Burnout-Syndrom – ein Wort in aller Munde. Doch was verbirgt sich wirklich dahinter? Ist das Burnout-Syndrom eine Modekrankheit, die mittlerweile jeder Arbeitnehmer für sich in Anspruch nimmt, der stressige Phasen im Beruf zu überstehen hat? Oder aber ist das Burnout-Syndrom tatsächlich eine schwerwiegende Zivilisationserkrankung, die jahrelang von der Medizin unterschätzt und die auftretenden Symptome einfach anderen Krankheiten zugeschrieben wurden?
ugegeben, es ist nicht einfach, eine Krankheit begreifen zu können, die so viele unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Die Anzeichen einer Grippe kennt jeder und der Betroffene kann unverzüglich mit bewährten Hausmitteln gegensteuern. Die ersten Warnsignale einer Burnout-Erkrankung hingegen gehen im arbeitsreichen Alltag voller Pflichten und Terminen der betroffenen Person völlig unter und werden zumeist nicht als solche erkannt. Oft ist es für die Betroffenen erst später mit Hilfe einer Therapie möglich, den Zeitpunkt der ersten Anzeichen zu bestimmen – sie hatten verlernt, diese körperlich überhaupt wahrnehmen zu können. Eines muss sich aber jeder Mensch bewusst machen: Es kann jeden zu jeder Zeit treffen.
Grundvoraussetzung für eine echte Burnout-Erkrankung ist aber, dass der Betroffene tatsächlich für seinen Beruf »gebrannt« hat: mit Ehrgeiz, Idealismus und auch Perfektionsdenken. Oft trifft man diese Eigenschaften bei Arbeitnehmern, die gerade ihre Ausbildung beendet und ihre erste Stelle angetreten haben oder bei berufserfahrenen Arbeitnehmern, die mit guten Vorsätzen an einem neuen Arbeitsplatz beginnen. Schnell merken sie aber, dass trotz ihres engagierten Verhaltens keine Fortschritte im Arbeitsalltag zu erzielen sind. So erhalten sie beispielsweise keine positive Rückmeldung von Kunden des Unternehmens, für die sich der Mitarbeiter aufgeopfert hat. Oder aber der Arbeitnehmer wird in schöner Regelmäßigkeit von seinem Chef in die Schranken verwiesen und muss schmerzlich erkennen, dass die vollmundigen Versprechungen des Einstellungsgespräches lediglich Lippenbekenntnisse waren. Somit stellt er verbittert fest, dass sich seine Ideale nicht in dem Maße umsetzen lassen, wie er es sich ursprünglich ausgemalt hat.
Doch nicht nur Berufsanfänger und Arbeitnehmer, die ein neues Arbeitsgebiet übernehmen, sind anfällig für das Burnout-Syndrom. Praktisch jeder Mensch, der mit hohem Engagement seine Aufgaben bewältigt und dem die erwarteten Erfolge und Anerkennungen auf längere Zeit hin versagt bleiben, ist hochgradig gefährdet. Kommen dann noch sehr hohe Ansprüche gegenüber sich selbst dazu, ist ein Burnout schwer zu umgehen. Denn wie das Wort »Burnout« (engl. für ausgebrannt) schon aussagt: Was erlischt, muss logischerweise vorher gebrannt haben.
Ging man früher davon aus, dass hauptsächlich Manager, Lehrer und Krankenschwestern von diesem Phänomen betroffen sind, mussten die Mediziner ihre Erkenntnisse später revidieren und feststellen, dass Symptome einer Burnout-Erkrankung in allen Berufsgruppen zu finden sind.
Wodurch entsteht Burnout?
Förderlich für diese Erkrankung sind weitere Faktoren, die im Arbeitsalltag auftreten: So haben Arbeitnehmer eines Unternehmens, in dem die Ziele nicht klar festgelegt sind oder in dem es wenig Lob und Anerkennung durch Vorgesetzte gibt, ein ungleich höheres Erkrankungsrisiko. Auch eine starke Überwachung der eigenen Arbeitsleistung im Unternehmen oder massive Einschränkungen in der Ausführung der Arbeit können Burnout begünstigen. Muss sich der Betroffene dann gezwungenermaßen mit Unternehmenszielen auseinandersetzen, mit denen er sich nicht identifizieren kann oder die sich nicht mit seinen eigenen Wert- und Moralvorstellungen decken, ist eine Burnout-Erkrankung fast nicht mehr zu umgehen.
Aber auch Angestellte, die ihrer beruflichen Tätigkeit aufgrund mangelnder Qualifikation nicht gewachsen sind (Überforderung) und dadurch ständig negative Rückmeldungen ihres Vorgesetzten erhalten, können durch diese Situation erkranken.
Welche Warnsignale gibt es? Nun, nicht jede Phase einer Demotivation oder chronischen Müdigkeit muss gleich in einem Burnout enden. Der gefährdete Mitarbeiter hingegen arbeitet in dieser Anfangsphase pausenlos und gönnt sich keine Entspannung. Nicht nur, dass der Beruf zum absoluten Lebensinhalt wird, diese Person fühlt sich dabei absolut unentbehrlich, lässt keine Möglichkeit aus, dieses nach außen hin darzustellen und entwertet dabei bewusst die Arbeitsergebnisse und Qualifikationen von Kollegen. Die Vernachlässigung von eigenen Hobbys und sozialen Kontakten stellt sich dabei schleichend ein. Wozu auch einen Abend mit dem alten Schulfreund verschwenden, wenn die Zeit doch viel sinnvoller in die Fertigstellung einer Präsentation investiert wäre?
Der Körper wehrt sich gegen fehlende »Work-Life-Balance«
Natürlich ist berufliches Engagement eine Tugend und oft genug müssen private Belange hinter den beruflichen zurückstehen. Der Unterschied zu einem bereits an Burnout Erkrankten ist aber, dass bei diesem die »Work-Life-Balance« nicht mehr stimmt und alles dem Beruf und der Karriere untergeordnet wird. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem sich der Körper wehrt und dieses anhand von ersten körperlichen Symptomen zum Ausdruck bringt: Konzentrations- und Schlafstörungen sowie Drehschwindel und Verdauungsprobleme sind dabei die gängigsten Begleiterscheinungen.
Denn das berufliche Überengagement hat einen sehr hohen Preis. Erst kaum wahrnehmbar, dann immer stärker breitet sich ein Erschöpfungszustand aus. Genau da setzt ein reduziertes Engagement im Beruf ein: Wo vorher der Kontakt zu den Kunden aufopferungsvoll gepflegt wurde, wird dieser nun völlig vermieden. Wo der Manager vor seinem inneren Rückzug bei Meetings mit seinen pragmatischen Ideen brillierte, sitzt er nun als Burnout-Patient unbeteiligt inmitten seiner Kollegen und blockiert die Lösungsfindung. Seine negative Einstellung und die Vernachlässigung der Arbeit sind hierbei die häufigsten Entwicklungen. Besonders auffällig sind die zeitgleich auftretende Stereotypisierung (»...alle Kunden sind doch gleich nervig...«) sowie das Distanzbedürfnis des Patienten zur Außenwelt.
Und wie bei vielen anderen psychischen Problemen spielen Alkohol, Nikotin und Medikamente eine immer größere Rolle. Für die Mitmenschen des mittlerweile schwer angeschlagenen Burnout-Opfers kommt es aber noch dicker: Nicht nur, dass sie sich über die komplette Wandlung des Ehepartners bzw. des Arbeitskollegen wundern, nun werden sie auch noch Ziel seiner Schuldzuweisungen in Form von Aggressionen und Wutausbrüchen. Diese Verhaltensform ist ein Ausdruck davon, dass der Erkrankte durch Desillusionierung erkennt, dass er wichtige Lebensziele aufgeben muss – einfach, weil sie für ihn unerreichbar sind. Diese Erkenntnis kann im Einzelfall äußerst schmerzvoll sein.
Danach geht es dann richtig bergab: Nicht nur, dass Engagement in der Arbeit weiter in den Keller stürzt und der Burnout-Erkrankte seine berufliche Tätigkeit auf ein Minimum (»Dienst nach Vorschrift«) reduziert hat. Auch die »innere Kündigung« hat er längst ausgesprochen. Doch Desorganisation und Unsicherheit verhindern in dieser Phase auch, dass er sich nach einer neuen Tätigkeit umsieht. Da sich in diesem Abschnitt Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Gleichgültigkeit und Desinteresse breit machen und auch die letzten sozialen Kontakte abbrechen, kann sich der ehemals so engagierte Mitarbeiter nicht mehr aus eigener Kraft aus diesem Sumpf ziehen.
Auch Suizidgedanken sind bei diesem Krankheitsbild nicht selten, da von Außenstehenden Burnout-Erkrankungen selten ernst genommen oder aber als das Versagen von Schwächlingen ausgelegt werden. Wenig mitfühlende Vorgesetzte sind sogar der Meinung, dass sich dieser Erschöpfungszustand »mit zweimal Ausschlafen« ausreichend behandeln lässt – und gewähren großzügig zwei Tage Urlaub, um sich dann zu wundern, dass der ehemals so leistungsstarke Kollege trotzdem nicht mehr so funktioniert wie früher.
In der Anfangsphase einer Erkrankung kann eine Erholungsphase von einigen Wochen ausreichend sein, vielleicht auch eine Kur oder ein Arbeitsplatzwechsel. Später hilft nur noch fundierte Hilfe von Fachärzten, die je nach Erkrankungsgrad auch Antidepressiva einsetzen werden und eine Verhaltenstherapie verordnen werden. Hier lernt der Patient, mit Anforderungen neu umzugehen, sein Perfektionsdenken und seine übertriebenen Ansprüche zu relativieren. Nur leider – und das sei an dieser Stelle nicht verschwiegen – sind die Wartezeiten für einen Therapieplatz zum Teil sehr lang. Auch die GKV- bzw. PKV-Versicherten müssen einige formelle Hürden nehmen, bevor ihnen die Kostenübernahme einer Therapie durch ihren Versicherungsträger zugesagt werden kann.
Die Heilungserfolge einer Therapie sind kaum kalkulierbar und vorhersehbar: Das Spektrum reicht von Arbeitnehmern, die nach einer ausreichenden Therapie- und Erholungszeit wieder in ihren alten Job zurückkehren und auf altem Leistungsniveau tätig sein können – vorausgesetzt, sie gehen ganz bewusst mit der Situation um und halten strikt Erholungszeiten ein. Doch es gibt auch erkrankte Mitarbeiter, für die eine vollständige Genesung und somit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag nie mehr zu erreichen ist. Hier droht sogar das vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben.
Am besten erst gar nicht in die Burnout-Falle tappen
Doch was tun, um einem Burnout vorzubeugen? Hier ist jeder gefordert, selber zu seiner Regeneration beizutragen. Das kann der Spaziergang durch den Wald ebenso sein wie sportliche Betätigung, Lesen oder Musik hören. Denn wer erst einmal in der Burnout-Falle gelandet ist, dem fällt erst später in der Analyse mit dem Therapeuten auf, bisher keine Zeit für Hobbys gehabt zu haben.
Für viele ist diese Zeit der Regeneration auch ein Neubeginn: Alte Denkweisen und überholte Wertvorstellungen müssen mit Hilfe des Therapeuten komplett überdacht und neu gestaltet werden, Hobbys sollten sich entfalten können und eine ganz neue Einstellung zur Arbeit muss gewonnen werden.
Wichtig für die Neuentfaltung der persönlichen »Work-Life-Balance« ist ein Schuss Egoismus. Natürlich könnte der Anruf kurz vor dem Feierabend wichtig sein, doch genau an dieser Stelle ist es unerlässlich, Grenzen zu ziehen. Auch wenn sich die Außenstehenden erst an die neue Situation und an den langsam wieder genesenden Mitmenschen gewöhnen müssen, der plötzlich so ganz anders ist.