein schwacher Staat.« Dieser Feststellung folgt eine geistvolle Analyse des heutigen Dilemmas des Sozialstaates: Die an die Bequemlichkeiten des Sozialstaates gewohnten Bürger geben die Verantwortung gerne ab. Und die Politiker nehmen diese gerne an, denn sie nutzen »den Sozialstaat als Kriegskasse zur Finanzierung ihrer Wiederwahlkampagnen«. So arbeiten Bürger und Politiker Hand in Hand an Strategien, die letztendlich das Funktionieren von Wirtschaft und Demokratie gefährden.

Liberale bleiben daher staatlichem Handeln gegenüber misstrauisch; nur ein zurückhaltend agierender Sozialstaat kann, so Kersting, gerechtfertigt werden. Daher kann der liberale Sozialstaat lediglich Chancengleichheit anstreben, nicht aber Verteilungsgerechtigkeit. Liberalismus muss vehement gegen die »Propheten den Verteilungsgerechtigkeit angehen, die den Sozialstaat in eine Umverteilungsmaschine im Dienst weitgehender materialer Gleichheit verwandeln wollen«.

Schließlich übt Kersting auch Kritik an der Neoliberalismuskritik und entlarvt das Schreckbild, das von Neoliberalismuskritikern an die Wand gemalt wird, als unhaltbar: das Credo des Neoliberalismus hat nichts von »entfesseltem Markt, von staatsabschaffender Totalderegulation, von einer Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse«. Ganz im Gegenteil treten Neoliberale für einen starken Staat ein, denn sie wissen, dass nur ein starker Staat, der sich auf das Setzen und Pflegen einer Ordnung beschränkt, den Markt vor seinen selbstzerstörerischen Auswirkungen schützen kann. Der Staat darf aber niemals zur Geisel von Interessengruppen werden. Ein solcher Entwurf vom Staat setzt aber auch Bürger voraus, die Willen zur Freiheit und Bereitschaft zur Selbstverantwortung zeigen.

Dieser Voraussetzung gilt Wolfgang Kerstings größter Zweifel. Denn die liberale Ordnung steckt voller Zumutungen, sie ist unbequem und verlangt uns einiges ab. War die individuelle Freiheit zu Zeiten des Eisernen Vorhangs noch ein selbstverständlich anzustrebendes Gut, so vergessen die Menschen heute ihre Vorzüge. Verteidigung des Liberalismus ist ein leidenschaftliches Plädoyer, wieder ein Leben mit wachsender Eigenbeteiligung zu führen, sich nicht länger hinter dem Sozialstaat zu verstecken. »Die Unbeliebtheit des Liberalismus rührt daher, dass er an unsere Vernunft appelliert, nicht an unsere Herzen«, schreibt Ludger Heidbrink in seinem Nachwort. Wolfgang Kerstings Essay entwirft ein kluges Bild des Liberalismus und baut damit die üblichen Missverständnisse und Vorurteile ab. Kerstings Bild vom Liberalismus lässt keinen Raum für Ängste oder Überforderung, die von vielen angesichts der Forderung zur selbstverantwortlichen Freiheit empfunden wird.